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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0259
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Künstler-Biographien. 27
Chors wurden nur Fragmente gerettet, von welchen dasjenige mit den Hauptfiguren jetzt in der
Bibliothek bewahrt wird. In der Mitte der Kuppel schwebt Christus gen Himmel, rings auf
Wolken sitzen die Apostel, schöne Männer und Jünglinge, fast nackt, lebhaft bewegt und mit dem
Ausdruck begeisterter Erregung. Zahlreiche Engel, flügellose Knaben, spielen um sie her und flu-
then wie Wogen an sie Heran. Etwas tiefer kauert Johannes, diesmal als Greis gebildet, der
das Alles als Vision zu fehen scheint. Unter der Kuppel, in den vier Zwickeln, auf denen sie ruht,
schweben aufs Neue Wolken, auf denen jedeSmal ein Evangelist und ein Kirchenvater sitzt, großartige
würdevolle Gestalten. Jener lehrt, dieser schreibt seine Worte nieder — dies ist das Motiv, das
in glücklichen Variationen wiederkehrt. Hübsche Engelkinder stützen die Wolken unter ihren Füßen,
himmlische Jünglinge sind aus den Simsen der aufsteigenden Gurtbogen anmuthig hingegossen.
Schon im Kloster San Paolo Hatte Correggio das Ziel verfolgt, die Vorgänge wie etwas
Wirkliches in die Höhe zu versetzen, noch in ganz anderm Maße waltet dieses Streben Hier. Der
Maler hat das hergebrachte Princip verlassen, in dem Bilde, das den Raum schmückt, auch die
Gränze des Raumes zu zeigen. Hier waltet die Art der Perspective, welche der Jtaliäner „cki 8otto
in 8u" — die Untersicht — nennt. Keine Wölbung scheint abzuschließen, das Ganze baut sich in
unbeschränkter Himmelsferne auf. „Correggio zuerst", sagt Jacob Burckhardt, „giebt auch den Glorien
des Jenseits einen kubisch meßbaren Raum, den er mit gewaltig wogenden Gestalten füllt". Sein
Vorgänger und sein Muster in dieser Hinsicht war Andrea Mantegna gewesen, wie dessen jetzt
halbzerstörte Wandmalereien in einem Zimmer des Castello di Corte zu Mantua zeigen. Aber
Correggio bietet dafür noch ganz andere Mittel auf und wird so zum Begründer jener auf Illusion
berechneten Deckenmalerei, in der sich später die Kunst des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts
gefällt. Nie wieder ist aber etwas Aehnliches mit solcher Freiheit und zugleich so maßvoll wie in San
Giovanni geschaffen. Statt eine in tie Höhe gebaute Architektur zu malen, was Mantegna in beschei-
dener Weise und die Nachfolgenden in überschwänglichstem Maße gethan, verzichtet Correggio aus dies
Nüttel, das sein Bedenken hat, da es nnr von bestimmten Punkten die richtige perspectivische Wir-
kung ergiebt und bei verändertem Standpunkt des Beschauers die Hervorgerufene Illusion wieder
aufhebt. Sein einziger Hülfsapparat sind die Wolken, auf ihnen ruhen und schweben die Gestalten,
als säßen wirkliche Menschen dort oben. Sie sind von unten her gesehen, die Kniee rücken den
Sitzenden bis gegen die Brust heraus, die Stirn der emporblickenden Gesichter verschwindet, die
Glieder wie die Köpfe der lebhaft bewegten Figuren zeigen sich in starken Verkürzungen. Begeisterte
himmlische Seligkeit durchdringt Alle, und je dunkler der Raum ist, desto Helleres Acht zaubert der
Maler hinein, die unverhüllten Körper leuchten aus ihrer Umgebung heraus.
Noch einen Schritt weiter ging Correggio bei der Kuppel des Doms. Im Tambour,
zwischen den Fenstern, stehen die Apostel, einzeln oder paarweise, und sehen dem Schauspiel in der
Höhe, der Himmelfahrt Maria's, zu, von einer Begeisterung, die an Taumel gränzt, erfüllt.
Hinter ihnen eine Brüstung mit flammenden Candelabern und kühn gruppirten Knaben ohne Flügel,
die Engel vorstellen sollen, aber fast bacchischen Charakters sind. In den vier Zwickeln die Patrone
von Parma, sie, wie die Engel, die sie tragen und umringen, in so Hestigem Flug, in so leidenschaft-
licher Bewegung, daß die Gruppen oft zum verwickelten Knäuel werden. In der Kuppel selber
endlich herrscht das Aeußerste an Bewegtheit und Lust. Bis in die Unendlichkeit ist der Himmel
mit Gestalten bevölkert. Maria breitet im Emporschweben beide Arme aus; Himmelsknaben

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