Sechstes Capitel. Phylogenie.
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(mit Tangential-Nadeln in poröser Caement-Masse); bei den letzteren ist ihre Oberfläche glatt, bei den
ersteren eigentümlich getäfelt; beide Familien haben verschiedene Grundformen.
§ 199. Phaeoconchien mit Conchoid-Skeleten. Die Ordnung der Phaeoconchien (PI. 121—128)
unterscheidet sich nicht nur von allen anderen Phaeodarien, sondern von allen Radiolarien überhaupt
durch den Besitz einer zweiklappigen muschelähnlichen Gitterschale; die beiden Klappen dieses Conchoid-
Skeletes sind als dorsale und ventrale zu deuten (§ 128). Wahrscheinlich sind diese zweiklappigen Schalen
selbständige Producte, möglicherweise jedoch auch ursprünglich durch Haibirung einer einfachen sphae-
roiden Gitterschale entstanden; im ersteren Falle würden die Phaeocdonchien direct von den Phaeodiniden
abstammen, im letzteren von den Castanellidm. Die drei Familien, welche wir unter den Phaeconchien
unterschieden haben, stellen wahrscheinlich einen zusammenhängenden Stamm dar, dessen Ausgangs-
Gruppe die Conchariden sind (PL 123—125). Aus diesen haben sich erst später die Coelodendriden ent-
wickelt (PI. 121, 122) durch Bildung einer Galea auf dem Gipfel jeder Klappe und Entwickelung von
hohlen Röhren aus diesem Helm. Aus den Coelodendriden sind endlich die Coelographiden hervorgegangen
(PL 120—128) durch Entwickelung eines basalen Nasenrohres (Rhinocanna) aus jeder Galea und Bildung
eines un paaren oder paarigen Frenulum, welches die Mündung des Nasenrohres mit der Helmspitze ver-
bindet. Sowohl unter den Coelodendriden als unter den Coelographiden giebt es zwei verschiedene Sub-
familien, von denen die ältere (Coelodorida, Coelotholidaj freie Aeste der hohlen Radial-Röhren besitzt,
hingegen die jüngere (Coelodrymida, Coeloplegmida) durch Anastomosen der Röhren-Aeste eine äussere
zweiklappige Gitterschale bildet.
§ 200. Das biogenetische Grundgesetz. Der Causal-Nems zwischen Ontogenie und Phylogenie, welcher
in den biogenetischen Grundgesetze seinen präcisesten Ausdruck findet, gilt für die Radiolarien
ebenso allgemein, wie für alle übrigen Organismen. Um dies direct beweisen zu können, würde aller-
dings eine vollständige empirische Kenntniss sowohl der individuellen als der palaeontologischen Ent-
wickelung erforderlich sein. Beide sind uns aber, wie in den vorausgehenden Capiteln gezeigt worden
ist, bei den Radiolarien nur höchst unvollständig bekannt und in einzelnen Fragmenten zugänglich.
Trotzdem sind wir im Stande uns indirect von der Geltung des biogenetischen Grundgesetzes auch für
die Radiolarien überzeugen zu können, und zwar mit Hülfe der vergleichenden Anatomie. Diese
ist uns gegenwärtig in solchem Umfange bekannt und mit so reichem Inhalt vorstehend entwickelt
(§ 1—140), dass wir nicht allein im Grossen und Ganzen daraus ein befriedigendes Bild von den Grund-
zügen ihrer Morphologie uns entwerfen, sondern auch die wichtigsten Rückschlüsse auf die Ontogenie
und Phylogenie der einzelnen Gruppen ziehen können. Was insbesondere die Bildung des höchst mannig-
faltigen Skelets der Radiolarien betrifft, so sind offenbar die allermeisten ontogenetischen Formenreihen,
welche wir mit Hülfe der vergleichenden Anatomie gewinnen, palingenetischer Natur, d. h. primär
durch Vererbungs-Gesetze bedingt, und also von unmittelbarer Bedeutung für die Phylogenie. Hin-
gegen sind unter den ontogenetischen Phaenomenen der Radiolarien, soweit wir dieselben bis jetzt
übersehen, nur sehr wenige cenogenetisch, d. h. secundär durch Anpassungs-Gesetze bedingt und
somit ohne directen Werth für die Phylogenie.
