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Brüter Abschnitt. Physiologische Fragmente.





(§ 205). Die Zooxanthella intracapsularis der Acantharien (§ 76) ist in letzterer Hinsicht wahrscheinlich von
ebenso grosser Bedeutung, als die Zooxanlhella extracapsularis der Spumellarien und Nassellarien (§ 90);
und vielleicht gilt dasselbe auch für die Phaeodella extracapsularis (oder Zoochlorella jmaeodaris?) der
Phaeodarien (§ 89). Die beträchtlichen Mengen von Amylum oder amyloiden Substanzen, welche diese
inquilinen Symbionten entwickeln, sowie ihr Protoplasma und ihr Nucleus selbst können bei ihrem Zerfall
unmittelbar von den sie beherbergenden Radiolarien als Nahrung aufgenommen werden. Dadurch wird
jedoch die Ernährung durch andere Nahrungskörper, welche die ausstrahlenden Pseudopodien aus dem
umgebenden Seewasser aufnehmen, keineswegs ausgeschlossen; vielmehr kann als sicher angenommen
werden, dass zahlreiche Radiolarien (insbesondere diejenigen, welche keine symbiotischen Algen-Zellen
enthalten) grösstentheils oder auschliesslich auf diesem Wege sich ernähren. Diatomeen, Infusorien, Thala-
mophoren, selbst kleinere Radiolarien, sowie Partikeln von zerstörten Thier- und Pflanzen-Leichen können
unmittelbar durch die Pseudopodien erfasst und entweder dem Sarcodictyum (an der Oberfläche des Ca-
lymma) oder der Sarcomatrix (an der Oberfläche der Central-Kapsel) zugeführt werden, um hier der
Verdaung zu unterliegen. Die unverdaulichen Bestandtheile (Kieselschalen von Diatomeen und Tintin-
noiden, Kalkschalen von kleinen Monothalamien und Polythalamien etc.) sammeln sich hier oft in grosser
Zahl an und werden durch die Plasma-Strömung wieder entfernt.

Die Aufnahme und Verdauung der Nahrung, wie sie gewöhnlich durch die Pseudopodien zu erfolgen scheint,
ist bereits in meiner Monogr. (L. N. 16, p. 135—140) und später in meinem Aufsatz über den Sarcode-Körper der
Rhizopoden (L. N. 19, p. 342) so ausführlich geschildert worden, dass ich nichts Wesentliches hinzuzusetzen habe.
In neuester Zeit hat Karl Brandt bezweifelt, ob die Aufnahme geformter Körper durch die Pseudopodien und
ihre Anhäufung im Calymma überhaupt zur Nahrungs-Aufnahme Beziehung habe. Er ist vielmehr der Ansicht, dass
die fremden Körper gewöhnlich nur zufällig (mechanisch) in das. Calymma hineingerathen, und dass die Ernährung
der Radiolarien ausschliesslich, oder doch ganz überwiegend durch die symbiotischen Xanthellen erfolgt. (L. N. 52,
p. 88—93). Dem gegenüber muss ich an meiner älteren Anschauung festhalten. Nur habe ich dieselbe jetzt inso-
fern modificirt, als ich vermuthe, dass weniger die Sarcomatrix (an der Aussenfläche der Central-Kapsel, § 92), als
vielmehr das Sarcodictyum (an der Aussenfläche des Calymma, § 94) der wichtigste Sitz der eigentlichen Verdauung
und Assimilation ist. Von hier können die gelösten und assimilirten Nahrungsstoffe durch die intracalymmaren Pseudo-
podien (oder das Sarcoplegma, § 93) in die Sarcomatrix, und von dieser durch die Oeffnungen der Central-Kapsel in
das Endoplasma hineingeführt werden. In welcher Menge die Radiolarien selbst grössere geformte Körper in ihr Calymma
aufzunehmen vermögen, zeigt das auffallende Beispiel der Thalassicolla sanguinolenta, welche durch die Aufnahme zahl-
reicher Coccosphaeren und Coccolithen so deformirt wird, dass ich sie als eine besondere Gattung unter dem Namen
Myxobrachia beschrieb. (Vergl. L. N. 21, p. 519, Taf. XVIII, und L. N. 33, p. 37).

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§ 205. Symbiose. Sehr zahlreiche Radiolarien, aber keineswegs alle Glieder dieser Klasse, leben
in einem bestimmten Consortial-Verhältniss mit gelben einzelligen Algen aus der Gruppe der Xanthellen.
Bei den Acantharien leben die letzteren innerhalb der Central-Kapsel (Zooxanthella intracapsularis, § 76),
bei den Spumellarien und Nassellarien hingegen innerhalb des Calymma, ausserhalb der Central-Kapsel
{Zooxanthella exlracapsidaris, § 90); bei den Phaeodarien scheint eine besondere Form solcher symbiotischer
einzelliger Algen extracapsular im Phaeodium zu leben und einen beträchtlichen Theil der Phaeodellen
zu bilden (Zooxanthella phaeodaris, § 90, oder besser vielleicht Zoochlorella phaeodaris, § 89). Unzweifelhaft
ist dieses Genossenschaftsleben in sehr vielen Fällen für beide Symbionten von der grössten physio-
logischen Bedeutung, indem die animale Radiolarien-Zelle der inquilinen Xanthelle nicht nur Schutz und
Wahrung, sondern auch Kohlensäure und andere Zersetzungs-Producte zu ihrer Nahrung liefert; während
anderseits die vegetale Xanthellen-Zelle dem schützenden Radiolar seine wichtigsten Nahrungsstoffe
liefert, Sauerstoff zur Athmung, Protoplasma und Amylum zur Ernährung. Somit besteht nicht allein
theoretisch die Möglichkeit, sondern es ist auch experimentell die Thatsache nachgewiesen, dass Radio-
larien, welche zahlreiche Xanthellen einschliessen und in geschlossenen, mit filtrirtem Seewasser gefüllten
 
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