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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0029

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sind charakteristisch für alle von der Cassini-Karte beeinflußten Kar-
ten. Sic gehen in einigen Teilen sogar noch bis in die Dufourkartc
hinein. Die großen Hänge erscheinen in den Cassini-Blättern recht
gleichförmig. Es waren auch wenig anspruchsvolle Instruktionen
gegeben worden. Nur die geschickteren Zeichner durften die Schraf-
ten selber eintragen; die andern hatten einfach steilere Hänge mit/
(fort), weniger steile mit d (doux) zu bezeichnen.

Eine eindeutige Nachbildung der Cassini-Karte und zugleich die
bedeutendste kartographische Leistung in der Schweiz des iS.Jahr-
hunderts vor dem Atlas von Mcycr-Weiss ist die 1781 erschienene
Carte de la Suisse Romande et le Pays de Vaud et le
Gouvernement d'Aigle von Henri Mallet, von der wir drei
Ausschnitte der Jurahöhen, der Umgebung von Lausanne und des
Rhonctalcs bei Bex geben. Der Maßstab entspricht demjenigen der
Cassini-Karte. Mallet stammte aus Genf und lebte von 1727 bis 1812.
Sein Vetter Jacques Andre Mallet war später Professor für Astronomie
m Genf und Begründer des dortigen Observatoriums. Er dürfte bei
den geodätischen Arbeiten mitgewirkt haben. Die Karte von Mallet
schneidet bei der Überprüfung der Verzerrungen vorzüglich ab. Aber
auch in der Gcländcdarstellung geht sie über die Vorbilder hinaus.
Im untern Teil der Dole verfällt Mallet zwar noch leicht in Schräg-
ansicht. Bei der Deut de Mordes ist das Problem der Vertikalpcrspck-
tivc bewältigt. Im Ausschnitt Lausanne erscheint besonders auffällig
der Terrassenmanierismus. Die Waldsignatur von Mallet ist offener
und klarer, läßt das Schraffcnbild transparenter durchscheinen, die
Ortschaften sind als Häufchen von Gebäudesignaturen durchwegs
Un Grundriß wiedergegeben, die Wasserläufc sind sehr differenziert,
spärlich erscheinen Rebsignaturen. Die Karte von Henri Mallet hat
einen hervorragenden Vorläufer in der Aufnahme des Gouverne-
ments Aiglc durch Jacques Gamaliel de Roverea in den Jahren
*734 bis 1744 im Maßstabe 1 :oooo. Hier wurde mit dem Meßtisch
systematisch graphisch trianguKert. Die Meßtischblätter wurden aber
nicht veröffentlicht, und es wurde auch keine Karte in größerem
Maßstab nach diesen Grundlagen erstellt, außer daß sie von Henri
Mallet für seine Karte von 1781 verwendet wurden. Eine von Samuel
Cruncr sehr stark verkleinerte, aber feine Karte nach den Vorlagen
von Jacques Gamaliel de Roverea erschien erst 1788 unter dem Titel
Carte du Gouvernement d'Aigle als Beilage zu einer Schrift
von F.S.Wild Essai sur la montagne salifere du Gouvernement d'Aigle.
Der Ausschnitt zeigt die Abhängigkeit vom Stil der Cassini-Karten,
nisbesondere in der Terrassenmanier der Schraffentechnik. So klein
das Kärtchen ist, so ist es doch ein Kabinettstück der schweizerischen
Kartographie.

Es ist bezeichnend für den französischen Einfluß, daß er sich vor
allem in Genf und noch etwas in der übrigen Westschweiz bemerk-
bar machte. In den andern Teilen der Schweiz kam man nicht über
Anfänge hinaus. Über manchem hoffnungsvoll begonnenen Unter-
nehmen stand eine eigentliche Tragik unglücklicher Vcrumständun-
gen. Der hochbegabte Zürcher Ingenieur Heinrich Albertin, der 1740
auf dem zugefrorenen Zürichsee eine Basis maß, mußte sich damit
begnügen, ein wenig überall in der Schweiz Gclegcnhcitsaufträgc aus-
führen. Dem Genfer Festungsingenicur Jacques Barthelenty Micheli
du Crest wurden sein Temperament und sein unruhiger Kopf zum
Verhängnis; er überwarf sich in Genf, wo er schon mit einundzwan-
zigjahrcn in den Rat gelangt war, über Fragen der Stadtbefestigung
mit der führenden Schicht, kam über Aufenthalte in Paris, Basel und
Zürich nach Bern, wurde in die Hcnzi-Verschwörung verwickelt
Und brachte einen guten Teil seines Lebens von 1747 bis zu seinem
I766 erfolgten Tode als Gefangener auf der Festung Aarburg zu.
Von ihm stammt schon aus dem Jahre 1735 der erste durchaus zweck-
mäßige Entwurf zu einer trigonometrischen Aufnahme der ganzen
Eidgenossenschaft. Eine Karte der Umgebung Genfs, entstanden um
:730, zeugt von weit überdurchschnittlichem Können. Man bedurfte
dessen nicht. 1767 rügte der aus dem Dienste Friedrichs des Großen
zurückgekehrte Berner General Rupertus Scipio von Lentulusin einem
für den Kriegsrat erstellten Gutachten über das bernischc Wchrwesen
den Mangel einer guten Landkarte. Der von ihm vermittelte, eben-
falls in preußischem Dienst geschulte Ingenicuroffizier Alexauder von

ÜBLIQIJE

Wattenwyl, der im Auftrage des bernischen Kriegsrates sofort mit den
Arbeiten begann, scheiterte an den Schwierigkeiten. Mutmaßlich
hatte er die Aufgabe unterschätzt, und die Obrigkeit brachte ihm
nicht das nötige Verständnis entgegen. Die Tragik, die über dem
Vcrmcssungswcscn und der Kartographie der Schweiz im 1 S.Jahr-
hundert lag, erscheint um so größer, wenn man bedenkt, daß dieses

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