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Goldschmidt, Adolph; Weitzmann, Kurt; Goldschmidt, Adolph [Hrsg.]; Weitzmann, Kurt [Hrsg.]
Die byzantinischen Elfenbeinskulpturen des X. - XIII. Jahrhunderts (Band 2): Reliefs — Berlin: Bruno Cassirer, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.53147#0021
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BYZANTINISCHE ELFENBEINSKULPTUREN

i5

In dieser Individualisierung liegt ebenfalls ein bedeutender Schritt
der Romanos-Gruppe. In der malerischen Gruppe sind z. B. die
Apostel, mit Ausnahme von Petrus und Paulus, kaum unterschieden
(vgl. Nr. i, i3, 15), nur Bart und Haar suchen ihnen kleine Ver-
schiedenheiten zu geben, in der Nikephoros-Gruppe, besonders in
den etwas plumpen Reliefs wie Nr. 100, 123 sind sie fast völlig
gleich, in der Romanos-Gruppe dagegen, wo sie allerdings reprä-
sentativer auftreten (Nr. 3i, 33, 43—45), zeigen sie eine viel schär-
fere Charakterisierung, und ihnen folgen die übrigen Heiligen.
Manches davon wurde dann allerdings auch in der gleichlaufenden
Nikephoros-Gruppe übernommen.
Die Hauptfrage ist nun, wann die Werkstatt der Romanos-Gruppe
begründet und dieser Stil geschaffen worden ist. Ein absolut sicher
datiertes Stück ist in der Gruppe nicht vorhanden. Bis vor kurzem


Abb. 3. Istanbul, Musee des Antiquites. Fragment eines spätantiken Marmorreliefs.

ist das Relief des Kaisers Romanos und seiner Gemahlin Eudokia
als das des Romanos IV. (1068—1071) angesehen worden, doch ist
mit guter Begründung dagegen vorgebracht, daß es sich vielmehr
um Romanos II. (946—949, Krönung bis Tod seiner Gemahlin Eu-
dokia) handelt*. Da der Zeitunterschied zwischen beiden ein außer-
ordentlich großer ist, und das Verhältnis der Gruppe zu allen andern,
und damit auch die gesamte Stilentwicklung von dieser Datierung
abhängig ist, so ist es notwendig, die Gründe für und wider genau
zu erwägen.
Für Romanos IV. kann Folgendes geltend gemacht werden:
1. Auf den Münzen kommt die Darstellung der Krönung des Kai-
serpaares durch den in der Mitte stehenden Christus zum ersten-
mal bei Romanus IV. vor, desgleichen auf einer Silbermünze die-
ses Kaisers ebenfalls zum erstenmal die alleinstehende, schlank
proportionierte Hodegetria wie auf den Elfenbeinplatten der
Romanos-Gruppe.
* Den Anlaß zu dieser neuen Datierung haben Hayford Peirce und Boyall Tyler
gegeben in einem Aufsatz «Deux Mouvements dans l’Art Byzantin du Xe Siecle»
in Arethusa, 1927, der auch für die Datierungen der übrigen Reliefs in diesem
Bande grundlegend geworden ist. Sie haben auch an der Hand einer Ver-
gleichung mit der Staurothek in Cortona und dem Krönungsrelief Kaiser
Ottos zwei Stile unterschieden, was mit dem Resultat übereinstimmt, das uns
schon durch die Vergleichung der minder bedeutenden Stücke zur klaren Er-
kenntnis gekommen war. Auch war schon durch die genannten Autoren infolge
der Neudatierung der Schwerpunkt auf die Zeit des Konstantin Porphyrogennetos
gelegt. Nach manchen Zweifeln ist auch uns diese Einstellung als die durchaus
richtige erschienen.

