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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0037

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sonderer Funktion. Die Alpenbegeisterung löste den Fremdenver-
kehr aus. Um Interlakcn, Luzcrn, Brunnen und anderwärts entstan-
den die ersten Hotels, 1816 schon das Berghaus auf Rigi Kulm. Es
bestand ein großes Bedürfnis nach volkstümlichen, allgemeinver-
ständlichen Reisekarten, welche zu den Schönheiten und Kuriositäten
der Schweiz hinführten. Heinrich Keller verstand es, diesem Be-
dürfnis entgegenzukommen, und er wurde damit der eigentliche
Begründer des Zweiges der Touristikkarten und auch der Vorläufer
der spätem großen schweizerischen Firmen der Privatkartographie.

Heinrich Keller wurde 1778 in Zürich geboren. Als Kind fiel er
die Schultreppe hinunter und zog sich ein Hüftleiden zu, das ihn
Jahrelang ans Bett band. In dieser Zeit studierte er des Vaters Karten-
Und Ansichtensammlung, fing an zu kopieren und vergrößert und
Verkleinert nachzuzeichnen. Bei Heinrich Füssli, Landschaftsmaler und
Kunsthändler, ging er in die Lehre und machte sich 1815 selbständig.
Trotz seines Leidens, das ihn zeitlebens hinken ließ, reiste Keller
viel und legte auch größere Strecken zu Fuß zurück. Sein Licblings-
berg war der Rigi, den er zwciunddrcißigmal bestieg und wo er
bisweilen im Zelt übernachtete, bevor das Berghaus errichtet war.
Von solchem Verweilen entstanden große Panoramenstreifen, die
vcröffcntlicht wurden, so vom Rigi, vom Weißenstein, vom Freuden-
berg bei St. Gallen und vom Mailänder Dom aus. Von seinen Reisen
^vußte Keller mancherlei zu berichten. Auf dem Rigi wurde ihm das
aus dem Zeughaus geliehene Militärzclt vom Sturm weggetragen.
Tags darauf mußte er es dem redlichen Finder abkaufen, um es dem

Zeughaus zurückgeben zu können. Zum Zeichnen auf dem Geb-
hardberg bei Bregcnz bedurfte es einer Bewilligung, die nicht von
der Polizei, nicht vom Landrichter, sondern erst vom Kreisamtmann
zu erhalten war. Aber auf der Anhöhe erklärte die Verwaltersfrau
des Berghauses: «Angucken könnt Ihr's, aber weiter nichts.» Und
dabei blieb es. Bereits im «Helvetischen Almanach» des Jahres 1800
veröffentlichte Keller ein Kärtchen der Stadt Zürich und ihrer 132
nähern Umgebung im etwas variierenden Maßstab von 1:45 000
bis 1:50000, das an den Stil des Atlasses von Mcycr-Weiss erinnert.
Etwas später folgte ein weiterer Plan der Stadt Zürich. 1813 erschien
die Erste Reisekarte der Schweiz im Maßstab 1 : 500000, 133
48 x 66 cm groß, gestochen von J.J. Scheurmann in Aarau, der uns
schon unter den Stechern des Atlasses von Meyer-Weiss begegnete.
Beim Durchmarsch der österreichischen Armee durch die Schweiz
nach Frankreich im Winter 1813/14 konnte Keller gleich 300 Exem-
plare seiner Karte verkaufen. Im vierten Jahre wurden 1500 Karten

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