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Günther, Hubertus [Hrsg.]; Rembrandt <Harmensz van Rijn> [Ill.]
Rembrandt van Rijn — München, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.12559#0012
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8

1 Anna zeigt dem alten
Tobias das Lämmlein

1626, Öl auf Holz, 39,5 x 30 cm.
Amsterdam, Rijksmuseum

von der katholischen Kirche in die Vulgata auf-
genommen wurde. Auch in die calvinistische
Bibel der Niederlande fand es Eingang.

Seit dem 15. Jahrhundert hatte das Buch des
Tobias den Inhalt für zahlreiche Bildwerke gelie-
fert. Im Werke Rembrandts begegnet man ihm
oft. Das abgebildete Frühwerk zeigt eine Episode,
in der der alte Tobias sich den Tod wünscht.
Anna hat freudig ein Lämmlein nach Hause
gebracht, das sie zur Belohnung für ihren Fleiß
zum Geschenk erhalten hat. Der fromme Tobias
jedoch, der an einen Diebstahl glaubt, klagt seine
Frau an, schenkt ihren Rechtfertigungen kein
Gehör und gerät in die tiefste Verzweiflung.

Das Bild gehört zu Rembrandts ersten
Werken. Der Maler, erst zwanzig Jahre alt, steht
noch deutlich unter dem Einfluß seines Lehrers,
des bekannten Historienmalers Pieter Lastman.
Ihm verdankt er das tonige, freundliche Kolorit
und die plastische Ausarbeitung der Details.
Die Komposition geht offensichtlich von früheren
Darstellungen des Themas aus, wie sie besonders
in der Druckgrafik weit verbreitet waren. Man
sieht auf den ersten Blick, daß Rembrandt noch
nicht zu dem Stil gelangt ist, der unsere Vor-
stellungen von seiner Kunst bestimmt. Und den-
noch ist hier schon viel von dem angelegt, was
seine späteren Werke charakterisiert. So heben
sich die beleuchteten Körper vor dem dunklen
Hintergrunde ab, und die Einzelheiten sind
genau beobachtet und bezeichnet. Das Gewand
des Tobias, das mit der fein gezeichneten Struk-
Das Bild behandelt ein für die Epoche der tur des Pelzfutters und dem virtuos skizzierten
Reformation und der Glaubenskriege charakteri- Muster trotz seiner Zerschlissenheit seine
stisches Sujet. Das religiöse Leben der Zeit ursprüngliche Kostbarkeit noch verrät, führt das

wurde ja nicht nur von theoretischen Ausein- Unglück vor Augen, das die Familie erlitten hat.

andersetzungen beherrscht; auch im Volk lebte Die menschliche Situation, die tiefe Verzweiflung
ein verinnerlichter Glaube. Romanhafte Berichte des alten Mannes, der Schrecken und die Krän-
über alttestamentarische Gestalten erfreuten sich kung der zu Unrecht beschuldigten Anna, kommt
wachsender Beliebtheit. Zu diesen apokryphen auf dem Bilde voll zum Ausdruck. Hier macht
Schriften gehört auch das Buch des Tobias, das sich ein Zug geltend, der Rembrandts gesamtes
so populär wurde, daß es von Luther, aber auch Werk auszeichnet.
 
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