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Grimm, Claus <Prof., Dr.>
Alte Bilderrahmen: Epochen, Typen, Material — München, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.30531#0039
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Kehle, Kehlung

die rinnenartige Eintiefung eines zurückweichenden
Profils.

Kerbschnitt

mit einem Kerbeisen, Kerbmesser oder Stichel ausge-
führte, glatten Oberflächen eingeschnittene ornamen-
tale Verzierung von meist gleichförmiger Erscheinung.
Findet sich ebenso bei derben Formen figuraler Andeu-
tung, etwa bei Blattrahmen (Abb. 147).

Kielbogen

einem Schiffskiel in der Draufsicht entsprechende Bo-
genform aus Kreissegmenten, konvexen und konkaven
Kurvaturen. Die Bezeichnung wird für die Oberpartie
gotischer Altarrahmungen gebraucht.

Konstruktion, Konstruktionsmerkmale
von Rahmen lassen sich als Bearbeitung und Zusam-
tnenfügung weniger Elemente erklären. Das Material
(Holz) wird für Form und Zusammenhalt des Rahmen-
gerüstes bearbeitet. Je nach dem Grad der Verfeinerung
der Oberflächenwirkung und ornamentalen Auszie-
tung kommen zusätzliche Auflagen — und entsprechen-
de Arbeitsgänge — für die Vorderseite (Sichtseite, Stirn-
seite) des Rahmens hinzu. Neben den Holzarten bieten
die Konstruktionsmerkmale des Blendrahmens Unter-
scheidungsmöglichkeiten landschaftlicher Art. Histori-
sche Kriterien ergeben sich aber lediglich aus dem allge-
rneinen Unterschied gröberer bzw. unebenererBearbei-
tung vor dem 19. Jahrhundert. Italienische, spanische
und deutsche Blendrahmen sind häufig überplattet, sel-
tener auf Gehrung geschnitten; französische und engli-
sche Rahmen sind häufiger auf Gehrung geschnitten
und mit Keilen (auch Doppelkeilen, siehe Schwal-
benschwanz) verbunden. Auffallende Unterschiede
zeigt die Bearbeitung: bei den deutschen Rahmen sind
die Rückseiten sauber gehobelt, bei den italienischen
flüchtiger, und bei den spanischen Rahmen sind sie
kaum bearbeitet und entsprechend rauh. Das Auflegen
von Profilen und Ornamenten geschah meist in massi-
ver Verleimung. Lediglich bei alpenländischen Rahmen
finden sich materialsparende Konstruktionen mit Ste-
gen und Hohlräumen.

Kreidegrund

die Leim- und Kreideverbindung zur glättenden Über-
fassung, Ausfüllung und Isolierung der Oberfläche.
Statt Kreide wurde in Italien auch Gips verwendet: so
lst »Bologneser Kreide« totgerührter Gips mit Leim.
Sämtliche Goldgründe und Farbfassungen auf Holz set-
zen Kreidegrund voraus. Diese Grundierung wird in
tnehreren Schichten aufgetragen.

Kymation

abgeleitet von »kyma«, griechisch = Welle, eine Zier-
leiste aus stilisierten Blattformen. Die an Rahmen ge-
bräuchlichste Form ist das sogenannte »Ionische Kyma-
t'on«, der »Eierstab«, eine konvexe Zierleiste, die an
einem oder an beiden äußeren Rändern von einer Per-
lenschnur (Astragalos) abgeschlossen wird. Die plasti-
schen Motive auf der Leiste haben abwechselnd eiför-
migen und pfeilspitzenförmigen Charakter. Sie sind
quer zum Leistenverlauf nebeneinandergesetzt.

Lasur siehe Beize.

Leiste, Profilleiste
ein in Profilform gehobeltes Brett.

Leistenrahmen

im Gegensatz zum flachen Plattenrahmen ein Rahmen
mit profilierter, also - im Querschnitt, von innen nach
außen — auf- und/oder absteigender plastisch aus-
schwingender Vorderseite.

Lely-Rahmen siehe S. 10
Louis-treize, Louis XIII

der unter Ludwig XIII. (1601—1643) in Frankreich
herrschende Stil. Er nahm die architektonische Gliede-
rung des italienischen Renaissance-Rahmens auf und
zeichnet sich durch strenge Gliederung der Profile aus.
Louis-quatorze, Louis XIV
der unter dem »Sonnenkönig« Ludwig XIV.
(1643—1715) in Frankreich herrschende Stil. Die füh-
rende Rolle des Hofes und der Rang der in ganz Europa
imitierten Möbelkunst rechtfertigen die Verwendung
der Französischen Regierungsepochen als Stilbegriffe.
Louis-quinze, Louis XV

der unter Ludwig XV. (17Z3—1774) inFrankreich herr-
schende Stil. Dieser durch die abstrakte Rokoko-Orna-
mentik und durch schwingende Kurvaturen ausgezeich-
nete Stiltypus weicht jedoch bereits in den 50er Jahren
klassizistischen Elementen, die sich als Übergangsstil
(Transition) zum Louis XVI verdichten. In England
fällt der Louis XV-Stil mit dem George IL-Stil (Regie-
rungsperiode des englischen Königs George II.,
1727—1760) zusammen.

Louis-seize, Louis XVI

der unter Ludwig XVI. (1774—179 z) herrschende Stil,
der den Übergang zum Klassizismus bildet. In Deutsch-
land fällt er mit dem »Zopfstil« zusammen. Die Blüte-
zeit dieses gedämpften Frühklassizismus liegt in den
späten 60er und in den 70er Jahren.

