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Haeckel, Ernst
Die Radiolarien (Rhizopoda radiaria) ; eine Monographie (Band 3): Die Acantharien oder Actipyleen Radiolarien — 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.3110#0019
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I. Der Organismus der Acantharien. 9

Myxopodien und Axopodien. Die beiden Formen der freien Pseudopodien, welche wir als Myxo-
podien und Axopodien unterscheiden, verhalten sich sowohl in morphologischer als in physiologischer Be-
ziehung wesentlich verschieden. Die Myxopodien, oder die gewöhnlichen freien Pseudopodien, welche bei
allen Radiolarien in grosser Menge sich finden und die wichtigsten peripheren Organe derselben dar-
stellen, sind einfache homogene Exoplasma-Fäden, welche sich aus dem Sarcodictyum oder dem extra-
calymmaren Sarcode-Netze erheben und frei in das Wasser ausstrahlen; sie können sich hier verästeln,
durch Anastomosen verbinden und so veränderliche Netze herstellen; sie enthalten aber niemals einen
Axenfaden. Die Axopodien hingegen sind differenzirte Pseudopodien, welche aus einem festen radialen
Axenfaden und einem weichen Ueberzuge von Exoplasma bestehen ; sie durchsetzen das ganze Calymma
in radialer Richtung und ragen frei über dessen Oberfläche vor; sie setzen sich aber meistens (— wenn
nicht immer —) auch centripetal bis zur Mitte der Central-Kapsel fort, indem sie deren Membran durch-
bohren ; im Centrum verliert sich ihr proximales Ende in einem dunkeln centralen Körnerhaufen. Solche
Axopodien sind bisher mit Sicherheit bloss von den Acantharien bekannt, wo sie weit verbreitet, viel-
leicht ganz allgemein vorkommen. Ihre Entwickelung in dieser Legion steht wahrscheinlich in directem
Causal-Nexus mit der eigenthümlichen Structur ihrer Central-Kapsel und der centrogenen Entstehung ihres
Skelets. Da auch die radialen Skelet-Nadeln der Acanthometren ursprünglich einen dünnen Ueberzug
von Protoplasma besitzen, kann man sagen, dass sich die centrogenen Axopodien dieser Abtheilung in zwei
Gruppen differenziren, indem der feste Axenfaden der einen Gruppe sehr dünn und von Protoplasma
überzogen bleibt, während derjenige der anderen Gruppe sich in einen radialen Acanthin-Stachel ver-
wandelt. Diese Auffassung gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch die regelmässige Vertheilung und An-
ordnung der Axopodien bei den Acantharien; sie stehen gewöhnlich in bestimmten Abständen zwischen
den Radial-Stacheln, einzeln oder in Gruppen ; bisweilen scheint ihre Zahl nicht grösser als diejenige der
Stacheln zu sein, während in anderen Fällen auf jeden Stachel ein Kranz oder eine Gruppe von Axo-
podien kommt. Vielleicht besteht der feine Axenfaden der letzteren selbst aus Acanthin. Jedenfalls sind
die Axopodien constante Organe (vermuthlich Tastorgane, gleich den „Palpocilien") und nicht zurück-
ziehbar, wie die veränderlichen Myxopodien.

Die Axenfaden in einem Theile der Pseudopodien sind zuerst bei einigen Acanthometren von K. Heetwig ent-
deckt und in ihrer eigenthümlichen Structur und Anordnung genau beschrieben worden (L. N. 11, p. 16 und 117).

Die Myophrisken der Acanthometren. Durch eine ganz eigenthümliche und sehr merkwürdige
Differenzirung des Exoplasma, nämlich durch die Bildung von Myophrisken oder contractilen Fäden des Sarco-
dictyum, sind die Acanthotnetren ausgezeichnet. Bei den meisten Acantharien dieser Ordnung (— und wahr-
scheinlich bei allen —■) ist jeder Radial-Stachel von einem Kranze solcher contractuel- Fäden umgeben, der
zuerst als „Cilienkranz" beschrieben wurde.A) Die Zahl der contractilen Fäden in jedem Kranze beträgt ge-
wöhnlich 10—20, selten mehr als 30 und weniger als 8; sie scheint oft bei den einzelnen Species constant
zu sein.8) In lebendem Zustande sind die Myophrisken lange und dünne Fäden, welche sich mit dem
spitzeren Distal-Ende am Radial-Stachel inseriren, mit dem dickeren Proximal-Ende dagegen an der Ober-
fläche des Calymma, welches sich hier gewöhnlich um jeden Stachel herum in Gestalt einer kegelförmigen
gallertigen Stachelscheide oder Stachelwarze erhebt.0) Wahrscheinlich liegen die Myophrisken in
der Aussenfläche des Apical-Theiles dieses Gallertkegels und sind demnach als differenzirte Exoplasma-
Fäden des Sarcodictyum aufzufassen. Bisweilen sind sie sogar (z. B. bei Acanthochiasma) zu einer con-
tractilen Membran verschmolzen und bilden den Mantel eines Kegels, dessen Hohlraum von der Gallerte
der Calymma-Warzen erfüllt ist. Bei mechanischer Reizung ziehen sich die Myophrisken rasch und plötz-

Haeclccl. Radiolarien, HL Thl, 2
 
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