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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0136
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88 Deutschlands Kunftschätze
„Das hat eben Pesne gemalt, mein lieber Neveu! Du meinst doch das Bild au tnmdonr?"
„Richtig, Euer Majestät. Sie sind's selbst, Sire, im Alter von drei Jahren, die Trommel schla-
gend und in die Höhe blickend und die Tante von Bayreuth und der Mohr marschiren nach dem Tact!"
„Ich habe selten ein geistvolleres Gruppenbildniß gesehen", sagte Lord Mitchel, „aber jeden-
falls mehr im englischen als französischen Geschmacke!"
„Sire", bemerkte Baron Pöllnitz tief unterthänigst, „draußen ist der Kaufmann Gotzkowsky
und der Herr Galeriedirector Oesterreich!"
„Lasse Er sie eintreten. Das sind ja eben Leute, die sich vortrefflich auf Malerei verstehen."
Voran schritt der Galeriedirector Oesterreich, den der König in Dresden engagirt hatte, eine
seine bewegliche Gestalt. Dann kam die krästige Fignr Gotzkowsky's mit den energisch blickenden
Augen. Friedrich begrüßte besonders den Kaufmann mit einer bei ihm seltenen Herzlichkeit.
„Er macht mir heute ein sehr betrübtes Gesicht, lieber Gotzkowsky, als wenn Ihm ein ganzer
Ofen voll feinsten Porzellans total verbrannt wäre!"
„Sire, das Geschäft geht gerade so, als wenn all' und jeder Brand seit Jahr und Tag ver-
unglückt wäre. Die Sachsen sind unbesieglich!"
„Daß ich nicht wüßte, Gotzkowsky! Er hat keine perfecten Maler, weder für die Fanons noch
für die Peintnre selbst. Das sieht Alles bei uns so schülerhaft aus, wenn es über das bloße Or-
nament hinausgeht, oder es wird gar bauernhaft und barbarisch. Er muß sich die Maler aus
Paris kommen lassen! Von den Sachsen wird er keinen herüberziehen und selbst sie lassen die
Capitalpieces durch Franzosen malen. Ich will an meinen Gesandten in Paris schreiben. Oberst
von der Goltz selbst versteht sich sehr gut auf die feinen Vasen und Services."
„Euer Majestät, großen Dank, aber wo bleiben die Abnehmer für die guten Sachen?"
„Warum liefert Er keine Miniaturportraits für Deckel von feinen Tabatieres?" fragte der
König ungeduldig. „Sieht Er, da kann ich selbst Ihm unter die Arme greifen!"
Gotzkowsky griff schweigend in die Brusttasche, zog ein kleines Packet hervor, schlug das
Seidenpapier zurück und zeigte dem Könige eine reich mit Edelsteinen besetzte Tabaksdose, aus
deren Deckel sich das wundervoll vollendete Brustbild des Königs befand
„Voilä une uttrupe llrilinnte!" rief Friedrich überrascht aus. „Das Portrait ist mit Esprit
und Bravour gemalt. Van der Wersf führt keinen feinern und leuchtendern Pinsel... Aber
die Anffassung ist nicht original, sondern erinnert an den Stich von Georg Friedrich Schmidt."
„Sire, die Bemerkung ist richtig, aber der Maker hat es verstanden, die Jahre zu bezeichnen,
welche zwischen jenem Portrait Euer Majestät und dem gegenwärtigen liegen."
„?68t6, es wird mir schwer, dasür zu danken, Gotzkowsky!" rief Friedrich lächelnd, die Hand
än die ergrauende Seitenlocke legend.
„Und", fuhr der Kaufmann fort, „der Künstler hat Eure Majestät nur ein Mal in's Auge
gefaßt, ja überhaupt nur ein Mal gesehen — bei dem letzten Manöver nämlich!"
„Das ist interessant!" antwortete Friedrich, stets wieder zur Betrachtung des Bildes zurück-
kehrend. „Französisch delicat und doch kräftig charakterisirt. Wer ist der Maler? Jedenfalls ein
Zögling der Pariser Schule?"
„Halten zu Gnaden — nein, Sire! Der Künstler ist ein Danziger: Daniel Chodowiecky."
 
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