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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Hrsg.]; Weitzmann, Kurt [Hrsg.]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 2): Reliefs — Berlin: Bruno Cassirer, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.53147#0022
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GOLDSCHMIDT

in die Reihen der anderen einordnet und sich auch sonst vieles als
folgerichtig ergibt. Das Romanos-Relief wäre demnach angefertigt
während der Regierung des Kaisers Konstantin VII. Porphyrogenne-
tos (912—909), der bekannt ist als ein literarisch interessierter, kultur-
fördernder und nach seinen Biographen selbst künstlerisch tätiger
obgleich schwacher Herrscher. Nun wird aber die Wahrscheinlich-
keit, daß die Zeit des Romanos-Reliefs mit der des Konstantin Por-
phyrogennetos zusammenfällt, noch durch folgende Umstände be-
kräftigt. Die drei Tafeln mit den Apostelpaaren (Nr. 43—45), die
zum Stil des Romanos-Reliefs gehören, tragen den Namen eines Kon-
stantin, dem nach den beigefügten Inschriften die Hilfe der Heiligen
gelten soll. Die früheren Konstantine des 8. Jahrhunderts kommen
nicht in Frage, und die späteren des 11. reichen in ihrer Bedeutung,
besonders was ihr V erhältnis zur Kunst betrifft, in keiner Weise
an die des Porphyrogennetos heran. Ausschlaggebend aber ist das
in Moskau befindliche Relief (Nr. 35), das ebenfalls dem Stil der
Gruppe des Romanos sehr nahesteht und die Krönung eines Kaisers
Konstantin d urch Christus darstellt. Dieser trägt sehr individuell aus-
geprägte Züge durch einen ungewöhnlich langen straffen Bart und
lange neben den Krongehängen auf die Schultern herabhängende
Haare (Abb. 12) und stimmt darin mit der ebenfalls ungewöhnlichen
Goldmünze des Porphyrogennetos überein (Abb. 13). So schließt sich
der ganze Kreis der Wahrscheinlichkeiten, daß das Romanos-Relief
in die Zeit des Porphyrogennetos fällt.
Noch ein anderer Umstand kommt in Betracht, nämlich das Ver-
hältnis des Harbaville-Triptychons (Nr. 33), das denselben Stil zeigt
wie die Romanos-Platte, zu den beiden großen Triptychen im Vati-
kan (Nr. 32) und im Palazzo Venezia in Rom (Nr. 3i). Diese drei
einander ähnlichen Werke sind wegen ihrer Abweichungen im Stil,
trotzdem sie inhaltlich übereinstimmen, in sehr verschiedene Zei-
ten, zum Teil mit einem Zwischenraum von 4oo Jahren gesetzt wor-
den. Vergleicht man die drei, die alle als Mitte oben die Deesis und
unten fünf Apostel zeigen und die Flügel innen und außen mit
Heiligen gefüllt haben, so zeigt das Exemplar im Museo Cristiano
des Vatikans die reichste Komposition. Zwischen der oberen
und unteren Figurenreihe, zieht sich gleichmäßig über Mitte und
Flügel eine Kette von Brustbildern. Die Gruppe des thronenden
Christus mit den zwei begleitenden Engeln bildet in stark beherr-
schender Weise den Schwerpunkt der Komposition, trotzdem aber
ist der Grad der Dichtigkeit der Figuren, einschließlich dieser Mit-
telpunkte, gleichmäßig über die gesamte Fläche ausgebreitet. Das
Ebenmaß erstreckt sich bis auf die Inschriften, die in die ornamen-
tale Wirkung mit einbezogen sind, indem der Zwischenraum stets
durch die Buchstabenreihen gefüllt wird. So haben die zwei Apostel
links ihren Namen auf der linken, die zwei rechts den ihrigen rechts,
während er bei Petrus in der Mitte auf beide Seiten verteilt ist.
Bei dem Harbaville-Triptychon im Louvre sind all diese Gesichts-
punkte vernachlässigt. Die Trennungshorizontale geht nicht ein-
heitlich durch Mitte und Flügeln hindurch, die Verteilung der Fi-
guren ist nicht gleichmäßig, denn während die Apostel eng anein-
ander rücken, ist zwischen den Gestalten der Deesis breiter Raum
frei. Die Inschriften sind unregelmäßig eingefügt, bei den Apo-
steln sämtlich links, die Perspektive des Thrones ist falsch, indem
also auch ein Krönungsbild, das viel später anzusetzen ist als seine wirkliche
Krönung.
Auch das Titelbild des Psalters des Kaisers Basilios II. (976—ioa5), der sich in
der Marciana in Venedig befindet, zeigt, wie dem Herrscher von Christus und
dem Engel Michael die Krone aufgesetzt und von Gabriel die Lanze gereicht
wird. Auch diese Handschrift wird nach der Ornamentik erst um das Jahr 1000
angesetzt, also ein Vierteljahrhundert nach seinem Regierungsantritt.
Ebenso ist es mit den abendländischen Nachahmungen. Auf dem alten Vor-
hallenmosaik derMartorana in Palermo, die 1143 erbaut wurde durch den Ad-
miral Georgios Antiochenus, sieht man, wie Christus dem König Roger die Krone
auf das Haupt setzt. Roger war aber schon seit dem Jahr 113o zum König von
Sizilien gekrönt.
Daraus ergibt sich, daß auch bei den Elfenbeinreliefs Romanos II., Otto II. und
Konstantin Porphyrogennetos’ die Entstehung keineswegs in das Krönungsjahr
gesetzt werden muß, sondern die ganze Regierungszeit zur Auswahl steht, wenn
sich nicht anderweitig Beschränkungen ergeben.

