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legt man die Grotten an einen verschwiegenen Platz, unter die Terrassen oder versenkt: Von
derartigen sogenannten „Nymphäen“ hat den reichsten architektonischen Rahmen die ,,Fontana
secreta“ in der Villa di Giulio.1) Im 17. Jahrhundert baut man — nicht nur in den Gärten der
Ebene — häufig freistehende oder am Ende von Alleen den Prospekt bildende Grotten-
häuser über der Erde, deren Inneres durch Fenster und Türen hell erleuchtet wird. Die immer
kunstvoller gestaltete Einrichtung sollte ins rechte Licht gesetzt werden, womit denn allerdings
viel vom ursprünglichen Charakter verloren geht. Oft sind es Räume von saalartigen Abmes-
sungen, an deren einer Wand, dem Eingang gegenüber, Nischenfontänen und Wasserbüfetts
aufgestellt sind: die Grotte in Versailles, in der Ludwig XIV. dem Herzog von Buckingham ein
Frühstück gab (Abb. 85)2), die Stanza de Venti in Frascati (Abb. 86); noch umfangreicher war
die Grottenhalle im Dresdener Zwinger (Vorstellung und Beschreibung des Zwingergarten von
Pöppelmann 1729). Andrerseits versteht man unter Grotten oft auch nur in ,,Grottenmanier“
verkleidete Wand- und Nischenbrunnen (Grottenhof in München).
Die Grottenmanier besteht darin, daß man Wände und Gewölbe „mit Perlmutter
und andern verschiedenen Muscheln von allerhand Farben, ingleichen mit Einflechtung
mosaischer Arbeit auszieret“3). Die Grotte in Prato besteht nach Schickarts Beschreibung
aus sechs verschiedenen Gewölben, deren Wände sind von oben bis unten mit „geflossenem Berg-
stein“ überzogen, dazwischen mit mancherlei Meermuscheln, seltsamen Schnecken, Korallen-
zinken und anderem schönen Gestein versetzt, „gibt darzu überall Wasser, daß es alles gantz
wild und seltsam zu sehen.“ In Wandnischen bemerkt er Bilder zum Teil von Moos, zum Teil
von Marmelstein, und zum Teil von eitel Muscheln zusammengesetzt. Die geben fast alle Wasser.
Wegen ihrer schönen Schnecken, Meermuscheln, Korallenzinken hält Furttenbach eine „hero-
ische Grotte“ in einem genuesischen Garten fast für die fürnembste Italiens.4) In seinem Gärtchen
in Ulm baut er sich nach italienischem Muster einen kleinen Grottentempel von quadratischem
Grundriß mit einer kupfergedeckten Kuppel, dessen Herstellung und Materialbehandlung er in
der Monographie seines Hauses ausführlich erklärt. Die Wände sind mit Scoglie maritimi, Meer-
felsen, oder in Mangel derselben von gebrannten Hafnerfelsen (die also fein gepossirt und
dem Natural nach geformet seyen, daß es Mancher für rechte Bergfelsen ansehn thut . . .)
umb und umb bekleidet; aus Meerschnecken zusammengesetzte Rosetten, Nischen mit großen
Meermuscheln eingefaßt, abwechselnd dunkelgelb und weiß, dazwischen mit Gemüs ausgestopfet.
Die Dekoration bleibt in allen Grottenräumen im wesentlichen die gleiche. Man mochte
glauben, damit dem Wasser, dem „Lieblingselement des Jahrhunderts“, den passendsten Rahmen
zu geben. In der Versailler „Grotte der Thetis“ kommen als neuer Effekt mehrere große Spiegel
i) Abb. bei Letarouilly. Vgl. ebendort die unterirdische Grotte in den Farnesischen Gärten. Außer-
dem Tf. 221, 341. Die Grotten unter den Terrassen in St. Germain waren nur bei Fackellicht zu sehen
(Evelyn, Reisen. 1644). Ein Beispiel späterer Zeit: das „Nymphenbad“ in Dresden. Die Fülle mannigfachen
Wasserspiels ist hier besonders wesentlich. Rubens bezeichnet gelegentlich ein Nymphäum als „una con-
fluenza multorum fontium undique scaturentium“ (Goeler v. Ravensburg, Rubens u. d. Antike, 30). —
2) Sie befand sich neben der Nordfront des Schlosses (Abb. 32: Plan v. 1674.) und verschwand nach kaum
20 jährigem Bestehen beim Anbau der Flügel. Die Fassade und Detailaufnahmen auf Stichen Le Pautres 1672
bis 1676. Eine genaue Beschreibung der eben vollendeten Grotte in Versen gibt Lafontaine in „Les amours
de Psyche“ 1669. Eine Monogr. über die Grotte v. Felibien 1676. Bei einer Aufführung des Malade imaginaire
diente die Fassade als szenischer Hintergrund. — 3) Guernieri in seinem Werk über Wilhelmshöhe 1706. —
4) Itiner. Ital. 220. Abb. d. Grundr. Bl. 19.
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