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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Editor]; Weitzmann, Kurt [Editor]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 2): Reliefs — Berlin: Bruno Cassirer, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.53147#0023
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BYZ ANTI NISCHE ELFENBEINSKULPTUREN

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Cristiano derjenigen in den Handschriften des Konstantin Porphyro-
gennetos entspricht. Man vergleiche damit die Hippiatrika dieses
Kaisers in der Berliner Staatsbibliothek (Cod. Phillipps 15 38) mit den
sehr ähnlichen Blüten, den Perlhühnern und dem chinesischen
Phönix in den Banken (Abb. 5 u. 6) und demselben chinesischen
Vogel auf dem Kasten in Troyes, der ebenfalls mit Recht wegen der
darauf dargestellten Eberjagd der Zeit des Romanos 11., von dem
dieses Jagdvergnügen berichtet wird, zugeschrieben wird. Endlich
kann man auch für das Triptychon im Palazzo di Venezia schwerlich
eine andere Zeitbestimmung finden als die des Porphyrogennetos,
auf den der dort genannte Konstantin sich beziehen wird, denn in
der Zeit der Konstantine des 11. Jahrhunderts und erst recht des


Abb. 5. Berlin, Staatsbibliothek cod. Phillipps i538. Hippiatrika des Konstantin Porphyro-
gennetos. Ausschnitt aus einem Titelbalken (vergrößert).


Abb. 6. Berlin, Staatsbibliothek cod. Phillipps 1538. Hippiatrika des Konstantin Porphyro-
gennetos. Titelbalken.

Palaeologen Konstantin XL im i5. Jahrhundert ist sein Stil noch
weniger unterzubringen, ganz abgesehen davon, daß das Zurück-
greifen auf ein so viel früheres Vorbild nach dem Charakter der
Zeit unwahrscheinlich ist. Einer solchen gleichzeitigen Datierung
wird sich dann auch die dritte Parallele, das Harbaville-Triptychon,
am natürlichsten angliedern und damit die Datierung der stilgleichen
Romanos-Platte bestätigen.
Als historisches Resultat würde sich daraus ergeben, daß diese erste
Zeit der plastischen Neuschöpfung unter dem Porphyrogennetos
eine Versuchszeit bedeutet, in der verschiedene Künstler sich an
derselben Aufgabe versuchten. Zugrunde liegt wahrscheinlich das
Triptychon des Palazzo di Venezia, das die auf den Kaiser bezüg-
lichen Inschriften trägt. Das Exemplar im Museo Cristiano ist danach
eine ornamental stark bereicherte, anders proportionierte und
mattere Kopie, das Harbaville eine selbständiger gestaltende Wieder-
holung. Alle drei Werke standen wahrscheinlich in Verbindung
mit einer kaiserlichen Werkstatt, nur das erste jedoch trägt die
Inschriften. Der die Zukunft beherrschende Sieger aber war der
Verfertiger des Harbaville-Triptychons, denn sein Stil lebt in
der Werkstatt weiter. Er ist vielleicht auch der abgeklärteste,
dem religiösen Sinn der Zeit am meisten entsprechende, in der