Lüsterfassung, Lüsterung

eine seit der Renaissance gebräuchliche Technik zur
Erzielung metallischer Farbwirkung. Dabei wird trans-
parenter, farbiger Lack lasierend aufgetragen auf Sil-
beruntergrund. Die am häufigsten verwendeten Farben
sind Rot (»Drachenblutrot« genannt), Gelb, Grün und
Blau. Als Goldersatz begegnet vielfach »Lüstervergol-
dung«. Auf poliertes Blattsilber wird dabei gelbe Lü-
sterfarbe aufgetragen. Im Zusammenwirken der Er-
scheinungscharaktere entsteht so eine Annäherung an
den Effekt der Polimentvergoldung. Lüstervergoldung
wird insbesondere verwendet, um Ornamentpartien
auf Rahmen farbig gegeneinander abzusetzen.
L«sma-Rahmen siehe S. 10
Manschette

flacher, meist hellfarbiger oder goldener Zwischenstrei-
fen zwischen den Rahmenprofilen und der Bildfläche.
Aus dem einst nur formatausgleichenden Behelf ist im
19. Jahrhundert eine Mode geworden.
Maratta-Kahmen siehe S. 10
Marchesi-Rahmen siehe S. 10
Marmorierung

wird erzielt durch einen streifigen oder gestupften Far-
bauftrag mit Pinsel, Schwamm oder Leinenlumpen. Bei
Rahmen begegnet Marmorierung erstmals bei Jan van
Eyck; sehr gebräuchlich wird sie in der Spätrenaissance
und im Barock und Rokoko.

Maskarons

ornamental eingebundene und umgestaltete Masken-

formen finden sich seit der italienischen Renaissance
auf den Flächen und an den Ecken von Rahmen.

Material

der Bilderrahmenkonstruktion ist normalerweise Holz.
In Ausnahmefällen kann es auch Metall (Bronze, Eisen,
Silber, Gold) oder Keramik (Steingut, Porzellan) sein.
Als Auflagen auf dem Rahmengerüst begegnen zahlrei-
che Stoffe: von Edelsteinen, Halbedelsteinen, Korallen
bis zu allen Arten tierischer und pflanzlicher Materia-
lien, Glas, Metall, Stuck und Papiermache.

Mattgold, Mattvergoldung

eine Technik, bei der — im Gegensatz zur Glanzvergol-
dung — nicht poliert wird. Auch hier wird Blattgold
verwendet, doch wird der Untergrund vor der Goldauf-
legung stärker mit Leimwasser überzogen. Mattvergol-
dung wird häufig auch innerhalb desselben Rahmens
als Kontrast zur Glanzvergoldung verwendet.

Metallgold

Kupfer-Zinn-Legierungen, die heute — in der modernen
Rahmenvergoldung - als Goldersatz bei Ölvergoldung
angewendet werden.

Miniaturrahmung

den Kleinformaten entsprechende Rahmung. Mit Aus-
nahme der für Bildnis- und Devotionsdarstellungen ver-
wendeten geschlossenen Formen (Holzbüchsen, Klapp-
etuis, Schmuckanhänger) folgt die Miniaturrahmung
den Formen der großen Bilderrahmen. Den kleinere
Formaten angepaßt, bevorzugt sie Metall und Metall-
teile für den Stützrahmen und die seitlichen Ornamente.

Nuten, Gratnuten, Nutleisten
dienen der Bindung von Rahmenteilen und Bildkanten.
Sie bezeichnen kantig U-förmige Vertiefungen im Holz,
die die entsprechende Negativform der dazu passenden
»Feder« — also etwa der Bildkante — aufnehmen. So
waren die gotischen Tafelbilder in eine entsprechende
Nut der um sie herum zusammengefügten Rahmen fest
eingelassen. Gratnuten haben trapezförmigen Quer-
schnitt und nehmen als Feder die Gratleisten auf.

Ölvergoldung

beginnt mit einer Grundierung wie bei der Glanzvergol-
dung. Dann wird mit Schellack der Untergrund (Kreide)
isoliert und danach mit Mixtion (Anlegeöl, Standöl)
bestrichen. Auf diesem elastischen und nur langsam
trocknenden Bindemittel wird das Gold aufgelegt und
angedrückt. Die Oberflächenwirkung ist matt.

Papiermasse, Papiermache

eine Masse aus in Wasser unter Zusatz von Leim,
Stärke, Gips usw. aufgelöstem und zu Brei gepreßtem
Papier, die man im 19. Jahrhundert zur Herstellung
flacher Ornamentleisten verwendete, die dann in ange-
trocknetem Zustand vergoldet wurden.

Pastiglia

eine gipshaltige Masse, die in Italien seit dem späten
Mittelalter zur Dekoration von Möbeln — und eben
auch Rahmen — verwendet worden ist. Sie wurde auf
meist leicht gewölbte Profile aufgetragen; mit einer Mo-
del erhielt sie Ornamente und figürliche Motive einge-
formt. Die Oberfläche der Pastiglia wurde bei Rahmen
farbig getönt und - den erhaltenen Spuren zufolge —
wohl meistens vergoldet. Die reichste Ausprägung der
Pastiglia-Ornamentik zeigen die venezianischen Rah-
men um 1500.

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