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II.
DIE BEGLAUBIGTEN WERKE
Die Zahl der für Erasmus Grasser archivalisch oder inschriftlich gesicherten Bild-
werke ist einerseits so spärlich, anderseits aber zeugen diese wenigen Werke von so
überragendem und fortschrittlichem Können in dem Bereiche der altbayerischen und
zumal der Münchener Plastik, dass es verlocken musste, die künstlerische Persönlich-
keit des Meisters umfassender zu gestalten. Ohne dass man dabei dem Wesen der
Kunst Grassers näher zu kommen sich bemüht und vor allem ihre Ausdrucksmittel
eingehender geprüft hätte, brachte man eine grosse Reihe von Arbeiten, namentlich
in Stein, teils zu Recht, grossenteils aber zu Unrecht mit seinem Namen in Verbin-
dung, so dass der Name Erasmus Grasser zu einem Gattungsbegriff für Münchener
Plastik überhaupt herabzusinken drohte. Vielfach liess man sich bei der Zuschreibung
von Werken mehr von gegenständlichen oder kompositionellen Äusserlichkeiten, die
entweder im Bildthema selbst gründeten, oder die ebensogut ein Zunftgenosse zweiten
oder dritten Ranges sich zu eigen machen konnte, leiten als vielmehr von den geistigen
Potenzen und Inhaltswerten der Werke und vor allem von jenen unbestechlichen Kri-
terien, die uns die handwerkliche Mache, die Führung des Schnitzmessers oder des
Meissels und Balleisens an die Hand geben. Nur so konnte es kommen, dass man —
um nur ein besonders überzeugendes Beispiel herauszuheben — lediglich der Bild-
anordnung und des architektonischen Rahmens halber ein so schwächliches Werk wie
den Törringstein in Kloster Andechs neben den prächtigen Grabstein des Ulrich Are-
singer in der Peterskirche in München stellte.1
1 Von der älteren Literatur über Erasmus Grasser, die kaum mehr als den Namen erwähnt, seien angeführt:
Lorenz Westenrieder, Historischer Kalender von 1788. Er nennt unterm 12. Hornung: „Asem oder Usern,
Bildhauer in München 1512.“—Felix Joseph Lipowski, Bayerisches Künstlerlexikon (München 1810) I, S. 95.
— G. K. Nagler, Neues allgemeines Künstlerlexikon München, Bd. V (1837), S. 338. — J. Sighart, Geschich-
te der bildenden Künste in Bayern (1863), S. 500, der, soviel ich sehe, zum ersten Male den Aresinger-Stein
in der Peterskirche — fälschlich als Grabmal des Dr. Untermayr bezeichnet—, dann die Narrenfiguren im
Rathaus zu München und eine verschollene Statue der Magdalena von 1480 erwähnt. — Otto Titan von
Hefner, Der Vaterlandsfreund, München 1864, S. 74. — G.K. Nagler, Münchener Kunstanzeiger 1865, S. 69,
der zum ersten Male das Chorgestühl der Frauenkirche und den Ramersdorfer Altar zu Grasser in Be-
ziehung setzt. Siehe auch S. 2 Anmerk. 3. — Von der neueren Literatur sind über Erasmus Grasser als Wich-
tigstes zu erwähnen: Ernst von Destouches, Vorschlag zur Errichtung von Gedenktafeln, in der Extra-
beilage zu Nr. 46 der Münchener Gemeindezeitung 1886, der hier auf Grund der Archivalien des Münchener
Stadtarchivs, jedoch nicht erschöpfend, ein Lebensbild des Meisters entrollt, dabei aber nur den Stein des
Ulrich Aresinger und die Narrenfiguren erwähnt. — Berthold Riehl, Die Münchener Plastik in der Wende
vom Mittelalter zur Renasisance, für die Folge zitiert: Riehl, Münchener Plastik — in den Abhandlungen der
Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften III. KL,XXX. Bd., II. Abt., München 1904, S. 400 ff und
S. 406 ff. Riehl gibt zum ersten Male den Versuch einer Zusammenstellung und eine Würdigung der Werke
Grassers. — Dazu die kritischen Bemerkungen von Hans Semper in den Monatsheften der kunstwissenschaft-
lichen Literatur, herausgegeben von Ernst Jaffä und Curt Sachs, I (1905), S. 1 ff, die jedoch selbst wieder
vielfach zur Kritik Anlass geben. — Richard Paulus in Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden
Künstler, Leipzig, Bd. XIV (1921), S. 529.— Fritz Burger und Adolf Feulner, Meisterwerke der Plastik

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