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Harth, Dietrich [Hrsg.]
Finale!: das kleine Buch vom Weltuntergang — München, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.2939#0160
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40.

Die Sonne hat sich aufgelöst. Eine Art körniger und phospho-
reszierender Nebel über einem verwesten Meer, in dem sich
ekelerregende, riesig aufgeschwollene Larven schwerfällig be-
wegen.

41.

Ein finster blickendes Auge schließt sich über allem, was ge-
wesen war.

42.

Ein Fühler reckt sich, streckt sich aus, berührt etwas, tastet
umher, krümmt sich, zieht sich in die schützende Schale zu-
rück. Ein Büschel grasbewachsener Pfoten regt sich, dreht sich
wie Sonnenblumen. Ein Magen ist an einem Faden unterwegs
und zittert. Schlürfen, Zuckungen, Saugnäpfe. Alles ist blind
unter Wasser, und das Licht ist einäugig.

43.

Das Gelenk versteinert. Der überfressene Magen wird zu einer
Koralle. Oxydiert. Aus den Poren quillt gläserner Schweiß.
Die Bewegung, ohnehin seltener geworden, erstarrt unvermit-
telt ganz. Das Leben schlägt Wurzeln und sinkt in die Erde
hinab wie eine Sonde, setzt sich fest. In der Tiefe herrscht voll-
kommene Finsternis, und einzig die Steine werden lebendig.

44.

Man sieht, wie sich die Kristalle ausbilden, sechszackige Sterne,
die sich ineinander verschlingen zu einem X, einem T, einem
Galgenkreuz, einem Johanniter-Kreuz, einem päpstlichen
Kreuz. Dabei erscheinen die Proportionen auf der Leinwand
völlig verschoben. Unendlich Kleines wird unendlich groß.
Das glühende Erdinnere wirft den Urschatten.

45.
Die Polyeder bewegen sich zielgerichtet. Die farbigen Gase
stürzen herab. Die entstandenen Mineralien verschmelzen, und
 
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