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Günther, Hubertus [Hrsg.]; Rembrandt <Harmensz van Rijn> [Ill.]
Rembrandt van Rijn — München, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.12559#0088
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Fortsetzung europäischen Handels boten. Zugleich machten tums zu erlangen. Die Vertreter dieses Kreises

von Seite 7 ^e Glaubensfreiheit und die allgemeine Toleranz bevorzugten Themen aus Mythologie, Religion

des bürgerlichen Regiments die Stadt zur Zu- und Geschichte, vor allem aber Portraits. Sie

flucht für Juden und Protestanten aus aller konnten es sich leisten, für ein Bild so viel zu

Herren Länder. Amsterdam wurde zum Zentrum bezahlen, wie ein Landschaftsmaler mit der

des europäischen Verlagswesens. Philosophen Arbeit eines Jahres verdiente,
wie Descartes und Spinoza schrieben hier ihre Rembrandt gelang es, mit dem gehobenen

Werke. Dichtung und Malerei, von der weit- Amsterdamer Bürgertum in Rontakt zu treten,

offenen Atmosphäre angeregt und durch Jan Orlers berichtet: »Weil seine Kunst und

genügend zahlungskräftige Mäzene gestützt, Arbeit den Bürgern und Einwohnern von

blühten auf. Amsterdam auf das beste behagte und er oft

Die Situation der Künstler unterschied sich gebeten wurde, Portraits oder andere Arbeiten
grundsätzlich von der im übrigen Europa. Große dort anzufertigen, befand er es für gut, von
Repräsentationswerke für einen Hof spielten hier Leiden nach Amsterdam überzusiedeln.« Neben
keine Rolle. Arbeiten für die Kirche fielen fort; Empfehlungen durch Constantijn Huygens half
die Katholiken besaßen keine Gotteshäuser ihm die Beziehung zu dem bedeutenden Kunst-
mehr, und die Calvinisten lehnten Bilder in ihren händler Hendrik van Uylenburgh. Rembrandt
Kirchen ab. So waren die Maler auf Arbeiten für zog in sein Haus und beteiligte sich an dessen
Privatleute angewiesen. Allerdings brachte es Geschäft.

der allgemeine Wohlstand mit sich, daß nicht nur Für die Übersiedelung nach Amsterdam
eine kleine Oberschicht in der Lage war, Bilder scheint es einen konkreten Anlaß gegeben zu
zu kaufen, sondern ein breites Publikum von haben: den Auftrag für die »Anatomie des Dr.
Bürgern, Handwerkern und Bauern: »Was nun Tulp«, ein Werk, das bereits 1632 zur Vollendung
die Malkunst anbetrifft und die Vorliebe des gelangte. Es war seit dem Ende des 16. Jahr-
Volkes für Gemälde, so denke ich, wird es von hunderts üblich, daß sich Bürger, die ein öffent-
keinem anderen übertroffen; alle zusammen sind liches Amt bekleideten, zusammen mit anderen
bestrebt, ihre Häuser mit kostbaren Stücken zu Vertretern ihres Standes als Amtspersonen por-
schmücken. Zu nicht geringem Maße gilt das für traitieren ließen. Die Aufträge für derartige
die Schlachter und Bäcker mit ihren Läden, die Gruppenportraits waren die ehrenvollsten, die
hübsch zur Schau gestellt sind; ja oftmals Grob- das bürgerliche, protestantische Holland zu ver-
schmiede, Flickschuster etc. haben das eine oder geben hatte. Rembrandt erkannte und nutzte die
andere Bild neben ihrem Schmiedefeuer und in Gelegenheit, die ihm der Vorsteher der
ihrer Bude. Derart ist die allgemeine Lust, Chirurgengilde gab. Er bot sein ganzes Können
Neigung und Freude, die die Bewohner dieses auf, als er die »Anatomie des Dr. Tulp« malte.
Landes für Gemälde empfinden.« (Peter Mundy, Das Bild überstrahlt alle seine frühen Arbeiten
1640). Die künstlerische Produktion blühte in und gilt als eines seiner großartigsten Werke,
gleichem Maße wie die Wirtschaft, aber die Maler Vollendete Portraitkunst, gefühlsstarker Aus-
einfacher Sujets wie Landschaften oder Stilleben druck und dramatische Spannung sind hier
konnten nur mühselig ihren Lebensunterhalt be- eine Verbindung miteinander eingegangen, wie
streiten, so daß manche ihrer bedeutendsten Ver- sie niemals zuvor und kaum jemals später
treter in größter Armut starben. Anders stand da, erreicht worden ist. Rembrandt wies sich mit
wem es gelang, die Gunst des gehobenen Bürger- dem Werk sofort als der fortschrittlichste Künst-
 
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