VIII. Fidus.
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seele; die nahe Wahlverwandtschaft zwischen Dichter und Künstler lässt sich
verstehen, die dem ganzen Buch einen so sehr geschlossenen und harmonie-
vollen Charakter giebt. Auch hier sind auf dem kleinsten Raume mit den
schlichtesten Mitteln jedesmal starke elementare Empfindungen der Menschen-
seele verlebendigt; wie ergreifend z. B. ist in der kleinen Bordüre die Besamung
dargestellt und ins Ideale erhoben, ohne den brünstigen Schwulst niedriger
Lüsternheit. Die kleinen, feinen Gestalten sind niedergekniet und breiten in er-
gebener Erwartung und in engen Aengsten die Hände in den Wind; daneben
steht dann die kleine Schlussvignette mit dem Embryo, dem werdenden
Menschlein.
Es finden sich in diesem Buche neben manchen schönen, figürlichen Dar-
stellungen vor allem auch sehr gute landschaftliche Motive, wie das wunder-
volle, weiträumige Landschaftsbild mit der aufgehenden Sonne zu dem Kapitel
„Totaliter, aliter“, ferner die hohe Föhre und die duftige Umrahmung mit
Koniferengezweig für den Titel, die bei den Kapitelanfängen immer wieder-
kehrt. Von schöner Silhouettenwirkung sind die allerdings etwas steif-
beinigen und hölzernen, jagenden Wildrosse; auch die Kopfleiste „Wander-
vögel“ ist von gut abgewogener Schwarz-Weiss-Kontrastwirkung; graziös
und anmutig wirkt die reizende Vignette „Herbstfäden“, zart und tief em-
pfunden das Schlussstück „Sehnsucht“, mit dem das Buch ausklingt.
Als Ganzes verdient dieser Roman entschieden unbeeinträchtigtes Lob,
da der Satzschmuck und die Vignetten mit lobenswertem Geschmack über
das Innere verteilt sind und ausgezeichnet zusammenstimmen. Die Zeitschrift
„Bühne und Welt“ brachte in ihrem zweiten Jahrgang (Nummer 8) drei Vig-
netten von Fidus zu Max Möllers, „Johannisnacht“ und die Leipziger Kunst
in ihrem ersten Hefte ebenfalls zwei kleine Zeichnungen, von denen die leiden-
schaftlich erfasste kleine Mädchengestalt „Sehnsucht“ und „An die Schönheit“
hervorzuheben sind.
Zum Schlüsse sei noch betont, dass man sich Fidus’ Künstlergestalt
durchaus nicht etwa als einen nur tiefernsten, von philosophischem Pathos
geschwellten Menschen vorzustellen hat, den man nicht anders begrüssen
darf, als mit den Worten „Wie befindet sich Ihre AVeltanschauung?“ Nein,
mit einem ernsten Tiefensinn verbindet er eine liebenswürdige Ursprüng-
lichkeit, einen herzerquickenden Frohsinn, der sich oft bis zu übermütigem
Humor versteig't. Ich erinnere nur an seine Zeichnungen in der Jugend
„Die fliegenden Fische“ und „das süsse Vieh von Viehdus“ und an seine
Mitthätigkeit an dem Illustrierten Jahrbuch für Knaben und Mädchen „Knecht
Rupprecht“, herausgegeben von Ernst Brausewetter (Schafstein u. Co. in Köln).
Zu dem ersten Bande zeichnete Fidus den Umschlag: Knecht Rupprecht
schreitet in stillvergnügtem Lächeln durch den winterlichen Wald, den
schweren Sack auf der Schulter. Den Umschlag zum zweiten Jahrgang be-
handelte er ganz dekorativ, indem er die Krone eines Weihnachtsbaumes
darstellte, in dessen Spitze der goldene Christstern leuchtend strahlt; das
Vorsatzpapier ist sehr wirkungsvoll mit einem Tannenzweigmotiv geschmückt.
