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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0258
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26 Correggio.
der erste große Auftrag in Parma zutheil, in dem Nonnenkloster San Paolo ein Zimmer
der Aebtisfin mit Fresken zu schmücken. Trotz des geistlichen Hauses sind die Malereien vollkommen
weltlich im Charakter, die schöne Unbefangenheit der classisch gebildeten Renaisfancezeit nahm keinen
Anstoß daran. Die Neigungen der prachtliebenden, lebenslustigen Giovanna von Piacenza
trafen hier mit denjenigen des Malers zusammen. In ihrem Wappen, das mehrmals in dem
Zimmer angebracht ist, führte sie drei Halbmonde, und so wählte sie die keusche Diana, die Göttin
des Mondes, zu ihrer Schutzpatronin. Wir erblicken diese über dem Kamin, wie sie auf ihrem
Wagen in die Lüfte steigt. Die aus sechzehn Feldern bestehende Kuppel, welche das Gemach über-
wölbt, ist in eine grüne Laube verwandelt. Durch sechzehn ovale Ausschnitte blickt man in die
blaue Luft und hier erscheinen muntere, schöne Knaben, zu zweien oder dreien gruppirt, als das
Gefolge der Diana mit ihren Attributen, Speer, Hunven, Hifthorn versehen, in Spiel und Scherz, in
Jubel und Uebermuth. Auch Raphael ließ um jene Zeit in der Farnesina zu Rom die Gestalten
seiner mythologischen Deckenbilder zwischen grünen Laubgewinden auftauchen. Bei ihm ist jedesmal
die vollendete Linienschönheit, mit der sich jede Gruppe in den gegebenen Raum fügt, vor Allem
bewunderuswerth. Keine Spur davon bei Correggio. Der Abschluß des Rahmens ist wie eine
zufällige Unterbrechung. Gar manche Figur, manche Bewegung wird dabei plötzlich durchschnitten.
Aber wenn dies auch im Einzelnen disharmonisch wirken könnte, das Ganze ist doch harmonisch
von dem erfüllt, was die Phantasie des Künstlers geben wollte. Nur um so mehr erscheinen die
Knaben wie etwas Wirkliches an dieser Stelle, nur um so natürlicher und augenblicklicher sind ihre
reizenden Bewegungen. Unterhalb dieser Ausschnitte, in den Lünetten, sehen wir mannigfache antike
Gottheiten, grau in grau gemalt. Der Grundton ist überall ein idyllischer, selbst die finsteren
Schicksalsgöttinnen, die Parzen, sind von dem Maler der Grazie in freundliche, jugendschöne, ge-
siügelte Wesen verwandelt.
Während diese Bilder in einem geschützten Raume, der lange der Oeffentlichkeit vorenthalten
blieb, vortrefflich erhalten sind, Hatten Correggio's übrige Frescomalereien in Parma, die in den
folgenden Jahren entstanden sind, ein weit ungünstigeres Schicksal. Die Verkündigung
Maria'S in der Kirche Annunziata, die überaus reizende Madonna della Scala, einst über
einem Stadtthor, der Porta Romana, jetzt in der Pinakothek zu Parma, haben starke Beschädigun-
gen erfahren. Bloße Ruinen endlich sind seine Hauptwerke, die letzten großen Frescomalereien in
der Kirche San Giovanni und im Dom. Die Bilder in der ersteren führte der Maler 1520 bis
1524 aus und erhielt dafür, laut Contract nebst Zahlungsbelegen, 272 Goldducaten. Noch ehe
er fertig war, den 3. November 1522, ward der Vertrag über die Ausmalung des Doms abge-
schlossen, für die ihm 1000 Goldducaten und außerdem 100 für die Goldverzierungen zugestanden
wurden. 1526 bis 1530 wurde die Kuppel ausgeführt, für die er im Ganzen 550 Ducaten em-
pfing; der Chor ward dagegen erst nach seinem Tode von einem geringeren Künstler gemalt. Von
den Bildern, die durch Kerzendampf und Feuchtigkeit gelitten haben, kann man in den beiden dun-
keln Kirchen nur noch theilweise eine schwache Ahnung gewinnen, die erst durch Toschi's Aquarell-
copien in der Galerie und die hiernach angefertigten Kupferstiche vervollständigt wird.
In der Lünette der Sakristeithür im Querhause von San Giovanni sitzt der schreibende
Evangelist Johannes, eine der edelsten Figuren, die Correggio je geschaffen Hat. In der Halb-
kuppel der Tribune besand sich die Krönung der Maria; bei einer spätern Erweiterung des
 
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