Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XI.
DER ST.-WOLFGANGS-BRUNNEN ZU ST. WOLFGANG
IM SALZKAMMERGUT UND SEINE MEISTER
Unmittelbar vor dem Hauptportale der vielbesuchten Wallfahrtskirche St. Wolf-
gang im gleichnamigen Markte am idyllischen Abersee im Salzkammergut erhebt sich,
überwölbt von einem malerischen Säulenbau, ein in Glockenerz gegossener, ausser-
ordentlich reizvoller Brunnen. Sein eleganter Aufbau, die Schönheit und das Eben-
mass seiner Verhältnisse, die Durchbildung aller Einzelheiten und nicht zuletzt die
technische Vollendung des Gusses reihen ihn den besten Arbeiten seiner Art und
seiner Entstehungszeit — dem frühen XVI. Jahrhundert — ein (Abb. 94).
Vielleicht hat das entzückende Brünnchen es der unmittelbaren Nähe und der
überwältigenden Pracht des Pacherschen Wunderwerkes zuzuschreiben, dass man
seiner noch nicht mit der Diebe und Würdigung gedacht hat, die ihm als einem un-
zweifelhaft hervorragenden und ausserordentlich fein ersonnenen Kunstwerke ge-
bühren. Ein einziges Mal nur war es Gegenstand einer etwas eingehenderen Beschrei-
bung, die später noch zweimal ohne Skrupel und Kritik abgedruckt wurde.1 Da über-
dies bei genauerem Zusehen die Bedeutung des Brunnens auch die Geschichte der
Erzbildnerei nicht unwesentlich erweitert, erscheint eine eingehendere Würdigung
desselben sicherlich gerechlfertigt.
Betrachten wir zunächst die liebenswürdige Schöpfung. Auf einem im Zehneck
konstruierten Fuss erhebt sich eine flache Schale, aus deren Mitte ein achteckiger
Pfeiler, bekrönt mit der Figur des hl. Wolfgang, herauswächst. Der Fuss baut sich in
vier gekehlten Abstufungen auf, die in spätgotischer Form mit an den Ecken sich
durchschneidenden Stäben gegeneinander absetzen (Abb. 95 und 96). An dem obersten
fast flachen Absatz treiben phantastische Gestalten ihr Spiel: ein fischgeschwänztes
Meerwesen holt mit einem Baumstämme zum Schlage gegen eine langhaarige, bärtige
Halbfigur aus, die ihrerseits mit einem Rundschild und einem mächtigen Kinnbacken
dem Angriff begegnet. Nebenan wenden sich zwei Halbfiguren — Faune? — auf
Sackpfeifc und Klarinette blasend gegen eine unter einem Baume schlafende weibliche
Figur, vielleicht eine Nymphe. Es folgen zwei kämpfende Hähne, dann ein geflügeltes
Knäblein mit einem wilden Manne mit Spitzhut. Der Mann ist mit einer Keule be-
1 Von älterer Literatur verdienen Erwähnung: Erhard, Kleine Beiträge zur älteren Geschichte der Stadt
Passau in den Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern, II. Band, 2. Heft (1851) S. 85.
— Sighart, Geschichte der bildenden Künste in Bayern, 1863, S. 552.— Lotz, Kunsttopographie Deutsch-
lands II. (1863) S. 450. — Mitteilungen der k. k. Zentralkommission XIV. (1869) S. LXX. Hier findet
sich von der Hand eines Anonymus . . . m . . . die erste und einzige ausführlichere Beschreibung des Brun-
nens nebst geometrischen Rissen desselben. Der Aufsatz mit der gleichen Autorenchiffre wurde wörtlich
abgedruckt in der Zeitschrift „Das Bayerland“ IX. (1898) S. 93, und ebenso, etwas gekürzt, in der histo-
rischen Festschrift von J. B. Mehler, Der hl. Wolfgang, 1894, S. 245. Kurz gedenkt des Brunnens, sich
auf Sighart und Lotz stützend, Luer-Creutz, Geschichte der Metallkunst I. (1904) S. 616, und W. M.
Schmid, „Passau“ 1912, S. 83.

96
 
Annotationen