Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0260
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
28 Correggio.
schmiegen sich an ihre Füße, ihren Busen, geflügelte Engel umschweben sie und machen Musik; Andere
Engel stürzen sich ihr kopfüber entgegen, und Heilige, in der Glorie verschwimmend, erwarten sie.
Waren die Bilder in San Giovanni edler, so ist die Begeisterung hier noch weit mächtiger,
bis zur Leidenschaft gesteigert, bis zum Zügellosen ungestüm. Trotz der hinreißenden Wirkung
kann man sich aber nicht verhehlen, daß hier das Aeußerliche schon etwas stärker Hervortritt. Die
Untensicht an sich bringt das mit sich. Die monumentale Ruhe, durch welche früher die religiöse
Malerei wirkte, ist ausgehobeu, die Gestalten erblickt man von den Füßen Her, Körpertheile, die im
geistigen Ansdruck uicht mitsprechend sind, drängen sich Hervor. Kein Wunder, daß Anfangs die
Bürger von Parma sich in solche Auffassung nicht hineinzufinden wußten, daß später das Wort
eines groben Handwerkers, das sei ein Ragout vou Fröschen, historisch ward Correggio bleibt
immer Meister, aber seine Bahn wird hier gefährlich, und die Nachfolger werden sofort eine Beute
eitler Manier.
Schon vor Beginn diefer Malereien, 1519, hatte sich der Künstler mit Girolama Merlini,
der Tochter eines verstorbenen Waffenträgers des Marchese von Mantua, verheirathet. In dem-
selben Jahre hatte ihm sein Oheim mütterlicherseits Francesco Ormanni seinen Landbesitz und
seine bewegliche Habe vermacht, doch erst nach einem jahrelangen Rechtsstreit trat er in den Besitz
dieser Erbschaft. Da' ihm auch seiue Frau eine nicht unbedeutende Mitgift brachte, befand er sich
in ganz ansehnlichen bürgerlichen Verhältnissen, und schon, daß er vermählt war, er allein von
allen Meistern ersten Ranges im damaligen Italien, bezeichnet eine gut bürgerliche Existenz. 1521
wurde ihm ein Sohn, Pomponio, zu Correggio geboren, drei Töchter erblickten in den Jahren
1524 bis 27 zu Parma das Licht, wohin er eine Zeit lang wegen dm großen monumentalen
Arbeiten seinen Wohnsitz verlegt Hatte.
Neben diesen entstanden zahlreiche Staffeleigemälde. Was die Seele der ganzen Darstel-
lungsweise in den Fresken bildete, giebt auch hier den Ton an: die Bewegtheit. Alle Mittel, die
Correggio aufbietet, die Compofition wie die Zeichnung, das Licht wie die Farbe, streben auf dies
eine Ziel hin. Die Stellung und die Geberde jeder einzelnen Gestalt, die Art, wie eine Figur zu
der andern in Verhältniß gesetzt ist, wie das ganze Bild sich aufbaut, kommen dem entgegen. Tiefe
des Gefühls, Erhabenheit der Gesinnung, echt religiöse Andacht darf man bei ihm uicht suchen, auch
Correggio's Empfindungsweise ist eine erregte, und so spielt überall ein sinnlicher Zng hinein; um
so hinreißender wirkt die Art, wie das Empfindungsleben seine Figuren bis in jede Handbewegung, bis
in die Fußspitzen durchzuckt; die feinsten Regungen des Nervenlebens offenbaren sich unseren Blicken.
In Folge davon wirken seine Schöpfungen nickt in klarer, selbstbefriedigter Schönheit auf
uns ein, sondern die Wirkung selbst ist von dieser Bewegtheit ergriffen, das, worin sie gipfelt, ist
der Reiz. Dieser lebt in dem Typus aller Gestalten, namentlich der weiblichen und der jugendlichen.
Das sind keine Formen, welche sich einem hergebrachten Joeal nähern, sondern sie sind lebhaft aus
der Natur herausgegriffen, zugleich aber von Correggio's eigenthümlicher Amnuth der Gesühlsweife
durchdrungen. Der Reiz lebt in der Haltung aller einzelnen Gestalten, die von glücklicher Lust des
Daseins erfüllt, kühn und fessellos bewegt scheinen. Ueberall aber, trotz der Weichheit und des
Schwunges in den Bewegungen, doch keine Linienschönheit im strengen Sinne des Wortes. Diese
Hätte Correggio gar nicht brauchen können, ebensowenig wie die feierliche kirchliche Würde für ihn
brauchbar war, denn den Schein des Plötzlichen, des Zufälligen will er festhalten, den eigenthüm-
 
Annotationen