Ausserdem enthalten beide übrigens recht gut redigierte Bände noch je ein
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seele; die nahe Wahlverwandtschaft zwischen Dichter und Künstler lässt sich
verstehen, die dem ganzen Buch einen so sehr geschlossenen und harmonie-
vollen Charakter giebt. Auch hier sind auf dem kleinsten Raume mit den
schlichtesten Mitteln jedesmal starke elementare Empfindungen der Menschen-
seele verlebendigt; wie ergreifend z. B. ist in der kleinen Bordüre die Besamung
dargestellt und ins Ideale erhoben, ohne den brünstigen Schwulst niedriger
Lüsternheit. Die kleinen, feinen Gestalten sind niedergekniet und breiten in er-
gebener Erwartung und in engen Aengsten die Hände in den Wind; daneben
steht dann die kleine Schlussvignette mit dem Embryo, dem werdenden
Menschlein.
Es finden sich in diesem Buche neben manchen schönen, figürlichen Dar-
stellungen vor allem auch sehr gute landschaftliche Motive, wie das wunder-
volle, weiträumige Landschaftsbild mit der aufgehenden Sonne zu dem Kapitel
„Totaliter, aliter“, ferner die hohe Föhre und die duftige Umrahmung mit
Koniferengezweig für den Titel, die bei den Kapitelanfängen immer wieder-
kehrt. Von schöner Silhouettenwirkung sind die allerdings etwas steif-
beinigen und hölzernen, jagenden Wildrosse; auch die Kopfleiste „Wander-
vögel“ ist von gut abgewogener Schwarz-Weiss-Kontrastwirkung; graziös
und anmutig wirkt die reizende Vignette „Herbstfäden“, zart und tief em-
pfunden das Schlussstück „Sehnsucht“, mit dem das Buch ausklingt.
Als Ganzes verdient dieser Roman entschieden unbeeinträchtigtes Lob,
da der Satzschmuck und die Vignetten mit lobenswertem Geschmack über
das Innere verteilt sind und ausgezeichnet zusammenstimmen. Die Zeitschrift
„Bühne und Welt“ brachte in ihrem zweiten Jahrgang (Nummer 8) drei Vig-
netten von Fidus zu Max Möllers, „Johannisnacht“ und die Leipziger Kunst
in ihrem ersten Hefte ebenfalls zwei kleine Zeichnungen, von denen die leiden-
schaftlich erfasste kleine Mädchengestalt „Sehnsucht“ und „An die Schönheit“
hervorzuheben sind.
Zum Schlüsse sei noch betont, dass man sich Fidus’ Künstlergestalt
durchaus nicht etwa als einen nur tiefernsten, von philosophischem Pathos
geschwellten Menschen vorzustellen hat, den man nicht anders begrüssen
darf, als mit den Worten „Wie befindet sich Ihre AVeltanschauung?“ Nein,
mit einem ernsten Tiefensinn verbindet er eine liebenswürdige Ursprüng-
lichkeit, einen herzerquickenden Frohsinn, der sich oft bis zu übermütigem
Humor versteig't. Ich erinnere nur an seine Zeichnungen in der Jugend
„Die fliegenden Fische“ und „das süsse Vieh von Viehdus“ und an seine
Mitthätigkeit an dem Illustrierten Jahrbuch für Knaben und Mädchen „Knecht
Rupprecht“, herausgegeben von Ernst Brausewetter (Schafstein u. Co. in Köln).
Zu dem ersten Bande zeichnete Fidus den Umschlag: Knecht Rupprecht
schreitet in stillvergnügtem Lächeln durch den winterlichen Wald, den
schweren Sack auf der Schulter. Den Umschlag zum zweiten Jahrgang be-
handelte er ganz dekorativ, indem er die Krone eines Weihnachtsbaumes
darstellte, in dessen Spitze der goldene Christstern leuchtend strahlt; das
Vorsatzpapier ist sehr wirkungsvoll mit einem Tannenzweigmotiv geschmückt.
Ausserdem enthalten beide übrigens recht gut redigierte Bände noch je ein