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eigenthiimlichen (nicht abzuläugnenden) Runstahlagc zu einem Ganzen verschmolzen. Die Kirchen
St. Michele und St. Giovanni in Borgo zu Pavia, St. Vitale in Ravenna, die Vorhalle nebst den
sonstigen Alterthümern von St. Ambrogio in Mailand wie manche um diese Zeit entstandenen
Denkmale beurkunden die Selbständigkeit einer Bauart, deren Ursprung man mit Unrecht ganz
den Byzantinern zuschreibt, deren Hauptformen aber folgendcrmassen abzuleiten sein möchten:
1) Antiken Ursprungs sind:
a) die Form der Basilika (grösstenteils beibehalten),
b) die Pilasterstellung ^daraus die Strebepfeiler entstanden),
c) der sich verjüngende Säulenschaft (bis ins XII. Jahrhundert beibehalten),
d) das korinthische Kapital (in unendlichen Versetzungen),
ei die Mäander- u. Palmctten-Ornamente, die Zahnschnitte u. mehrere Thcile der Ornamentik.
S) Byzantinischen Ursprungs:
a) das gleicharmige Kreuz,
b) das halbkreisförmige Sanctuarium (der Chorschluss),
c) die gewundene und aus mehrern Rundstäben zusammengesetzte Säule,
d) das Kreuz- und Kuppelgewölbe,
e) der Halbkreis als Fenster- und Thürschluss,
f) die fortlaufende Bogenverzierung mit den daraus entspringenden Füllungen.
3) Lombardischen Ursprungs:
a) das lateinische Kreuz,
b) das Würfelkapitäl,
c) der sechs- und achteckige Pfeiler,
d) die schräglaufende Thüreinfassung,
e) höchst wahrscheinlich der Spitzbogen und das hieraus konstruirte Gewölbe,
f) eine eigenthümliche vegetabile Ornamcntenbildung, dann die Verzierung des Spitz -
wie Rundbogens mit zwei gegen innen ausgeschweiften Zacken.
Der Sturz des lombardischen Reiches durch Karl den Grossen wurde dem Fortschreiten der
Kunst nicht hinderlich, da dieser Fürst sie bewunderte, und deren Verbreitung nach Frankreich
und Deutschland sich sehr angelegen seyn Hess. Auch nach England wurde um diese Zeit die
Baukunst verpflanzt, wo sie vorzugsweise in den Klöstern Westmünster, Worcester, Malmesbury
und St. Albans geübt wurde; einen noch bedeutendem Aufschwung aber erlebten die Künste
unter dem sächsischen Könige Alfred, der Italien selbst gesehen hatte, und von da, wie aus
andern Ländern Künstler an seinen Hof berief. (■ryilllKtlrf, ein Franke, hatte die oberste
Leitung der vielen Arbeiten, die dieser König ausführen Hess, der den Künstler auch seines be-
sondern Vertrauens würdigte, dessen Namen auch beinah der einzige ist, den uns aus dieser
Periode die Geschichte aufbewahrt.
Zuletzt bereicherte sich die immer mehr erblühende Architektur, welche bisher noch einen
schweren, düstern Charakter trug, mit der Kenntniss der leichten maurischen Constructionen, und
erreichte so im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ihre höchste Ausbildung durch die Bau-
schulen zu Cöln und Strassburg. Wurden auch in andern Ländern eben so umfangreiche, bedeu-
tende Bauten in diesem Style ausgeführt, herrscht doch nur, in Anordnung des ganzen Planes
sowohl, als in den einzelnen Theilen der, von teutschen Baukünstlern entworfenen Gebäude eiii
so inniges Verständniss und solche Vollendung der Formen, welche ganz genaue geometrische
Regeln voraussetzen; auch wurden sehr viele Kirchen in Italien, Frankreich, England und sogar
Spanien durch Architekten aus eben genannten Bauschulen errichtet.
Da ich mich jedoch genöthigt sehe, im zweiten Theile dieses Werkes, welcher die Construktio-
nen enthalten wird, diese Andeutungen weitläufiger auszuführen und zu belegen, will ich zur
Vermeidung von Wiederholungen hier nur den Zweck dieser Blätter und deren Entstehen erklären.
