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38

Entwickelung der modernen Buchkunst in Deutschland.


Julius Diez. Zeichnung
aus der „Jugend“. // // //

So bedeutend der Ein-
fluss der J ugend auf das deut-
sche Kunstleben aber auch
ist, von einem „Jugendstil“
lässt sich kaum reden; es ist
ein hohler Begriff, bei dem
sich schwerlich etwas denken
lässt. Und doch werden heute
Möbel, Kaffeetassen, Sticke-
reien, Leuchter, Briefpapier
und Gott weiss was im Jugend-
stil von dem kaufenden Publi-
kum verlangt?
Der Stil der Jugend aber setzt sich aus etwa hundert — teilweise sehr
stark ausgeprägten Künstlerindividualitäten zusammen; kann man denn da
von „einem Jugendstil“ reden?
Das Publikum entflammte in
Begeisterung für die Jugend und die
neugeborene, lebendige Ornamenten-
kunst, die hier zum ersten Male auf-
trat; anfangs in durchaus noch nicht
ausgereiften und abgeklärten, teil-
weise erst tastenden Versuchen. Die
Industrie aber nahm den Erfolg der
Jugend wahr und schlachtete ihn für
sich aus. Der Bildschmuck der Ju-
gend diente als Vorlagen, und in ge-
schäftigem Eifer wurde nun im ganzen
Kunstgewerbe nach diesen Mustern
schlecht und recht gearbeitet und
dann hinausposaunt in alle Welt:
„Kunstgewerbe im Jugendstil“. So
war der neuen Kunst zum Sieg verholfen und das Publikum in seinen Wün-
schen zufrieden gestellt.
In dieser schamlosen und empörenden Weise wurde das Princip, das die
Jugend ins Leben gerufen hatte
und das sie hoch zu halten sich
bemühte, total missverstanden.
Aber dieser blöde Fabrikanten-
geist lässt sich von seiner
Unwissenheit und Unbildung
schwer überzeugen; vor mir
liegen aus neuester Zeit drei
T _ _ . Musterbücher : „Aflgnetten und
J. B. Engl. Vignette aus ö
dem „Simplicissimus“. Zierleisten im Jugendstil“,


Julius Diez. Zeichnung
aus der „Jugend“. //////
 
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