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anzog, war eben der Reichtum und die Klangfülle des
Ausdruckes, das Bewußtsein, daß die Poesie eine höchste
Kunst sei, daneben aber die Innigkeit des Gefühls, die
auch den wildesten Flug der Phantasie uns menschlich
erreichbar nahe rückt. Merkwürdig ist. daß auf die junge
Dichtergeneration nicht die klassischen Gedichte von Keats
in erster Linie wirkten; diese Renaissance der Renaissance
hatte in ihm ihren Höhepunkt erreicht, und die englische
Romantik um die Mitte des Jahrhunderts wandte sich
immer stärker den gotisch-idyllischen Motiven zu. Nicht
vom Hyperion, den noch Shelley so hoch über alles andere
stellte, den Byron allein von Keats' Werken anerkennen
wollte, finden wir die Spuren in Tennysons Jugend-
gedichten wieder; Isabella und St. Agnes' Abend haben
bei ihm durch Kolorit und Inhalt am tiefsten gewirkt.

Ihre stärksten und vielleicht auch einseitigsten Ver-
treter fand diese Richtung in dem Maler-Dichterbunde der
Präraphaeliten. Eines der ersten Bücher, in das sich die
junge Bruderschaft zu gemeinsamem Genuß vertiefte, war
Monckton Milnes' eben erschienene Biographie von Keats.
Sie waren glücklich, nun auch das Bild des Menschen so
fein geschildert zu sehen, nachdem der Dichter so viel bei-
getragen hatte, um das Band ihres Bundes zu knüpfen.
Hol man Hunt, einer der fünf Hauptgründer der Gesell-
schaft, erzählt, wie es sein Bild, das Keats' St. Agnes'
Abend zum Motiv hatte, gewesen sei, das Dante Gabriel
Rossetti und die übrigen jungen Maler zu ihm geführt
Latte. Und wenn Orcagnas' Campo-Santofresken auch die
Bibel der Kunst waren, auf die sie sich einschworen, so
gingen sie in der ersten gemeinsamen Arbeit, die ihre
Prinzipien der Welt offenbaren sollte, doch nicht so weit
in das Mittelalter zurück. Keats' Isabella wollten sie in

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