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dieser ganz ruhige, bis in die tiefsten Fernen deutliche „Staffelsee“ von Georg Schrimpf mit
der stillfließenden Melodie seiner Hügelumrisse und der unbewegten Leuchtkraft seiner Farb-
flächen ist deshalb nicht minder Ausdruck unserer Zeit. Da sie im allgemeinen ein so sdinelles
Tempo anschlägt, verlangt es sie erst recht nach Ausruhen und Sidiselbstverlieren. Und, wenn
dies im ersten Augenblick auch weniger „modern“ erscheinen mag als jenes andere, künst-
liche Zurückgreifen auf die ältere Überlieferung jener deutschen Landschaftsmalerei im Sinne
von Caspar David Friedrich oder Anton Radi, bedeutet dies ebensowenig wie die Kokoschka-
Weise einfaches Weiterspinnen jener Musik der aufgeregten Töne bedeutet, mit der Vincent
van Gogh seinerzeit die ganze Welt der Malerei revolutionierte. In jeder schöpferisch neuen
Ausdrucksform steckt neben dem revolutionären Element heimlich auch ein Element der Tra-
dition. Gerade bei van Gogh sieht man es, wenn man die Dinge nur aus genügend großem ge-
schichtlichen Abstand betrachtet. Sein Blick auf Arles mit dem blühenden Irisgebüsch im Vor-
dergründe schließt sich, abgesehen von diesem Irisgebüsch doch, ungewollt und vielleicht sogar
ungewußt, an die Bilder mit blühenden Wiesen von Claude Monet an, viel näher jedenfalls als
an die Arbeiten seines zeitweiligen Freundes Paul Gauguin, mit dem er so innig vertraut
lebte, daß sie beinahe einmal eine auf kommunistischer Grundlage aufgebaute soziale Kunst-
gemeinschaft des geistigen Schaffens aufgebaut hätten. Richtungen werden im Laufe der gesam-
ten künstlerischen Entwicklung immer unwichtiger, und entscheidend ist nur die schöpferische

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