Weder diese Eintheilung noch vorliegende Form war beabsichtigt, als ich mich entschloss,
das Studium der mittelalterlichen Architektur durch eine zweckmässige Uebersicht zu erleichtern,
und besonders in Bezug auf Anwendung etwas mehr Einklang in die neu auftauchende Kunst zu
bringen: denn wie die Masse der einzelnen Schriften und Erläuterungen sich täglich mehrte, nahm
auch eine gewisse, hiemit verbundene Verwirrung überhand. Die vorhandenen Werke, grössten-
thcils nur ein einziges Denkmal behandelnd, geben das Gute mit dem Schlechten, das Vollendete
eigenthiimlichen (nicht abzuläugnenden) Runstahlagc zu einem Ganzen verschmolzen. Die Kirchen
St. Michele und St. Giovanni in Borgo zu Pavia, St. Vitale in Ravenna, die Vorhalle nebst den
sonstigen Alterthümern von St. Ambrogio in Mailand wie manche um diese Zeit entstandenen
Denkmale beurkunden die Selbständigkeit einer Bauart, deren Ursprung man mit Unrecht ganz
den Byzantinern zuschreibt, deren Hauptformen aber folgendcrmassen abzuleiten sein möchten:
1) Antiken Ursprungs sind:
a) die Form der Basilika (grösstenteils beibehalten),
b) die Pilasterstellung ^daraus die Strebepfeiler entstanden),
c) der sich verjüngende Säulenschaft (bis ins XII. Jahrhundert beibehalten),
d) das korinthische Kapital (in unendlichen Versetzungen),
ei die Mäander- u. Palmctten-Ornamente, die Zahnschnitte u. mehrere Thcile der Ornamentik.
S) Byzantinischen Ursprungs:
a) das gleicharmige Kreuz,
b) das halbkreisförmige Sanctuarium (der Chorschluss),
c) die gewundene und aus mehrern Rundstäben zusammengesetzte Säule,
d) das Kreuz- und Kuppelgewölbe,
e) der Halbkreis als Fenster- und Thürschluss,
f) die fortlaufende Bogenverzierung mit den daraus entspringenden Füllungen.
3) Lombardischen Ursprungs:
a) das lateinische Kreuz,
b) das Würfelkapitäl,
c) der sechs- und achteckige Pfeiler,
d) die schräglaufende Thüreinfassung,
e) höchst wahrscheinlich der Spitzbogen und das hieraus konstruirte Gewölbe,
f) eine eigenthümliche vegetabile Ornamcntenbildung, dann die Verzierung des Spitz -
wie Rundbogens mit zwei gegen innen ausgeschweiften Zacken.
Der Sturz des lombardischen Reiches durch Karl den Grossen wurde dem Fortschreiten der
Kunst nicht hinderlich, da dieser Fürst sie bewunderte, und deren Verbreitung nach Frankreich
und Deutschland sich sehr angelegen seyn Hess. Auch nach England wurde um diese Zeit die
Baukunst verpflanzt, wo sie vorzugsweise in den Klöstern Westmünster, Worcester, Malmesbury
und St. Albans geübt wurde; einen noch bedeutendem Aufschwung aber erlebten die Künste
unter dem sächsischen Könige Alfred, der Italien selbst gesehen hatte, und von da, wie aus
andern Ländern Künstler an seinen Hof berief. (■ryilllKtlrf, ein Franke, hatte die oberste
Leitung der vielen Arbeiten, die dieser König ausführen Hess, der den Künstler auch seines be-
sondern Vertrauens würdigte, dessen Namen auch beinah der einzige ist, den uns aus dieser
Periode die Geschichte aufbewahrt.
Zuletzt bereicherte sich die immer mehr erblühende Architektur, welche bisher noch einen
schweren, düstern Charakter trug, mit der Kenntniss der leichten maurischen Constructionen, und
erreichte so im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert ihre höchste Ausbildung durch die Bau-
schulen zu Cöln und Strassburg. Wurden auch in andern Ländern eben so umfangreiche, bedeu-
tende Bauten in diesem Style ausgeführt, herrscht doch nur, in Anordnung des ganzen Planes
sowohl, als in den einzelnen Theilen der, von teutschen Baukünstlern entworfenen Gebäude eiii
so inniges Verständniss und solche Vollendung der Formen, welche ganz genaue geometrische
Regeln voraussetzen; auch wurden sehr viele Kirchen in Italien, Frankreich, England und sogar
Spanien durch Architekten aus eben genannten Bauschulen errichtet.
Da ich mich jedoch genöthigt sehe, im zweiten Theile dieses Werkes, welcher die Construktio-
nen enthalten wird, diese Andeutungen weitläufiger auszuführen und zu belegen, will ich zur
Vermeidung von Wiederholungen hier nur den Zweck dieser Blätter und deren Entstehen erklären.
Weder diese Eintheilung noch vorliegende Form war beabsichtigt, als ich mich entschloss,
das Studium der mittelalterlichen Architektur durch eine zweckmässige Uebersicht zu erleichtern,
und besonders in Bezug auf Anwendung etwas mehr Einklang in die neu auftauchende Kunst zu
bringen: denn wie die Masse der einzelnen Schriften und Erläuterungen sich täglich mehrte, nahm
auch eine gewisse, hiemit verbundene Verwirrung überhand. Die vorhandenen Werke, grössten-
thcils nur ein einziges Denkmal behandelnd, geben das Gute mit dem Schlechten, das Vollendete