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(mit Tangential-Nadeln in poröser Caement-Masse); bei den letzteren ist ihre Oberfläche glatt, bei den
ersteren eigentümlich getäfelt; beide Familien haben verschiedene Grundformen.
§ 199. Phaeoconchien mit Conchoid-Skeleten. Die Ordnung der Phaeoconchien (PI. 121—128)
unterscheidet sich nicht nur von allen anderen Phaeodarien, sondern von allen Radiolarien überhaupt
durch den Besitz einer zweiklappigen muschelähnlichen Gitterschale; die beiden Klappen dieses Conchoid-
Skeletes sind als dorsale und ventrale zu deuten (§ 128). Wahrscheinlich sind diese zweiklappigen Schalen
selbständige Producte, möglicherweise jedoch auch ursprünglich durch Haibirung einer einfachen sphae-
roiden Gitterschale entstanden; im ersteren Falle würden die Phaeocdonchien direct von den Phaeodiniden
abstammen, im letzteren von den Castanellidm. Die drei Familien, welche wir unter den Phaeconchien
unterschieden haben, stellen wahrscheinlich einen zusammenhängenden Stamm dar, dessen Ausgangs-
Gruppe die Conchariden sind (PL 123—125). Aus diesen haben sich erst später die Coelodendriden ent-
wickelt (PI. 121, 122) durch Bildung einer Galea auf dem Gipfel jeder Klappe und Entwickelung von
hohlen Röhren aus diesem Helm. Aus den Coelodendriden sind endlich die Coelographiden hervorgegangen
(PL 120—128) durch Entwickelung eines basalen Nasenrohres (Rhinocanna) aus jeder Galea und Bildung
eines un paaren oder paarigen Frenulum, welches die Mündung des Nasenrohres mit der Helmspitze ver-
bindet. Sowohl unter den Coelodendriden als unter den Coelographiden giebt es zwei verschiedene Sub-
familien, von denen die ältere (Coelodorida, Coelotholidaj freie Aeste der hohlen Radial-Röhren besitzt,
hingegen die jüngere (Coelodrymida, Coeloplegmida) durch Anastomosen der Röhren-Aeste eine äussere
zweiklappige Gitterschale bildet.
§ 200. Das biogenetische Grundgesetz. Der Causal-Nems zwischen Ontogenie und Phylogenie, welcher
in den biogenetischen Grundgesetze seinen präcisesten Ausdruck findet, gilt für die Radiolarien
ebenso allgemein, wie für alle übrigen Organismen. Um dies direct beweisen zu können, würde aller-
dings eine vollständige empirische Kenntniss sowohl der individuellen als der palaeontologischen Ent-
wickelung erforderlich sein. Beide sind uns aber, wie in den vorausgehenden Capiteln gezeigt worden
ist, bei den Radiolarien nur höchst unvollständig bekannt und in einzelnen Fragmenten zugänglich.
Trotzdem sind wir im Stande uns indirect von der Geltung des biogenetischen Grundgesetzes auch für
die Radiolarien überzeugen zu können, und zwar mit Hülfe der vergleichenden Anatomie. Diese
ist uns gegenwärtig in solchem Umfange bekannt und mit so reichem Inhalt vorstehend entwickelt
(§ 1—140), dass wir nicht allein im Grossen und Ganzen daraus ein befriedigendes Bild von den Grund-
zügen ihrer Morphologie uns entwerfen, sondern auch die wichtigsten Rückschlüsse auf die Ontogenie
und Phylogenie der einzelnen Gruppen ziehen können. Was insbesondere die Bildung des höchst mannig-
faltigen Skelets der Radiolarien betrifft, so sind offenbar die allermeisten ontogenetischen Formenreihen,
welche wir mit Hülfe der vergleichenden Anatomie gewinnen, palingenetischer Natur, d. h. primär
durch Vererbungs-Gesetze bedingt, und also von unmittelbarer Bedeutung für die Phylogenie. Hin-
gegen sind unter den ontogenetischen Phaenomenen der Radiolarien, soweit wir dieselben bis jetzt
übersehen, nur sehr wenige cenogenetisch, d. h. secundär durch Anpassungs-Gesetze bedingt und
somit ohne directen Werth für die Phylogenie.
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