2. Die gleiche Krönungsdarstellung findet sich als Relief auf einem
byzantinischenReliquiar im Moskauer Patriarchenschatz (Abb. 4).
(Vgl. B. Prochorow, Christliche Altertümer, Christianski ja Drev-
nosti i Archeologija, 1864, Taf. 66 und 67, Fig. 26) mit der
Beischrift des Kaisers Konstantin und der Kaiserin Eudokia, die
sich nur auf Konstantin X. (1069—1067) beziehen kann.
3. Eine Anzahl der Triptychen dieser Gruppe zeigt die ursprüng-
liche Verbindung der Flügel durch Scharniere, während bei
allen andern Stücken, die sicher aus dem 10. Jahrhundert stam-
men, die Flügel durch Einhängen in die oberen und unteren
Rahmenleisten der Mitte angefügt sind, und es daher naheliegt,
die Anwendung von Scharnieren als eine spätere Art anzusehen.
4- Romanos II. war bei seiner Krönung als Sohn des Kaisers 6 Jahre
alt, die Eudokia nur 4 und starb schon mit 8 Jahren, während
die Dargestellten keineswegs wie Kinder aussehen.
Entkräften lassen sich diese Argumente dadurch, daß
1. schon ein solches Krönungsrelief bei Otto II. und Teophano
(972/78) vorhanden ist (Nr. 85),
2. die Namensbeischrif-

ten des Moskauer
Reliquiars den Ein-
druck machen, als
seien sie später hin-
zugefügt, also für die
Dargestellten und so-
mit für die Datierung
nicht maßgebend
sind,
3. die Anbringung von
Scharnieren nicht
eine Frage der Zeit zu
sein braucht, sondern
auch mit der hervor-
ragenden Qualität
dieser Stücke Zusam-
menhängen kann.
4- Es ist nichts Unge-
wöhnliches im Mittel-


Abb. 4. Seite eines silbernen Kuppelreliquiars.
Ehemals im Patriarchenschatz in Moskau.

alter, daß auch Kinder in isolierter offizieller Darstellung keinen
Unterschied von Erwachsenen zeigen.
Für Romanos II. spricht
1. die Bartlosigkeit des Kaisers, die auf den Münzen nur bei den
Kaisersöhnen vorkommt, während die regierenden Kaiser stets
bärtig dargestellt werden.
2. Von dem Stil dieser Gruppe ist die Triptychon-Gruppe offenbar
eine schwächere Ableitung. Diese läßt sich aber sicher bis in das
Ende des 10. Jahrhunderts zurückführen, so daß die Romanos-
Gruppe früher als das 11. Jahrhundert angesetzt werden muß.
3. Nahe Parallelen in qualitativer und formaler Hinsicht mit der
Pvomanos-Gruppe sind in der Nikephoros-Gruppe zu beobach-
ten, die sicher um 970 vorhanden war.
4. Zwei Reliefs, die dem Romanos-Stil angehören (Nr. 55 und 56),
haben ein Grenzdatum im Anfang des 1 1. Jahrhunderts, vor dem
sie entstanden sein müssen.
Das Schwergewicht fällt also entscheidend auf RomanosII, somit
auf eine Entstehung des Reliefs zwischen 946 und 949*- Bekräftigt
wird dies dadurch, daß sich dann diese Gruppe am verständlichsten

* Die Datierung von Darstellungen mit der Krönung eines Kaisers durch Christus
oder Maria muß mit Vorsicht gegeben werden, denn das wirkliche Krönungs-
datum ist keineswegs dafür maßgebend. Es ist offenbar, daß ein derartiges Bdd den
Fürsten nur als legitimen Herrscher darstellen soll, daß es sich also auf irgend-
einen Zeitpunkt seiner Regierung beziehen kann. Das Bild der Krönung des
Kaisers Basilios I., des Makedoniers, durch den Erzengel Gabriel in der Hand-
schrift des Gregor von Nazianz in Paris (Ms. grec. 510) ist zwischen 880 und
886 zu datieren, sein Regierungsantritt fällt aber schon in das Jahr 867. Hie
ebenso zu datierende Darstellung in derselben Handschrift zeigt den Kaiser, wie
ihm Gabriel die Krone aufsetzt und der heilige Elias ihm das Labarum reicht,
 
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