abgeschwächten Reliefform, in der ernsten und gemessenen Art der
Figuren, der klaren Behandlung der Gewandung, die den Körper
in diskreter Weise zur Geltung bringt und nicht durch Linienfülle
verwirrt, während die Figuren im Palazzo di Venezia, zu aufdring-
lich in ihrer Körperlichkeit, die hauptsächlich der altchristlichen
Sarkophagplastik entnommen war, wohl der noch immer vor-
handenen Scheu vor anzubetenden Götterbildern am wenigsten
entsprachen. Das Triptychon im Museo Cristiano mag zu schwäch-
lich, süßlich und zu stark ornamental erschienen sein. Jedenfalls
setzt sich nur der Stil des Harbaville-Triptychons in einer ganzen
Reihe hervorragender Reliefs fort, bis er mehr handwerksmäßigen
Produkten den Platz räumt.
Am nächsten stehen dem Harbaville-Triptychon und dem Romanos-
Relief die Kreuzigungstriptychen Nr. 38 und 3g und das Diptychon
Nr. 4o/4i. Alle drei gehören der reinen Scharnierverknüpfung an.
Nr. 38 ist wahrscheinlich für Anna, die Tochter des Romanos 11.
und seit 988 Gemahlin des Großfürsten von Rußland Wladimir
des Großen, angefertigt (vgl. das krit. Verz.), ferner Nr. 45, 37,
58, 60, 68, dann folgen 43, 44, 4^—3o, 52, 53, 55, 56, 76. Einen
sehr verwandten, doch in den Kopftypen etwas abweichenden
Stil vertreten Nr. 35, 6g, 70, die aber auch noch der Zeit des
Porphyrogennetos angehören, während die in der Ausführung sehr
vergröberten Diptychen Nr. 65 und 66 schon an das Ende des
Jahrhunderts, vielleicht sogar in den Anfang des 11. zu setzen sind.
Die übrigen verteilen sich in die Zwischenzeit. Bei einzelnen Stücken
ist ein Einfluß einer anderen Gruppe bemerkbar, so von der male-
rischen bei Nr. 71 und 72, oder es zeigen sich Hinneigungen zur
Triptychon-Gruppe (Nr. 7/j), oder es finden sich Abweichungen in
den Kopftypen, die auf eine Verpflanzung des Stils nach einer
Provinzial-Werkstätte deuten, wie etwa Georgien (Nr. 78, I41«)
Die endgültige Form der Arbeiten der Romanos-Gruppe ist am
häufigsten die des Triptychons, daneben seltener die des Diptychons,
noch seltener die einer isolierten Ikone, und bei den Krönungsreliefs
(Nr. 34 und 35) wohl die eines Buchdeckel-Schmucks.
In ihrem ganzen Umfang abhängig von der Romanos-Gruppe ist
die sich wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
herausbildende und mehr populäre Triptychon-Gruppe (siehe
diese).
Auch über das Verhältnis der Romanos-Gruppe zu den Elfenbein-
kästen mit dem Rosettenornament ist einiges festzustellen. Die
Platte mit dem Brustbild des Täufers in der Mitte (Nr. 68), die zu
den besten Arbeiten der Romanos-Gruppe gehört, ist vermutlich
der Deckel zu einem Kasten, wie einer gleichen Stiles sich in Florenz
befindet (Bd. I Nr. gg), der auf dem Deckel ebenfalls den Täufer
und an den Seiten die Apostel zeigt. Die Platte Nr. 68 zeigt ent-
sprechend einzelne Apostel, die an den Seitenwänden ihre Ergän-
zung gefunden haben konnten, und auch der Kasten der malerischen
Gruppe (Bd. 1 Nr. 100) bringt an den Seiten die Apostel und auf
dem Deckel den Täufer, allerdings in der Zusammensetzung der
Deesis. Mit der Berliner Kreuzigung (Nr. 72), die an die Romanos-
Gruppe anzugliedern ist, wenn sie auch nicht zu ihren reinsten
Werken gehört, stimmen dagegen stilistisch genau einige der Adam-
und Eva-Kästen überein (Bd. I Nr. 82—92). Die übrigen Adam-
und Eva-Kästen sind der Triptychon-Gruppe zuzuweisen, und ihre
charakteristischen Sternrosetten finden sich als Sonne auf den vielen
Kreuzigungen dieser Gruppe, während die andern Gruppen sie fast
durchweg anders bilden.
Im übrigen sind die beliebten Ornamente der Romanos-Gruppe
das fein ausgearbeitete Zickzackband (Nr. 32, 38, 5o, 60), scharf
geschnittene Blattpalmetten (Nr. 33, 34, 86/87, 68), kleine doppel-
säulige Arkaden an den Sockeln (Nr. 34, 43—4^, 4$), sehr selten
dagegen Baldachine, und zwar nur in abgeplatteter Form und an
Stücken nicht ganz reinen Stils (Nr. 35, 73, 76).
 
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