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Haeckel, Ernst
Die Radiolarien (Rhizopoda radiaria) ; eine Monographie (Band 3): Die Acantharien oder Actipyleen Radiolarien — 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.3110#0031
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I. Der Organismus der Acantharien.

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Capsophracten und Cladophracten. Die formenreiche Ordnung der Acanthophracten, welche alle
Acantharien mit completer Gitterschale umfasst, ist polyphyletisch, indem sich ihre Hauptgruppen
aus verschiedenen Zweigen der Acanthoniden unabhängig von einander entwickelt haben. Zunächst
kann man wohl die ganze Ordnung in zwei Hauptgruppen eintheilen, deren Gitterschale eine ganz
verschiedene Structur und Entstehung besitzt, die Capsophracten und Cladophracten. Die Hauptgruppe
(oder Unterordnung) der Capsophracta umfasst nur die einzige Familie der Sphaerocapsida (Taf. V, Fig.
7—11; Taf. VII, Fig. 6—10); ihre Gitterschale entsteht unabhängig von den zwanzig Radial-Stacheln
und ist pflasterartig aus zahllosen kleinen Acanthin-Plättchen zusammengesetzt, welche durch einen cae-
mentartigen Kitt verbunden sind; jedes Plättchen ist von einem feinen Porus durchbrochen. Ausserdem
sind 20 grössere Hauptporen (oder viertheilige Porengruppen) vorhanden, welche den 20 Radial-Stacheln
entsprechen; diese sind stets von gleicher Grösse, vierkantig-prismatisch, ohne Querfortsätze, wie bei
Acanthoma. Ganz anders ist die Structur und Entstehung der Gitterschale in der Hauptgruppe (oder
Unterordnung) der Cladophracta, welche die fünf übrigen Familien der Acanthophracta in sich begreift; hier
setzt sich die Gitterschale aus den Aesten der transversalen Apophysen zusammen, welche in tangentialer
Richtung von den 20 Radial-Stacheln auswachsen und erst secundär in Verbindung treten.

Ascendenz der Dorataspiden. Die Gruppe der Cladophracten oder derjenigen Acantharien, deren
Gitterschale durch Verbindung von Querfortsätzen der 20 Radial-Stacheln entsteht, umfasst fünf ver-
schiedene Familien, deren Stammgruppe die Familie der Dorataspiden ist, mit einfacher kugeliger Gitter-
schale. Diese Familie selbst ist aber sicher diphyletischen Ursprungs und setzt sich aus zwei
wesentlich und ursprünglich verschiedenen Subfamilien zusammen : Diporaspiden und Tessaraspiden. Die
Diporaspida (Taf. IX, X) haben sich aus den Phractacanthida entwickelt, und da jeder Radial-Stachel
der letzteren zwei gegenständige Apophysen trägt, besitzt die Gitterschale der ersteren vierzig primäre
Aspinal-Poren (zwei an der Basis jedes Stachels). Hingegen haben sich die Tmaraspida (Taf. VII, VIE)
aus den Stauracanthida entwickelt, und da jeder Radial-Stachel der letzteren vier kreuzständige Apo-
physen trägt, besitzt die Gitterschale der ersteren constant achtzig primäre Aspinal-Poren (vier an der
Basis jedes Stachels).

Descendenz der Diporaspiden. Während die Tessaraspiden keine neuen Formengruppen ent-
wickelt haben, die auf den Rang selbständiger Familien Anspruch erheben können, haben sich dagegen
aus den Diporaspiden nicht weniger als vier verschiedene Familien von Acantharien entwickelt. Die
Phractopeltida (Taf. V, Fig. 1—6) unterscheiden sich von allen- anderen Acantharien durch den Besitz
von zwei concentrischen kugeligen Gitterschalen und haben sich wahrscheinlich aus den Diporaspiden
auf dieselbe Weise entwickelt, wie unter den Sphaeroideen die Dyosphaeriden aus den Monosphaeriden ; dann
wäre die kleine innere Gitterkugel (Markschale) die primäre und die grosse äussere (Rindenschale) die
secundäre ; diese letztere zeigt dieselben 40 primären Aspinal-Poren wie bei den Diporaspiden. Indessen
ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die kleine innere Gitterkugel der Phractopeltiden ein secun-
däres Product ist. Die drei übrigen Familien, welche wir als Descendenten der Diporaspiden anzusehen
haben, bilden zusammen eine phylogenetische Reihe, und unterscheiden sich von der Stammgruppe sehr
wesentlich dadurch, dass die ursprüngliche Kugelform der Gitterschale in eine andere Form übergegangen
ist, ausgezeichnet durch eine verlängerte Aequatorial-Axe (die hydrotomische Axe); daher der Name
Prunophracta. Zunächst sind wohl durch Hypertrophie der beiden gegenständigen Aequatorial-Stacheln
dieser hydrotomischen Axe die ellipsoiden Belonapsida entstanden (Taf. VIII, Fig. 6—9 ; Taf. IX, Fig. 8, 9 ;

SR
 
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