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Grautoff, Otto; Rodin, Auguste [Ill.]
Rodin — Künstler-Monographien, Band 93: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.55313#0036
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8 Abb. L8. Porträtbüste eines Amerikaners. (Zu Seite 89.)

seineSaumseligkeit und ge-
rieten endlich in Hellen
Zorn, als achtzehn Mo-
nate vergangen waren und
das Gipsmodell immer
noch der Vollendung harrte.
Nicht durch die Schelt-
worte, nicht durch den Zorn
der Literaten ließ Rodin
sich seine Ruhe nehmen.
Es schien ihm wie ein
Frevel am Heiligsten, sich
bei dieser Arbeit zu über-
stürzen, das Tempo seiner
Arbeit künstlich zu beschleu-
nigen, sich zu Hetzen und
zu hasten.
In den Frühlings-
wochen des Jahres 1898
endlich beendete Rodin den
Balzac und sandte das
Werk in den Salon. Der
Ausschuß der Societe des
Gens de Lettres fand sich
ein, um die Arbeit zu prü-
fen und wies mit elf Stim-
men gegen vier die Statue
als unzulänglich zurück.
Die Feuilletonisten dieser

Literatengesellschaft ver-
öffentlichten am folgenden Tage in verschiedenen Pariser Zeitungen scharfe Ver-
urteilungen dieses Werkes, die teilweise mit giftigstem Hohn und Spott gewürzt
waren. Auch Henri Rochefort befand sich unter den Schmähern, dessen Kritik im
Jntransigeant eines der schmachvollsten Denkmale dieser Zeit ist. Die Societe
des Gens de Lettres hat durch dieses Urteil sich nicht nur einen trüben Ruhm er-
worben, ihr ist es auch zuzuschreiben, daß diese Statue, eines der stärksten plastischen
Werke aller Zeiten, nicht ausgeführt worden ist. Rodin war in seinem tiefsten
Innern aufs schwerste gekränkt. Er hatte sein Bestes gegeben und Hohn und
Spott geerntet. Er konnte nichts Besseres tun als sich still zu sich und in sich
zurückziehen. Er hätte auf sein Recht pochen können, hätte von der Gesellschaft,
die ihm bedingungslos den Auftrag übertragen hatte, die Abnahme und Bezahlung
der Statue verlangen können. Daß er es nicht tat, ist ein Zeugnis für seine
vornehme Denkungsart.
Einmal schon hatte sich etwas Ähnliches ereignet. Im Jahre 1896 wurde
er von der Künstlergenossenschaft in Stockholm zu einer Ausstellung eingeladen.
Fritz Thaulow und Prinz Eugen von Schweden waren persönlich bei ihm gewesen
und hatten ihn gebeten, einige seiner Skulpturen ihnen für die internationale
Kunstausstellung in Stockholm zu überlassen. Rodin folgte der Einladung um so
mehr, da Prinz Eugen ihm den Ankauf einer Plastik für das Museum zusicherte.
Über die Erwerbung für das Museum hatte offiziell eine Ankaufskommission zu
entscheiden; und diese Ankaufskommission lehnte die Erwerbung von Rodins
„Innerer Stimme" sehr entschieden ab. Als der König von Schweden einige
Monate darauf von dieser Rodin beleidigenden Entscheidung der Ankaufskommission
Kenntnis erhielt, schrieb er persönlich einen Entschuldigungsbrief an den Meister,
 
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