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Erster Abschnitt.

Anatomische Resultate.

Grundriss unserer Kenntnisse vom Körperbau der Radiolarien im Jahre 1884.

Erstes Capitel.

Der einzellige Organismus.

(§§ 1—50.)

§ 1. Definition der Radiolarien-Classe. Radiolarien sind marine Rliizopoden, deren einzelliger Körper
stets aus zwei verschiedenen, durch eine Membran getrennten Haupttheilen besteht, einer inneren Cen-
tral-Kapsel (mit einem oder mehreren Zellkernen) und einem Extracapsulum (dem äusseren kernlosen
Calymma nebst den Pseudopodien); das Endoplasma der ersteren und das Exoplasma des letzteren stehen
in Zusammenhang durch Oeffnungen der Kapsel-Membran. Die Central-Kapsel ist theils das allgemeine
Central-Organ der Radiolarien-Zelle, theils das besondere Organ der Fortpflanzung, indem das intra-
capsulare Protoplasma derselben, nebst den darin liegenden Kernen, zur Bildung von Geissel-Sporen ver-
wendet wird. Das Extracapsulum ist theils das allgemeine Organ für den Verkehr mit der Aussenwelt
(durch die Pseudopodien), theils das besondere Organ der Deckung (Calymma) und der Ernährung (Sarco-
matrix). Die grosse Mehrzahl der Radiolarien bildet ausserdem ein stützendes und schützendes Skelet von
höchst mannichfaltiger Form, das meistens aus Kieselerde, seltener aus einer organischen Substanz (Acan-
thin) besteht. Die Radiolarien-Zelle lebt gewöhnlich isolirt (Monozoa oder Monocyttaria); nur bei einem
kleinen Theile (einer Legion) leben die einzelligen Organismen vereinigt in Colonien oder Coenobien (Poly-
zoa oder Polycyttaria).

Die Begriffs-Bestimmung der Radiolarien, welche ich vorstehend in möglichst compacter Form nach dem gegen-
wärtigen Zustande unserer Kenntniss gegeben habe, unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Punkten von allen frü-
heren Definitionen. Die kürzeste Fassung des Begriffes dürfte sein: Bhigopoden mit Central-Kapsel und Calymma. In
der That ist das wichtigste Merkmal der Radiolarien, durch welches sie sich von allen anderen Rhizopoden unter-
scheiden, die Differenzirung des einzelligen Körpers in zwei Haupttheile von gleich grosser Bedeutung und die Tren-
nung beider durch die constante Kapselmembran.

§ 2. Die beiden Subclassen der Radiolarien. Das System der Radiolarien, welches in dem nach-
stehenden Cataloge (vom Jahre 1884) aufgeführt ist, umfasst 20 Ordnungen, 85 Familien, 739 Genera
und 4318 Species. Indessen enthält diese grosse Zahl höchstwahrscheinlich noch nicht die Hälfte der

Haeckel, Radiolarien, II. Till. 1
 
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