DAS WERK
In der altdeutschen Abteilung der Alten Pinakothek in
München, in der sich die landschaftliche Mannigfaltig-
keit der künstlerischen Dialekte am Ausgang des Mittel-
alters mit aufschlußreicher Eindringlichkeit spiegelt,
nimmt der Kirchenväter-Altar von Michael Pacher eine
überragende Stellung ein. Es sind nicht nur die bedeu-
tenden Ausmaße und der Reiz der festlich-bunten, gold-
durchwirkten Farben, die den Beschauer dieser weit aus-
ladenden Bilderwand mit eigentümlicher Macht berüh-
ren, sondern ihr Anblick erweckt in ihm das Bewußtsein,
im Bannkreis einer der kraftvollsten Persönlichkeiten
jener an eigenwüchsigen Charakteren wahrhaftig nicht
armen Epoche zu stehen. Man fühlt: hier spricht einer,
der mit gereiftem Können über alle künstlerischen und
technischen Möglichkeiten seiner Zeit verfügt, dessen
Werk aber durch seine Schönheit wieder über alle Zeit-
gebundenheit erhaben zu sein scheint. Das Überindivi-
duelle und das Individuelle, die geschichtlichen Kräfte
und die persönliche Leistung durchdringen sich so völlig,
daß das Werk sich zugleich als der ganz persönliche Aus-
druck seines Meisters und als eine vollgültige Aussage
seiner Zeit darbietet und eine der kunstgeschichtlichen
Erkenntnis dienende Analyse die einzelnen gestaltgeben-
den Elemente nur schwer zu trennen vermag.
Innerhalb von Pachers „Werk“ steht der Kirchenväter-
Altar in sinnvoller Konsequenz eingeordnet in eine
Reihe von großen plastisch-malerischen Wandelaltären;
zugleich aber löst er sich aus dem Zusammenhang als ein
Werk der reinen Malerei, das dem plastischen Element
nur noch in der Form einer malerischen Illusion Raum
gewährt. Darin liegt das Neue und Eigenartige seiner
Stellung.
Der Altar trägt heute weder Meisternamen noch Da-
tum, die wahrscheinlich bereits im 18. Jahrhundert mit
dem alten Rahmenwerk oder der Predella der Zerstö-
rung anheimfielen. Er ist erst wieder mit dem Namen
seines Schöpfers in Verbindung gebracht worden, als die
3
In der altdeutschen Abteilung der Alten Pinakothek in
München, in der sich die landschaftliche Mannigfaltig-
keit der künstlerischen Dialekte am Ausgang des Mittel-
alters mit aufschlußreicher Eindringlichkeit spiegelt,
nimmt der Kirchenväter-Altar von Michael Pacher eine
überragende Stellung ein. Es sind nicht nur die bedeu-
tenden Ausmaße und der Reiz der festlich-bunten, gold-
durchwirkten Farben, die den Beschauer dieser weit aus-
ladenden Bilderwand mit eigentümlicher Macht berüh-
ren, sondern ihr Anblick erweckt in ihm das Bewußtsein,
im Bannkreis einer der kraftvollsten Persönlichkeiten
jener an eigenwüchsigen Charakteren wahrhaftig nicht
armen Epoche zu stehen. Man fühlt: hier spricht einer,
der mit gereiftem Können über alle künstlerischen und
technischen Möglichkeiten seiner Zeit verfügt, dessen
Werk aber durch seine Schönheit wieder über alle Zeit-
gebundenheit erhaben zu sein scheint. Das Überindivi-
duelle und das Individuelle, die geschichtlichen Kräfte
und die persönliche Leistung durchdringen sich so völlig,
daß das Werk sich zugleich als der ganz persönliche Aus-
druck seines Meisters und als eine vollgültige Aussage
seiner Zeit darbietet und eine der kunstgeschichtlichen
Erkenntnis dienende Analyse die einzelnen gestaltgeben-
den Elemente nur schwer zu trennen vermag.
Innerhalb von Pachers „Werk“ steht der Kirchenväter-
Altar in sinnvoller Konsequenz eingeordnet in eine
Reihe von großen plastisch-malerischen Wandelaltären;
zugleich aber löst er sich aus dem Zusammenhang als ein
Werk der reinen Malerei, das dem plastischen Element
nur noch in der Form einer malerischen Illusion Raum
gewährt. Darin liegt das Neue und Eigenartige seiner
Stellung.
Der Altar trägt heute weder Meisternamen noch Da-
tum, die wahrscheinlich bereits im 18. Jahrhundert mit
dem alten Rahmenwerk oder der Predella der Zerstö-
rung anheimfielen. Er ist erst wieder mit dem Namen
seines Schöpfers in Verbindung gebracht worden, als die
3