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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Editor]
Fragmente (Band 1,2) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47242#0136
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Form gehaltenen, schmucklosen Sockel gestellt, mährend neben
der Gestalt eine abgebrochene Säule sich erhebt, canellirt wie
antike korinthische Säulen gebildet werden: auf diesen Stumpf
stützt Lessing sich leicht mit der linken herabhängenden Hand,
eine sofort verständliche Versinnbildlichung seines geistigen
Daseins. Dagegen betrachte man das Berliner Postament,
welches, umgeben von Decoration und Figurenwerk veralteter
Form, beinahe den Anschein erweckt, als stamme es, wie es
da steht, aus der Mitte des Jahrhunderts in dem Lessing lebte.
Gerade die falsche Geschmacksrichtung, die Lessing bekämpfte,
damit die reine Antike wieder einträte, ist hier in ihrem ver-
schnörkelten Ungeschmack benutzt worden, um das, was der
große Lessing wollte, zu verhüllen und zu verneinen. Und
während Rietschel das Kostüm seiner Statue in einfache Formen
und Falten zu bringen bestrebt war, steht der Berliner Lessing
fast wie das Abbild eines Schauspielers da, der einen Triumph
etwa darin feierte, den „wirklichen" Lessing auf die Bühne
zu bringen. Exacte Wiederholung der Tracht eines bestimm-
ten Jahrhunderts ist bei den Standbildern großer Männer,
die allen Zeiten gleich lebendig angehören, nicht von Nöthen.
Es gibt eine allgemeinere Gewandung, welche unsere großen
Männer als allen Zeiten zugehörig erscheinen läßt. Lessing
würde heute nicht so umhergehen, wie wir ihn da stehen
sehen. Mir enthalten auch Friedrich's Portraits, deren
die Ausstellung eine Anzahl bringt, etwas Fremdes durch seine
Kleidung. Sie gehört zum Vergänglichen. Mit dem geistigen
Dasein des Königs hat sie nichts zu thun.
Eine Rokokoausstellung, die das, was wir unter diesem
Namen begreifen, historisch umfassen wollte, hätte dem in
unserem Jahrhundert wieder anflebenden Rokoko nicht nur
 
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