sie zwei Seitenansichten zeigt, und die der vielen Sockel der Apostel
unstimmig, eine Gefahr, die bei dem Triptychon des Museo Cristiano
vermieden ist, indem die Sockel fehlen, während der Thron richtig
nur mit einer einzigen Seitenansicht gegeben ist. Die Auswahl der
Heiligen ist in der Hauptsache dieselbe, zeigt aber einige Ab-
weichungen und einige Umstellungen.
Vergleicht man nun das Triptychon des Museo Cristiano mit dem
des Palazzo di Venezia, so kommt man zu einem anderen Resultat.
Hier stimmen Auswahl und Anordnung der Heiligen genau, auch
die Verteilung der Inschriften ist dieselbe symmetrische, und zwar
ist hier die Mittelachse noch stärker dadurch betont, daß Petrus als
Mittelfigur genau frontal dasteht, während die seitlichen Apostel
sich etwas zum Profil wenden. Die Deesis weicht allerdings ab, da
Christus als Standfigur gegeben ist. Die Rundbilder fehlen ganz,
und statt dessen ist der breite Trennungsstreifen mit Inschriften
bedeckt, die den Namen Konstantin nennen. Demgegenüber ver-
knüpfen aber noch andere Kennzeichen die beiden Triptychen viel
enger miteinander als mit dem im Louvre. Die fünf Apostel des
unteren Feldes sowie Maria und Johannes stimmen in der Drapierung
ihrer Gewänder genau überein, sind aber ganz verschieden von der
des Louvre-Triptychons. Wenn man also von Kopien spricht, so
sind die beiden keinesfalls Kopien des Harbaville-Triptychons,
wie meist angenommen wird, sondern das Harbaville-Triptychon
ist dasjenige, das sich von diesen beiden am weitesten entfernt, schon
seiner unregelmäßigen Komposition nach. Nun kommt aber noch
der verschiedene Stil hinzu. Eine Vergleichung nach dieser Hinsicht
zeigt, daß das Triptychon des Palazzo Venezia viel stärker plastisch
durchgebildet ist. Die Figuren stehen in größerer Rundung wie in
einem Kasten, die Füße haben dementsprechend eine stärkere Ver-
kürzung und stehen fest auf einem Boden, der ebenfalls mehr ver-
kürzt ist als die Sockelflächen beim Harbaville-Triptychon. Vor
allem fassen die Hände der Apostel und Heiligen fester und räum-
licher um die Gewandteile, Bücher und Schriftrollen herum, die
langen Mäntel umschließen die Beine und liegen nicht flach
dahinter.
Das Triptychon im Museo Cristiano gibt dieselben Handmotive
und sucht auch die Bewegung der unteren Mantelsäume nachzu-
ahmen, unterschneidet auch die Falten stark (was bei der Photo-
graphie nicht herauskommt), bringt die verkürzten Schilde der
Krieger, aber geht in der runden Ausgestaltung des Reliefs
nicht so weit und vermindert die Zahl der Faltenlinien. Es nähert
sich insofern dem Stil des Harbaville-Triptychons, während es
in räumlichen Motiven des Faltenwurfs dasselbe auszudrücken
versucht, wie im Palazzo di Venezia und darin diesem näher-
steht. Das Harbaville-Triptychon ist das einzige der drei, das noch
Mitte und Flügel in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung be-
wahrt hat, und zwar zeigt es die alte Form mit den ornamentierten
Leisten oben und unten am Mittelteil und den entsprechend
niedriger gebildeten Flügeln, wie sie sich bei der malerischen
und den anderen Gruppen aus der Einhängung der Flügel durch
Zapfen als notwendig erwies. Trotzdem aber istdie Zusammenfügung
durch Scharniere geschehen, und weder die Leisten noch die Innen-
kanten der Flügel zeigen irgendwelche Spuren, daß vorher eine
andere Verbindung stattgefunden hat. Es ist also trotz der Neuerung
die alte Gesamterscheinung der Triptychen beibehalten. Dasselbe
ist der Fall bei den beiden anderen, bei denen die aufgenagelten
Leisten verlorengegangen sind, und der Mittelteil von dem im Museo
Cristiano oben und unten später verkürzt worden ist. Es zeigen alle
drei also eine Übergangsform zu Nr. 38, 3p, 55, bei denen die alte
Art ganz aufgegeben, die drei Teile gleich hoch gearbeitet und die
Leisten fortgelassen sind. Die Rückseite des Mittelteiles ist auf allen
drei Stücken durch das Kreuz mit den angefügten Rosetten ge-
schmückt, im Palazzo Venezia in einfacher Weise, im Museo Cri-
stiano mit Rankenornament auf der ganzen umgebenden Fläche, im
Louvre mit einer Darstellung des Paradieses.
Fragt man nun nach der Datierung der drei Stücke, so zeigt sich,
daß die Ornamentik der Rückseite des Triptychons des Museo
 
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