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Haussherr, Reiner
Der tote Christus am Kreuz: zur Ikonographie des Gerokreuzes — 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.31126#0018
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men sichtbar. Der Bart, der den geöffneten Mund rahmt, das ganze
Kinn bedeckt und auf den Wangen an das Haupthaar grenzt, ist pla-
stisch um ein weniges von dem übrigen Gesicht abgesetzt. Im Gegen-
satz zu dem gerillten Haupthaar bildet er eine glatte Fläche, die
nur von der waagerechten Kerbe im Kinn gegliedert wird.

Im elften Jahrhundert muß das Gerokreuz sehr verehrt worden sein,
Es wurde damals, wie wir noch sehen werden, oft kopiert.

Ungefähr ein Vierteljahrhundert später entstand der Ringelhei-
mer Holzkruzifixus (Abb.2,18)^, den Bischof Bernward von Hildes-
heim in das nicht zu seiner Diözese gehörige Nonnenkloster Ringel-
heim wahrscheinlich noch zu Lebzeiten seiner dort als Äbtissin re-
gierenden, im Jahre 1000 verstorbenen Schwester Judith stiftete' .
Als Stiftung Bernwards erweist es sich durch seinen Namenszug auf
einer Reliquienbeschriftung im Reliquienrepositorium im Hinter-
kopf des Kruzifixes. Auf Grund dieser Tatsache hat Rudolf Wesen-
berg es als Werk der Hildesheimer Werkstätten um 1000 bestimmen
können.

Der Kruzifixus aus Lindenholz ist 1,62 m hoch, die Spannweite
der Arme beträgt 1,61 m. Eine Fassung fehlt, nur die Seitenwunde
ist rechts unter der Achselhöhle auf das Holz gemalt®^. Christus
steht am Kreuz, die Füße nebeneinander auf das schräge Suppedane-
um genagelt, die Arme horizontal ausgestreckt. Die Beine sind ein
wenig nach links gewandt, der Oberkörper ist frontal vor dem Kreu-
ze ausgebreitet, das Haupt neigt sich nach rechts. Die aufrecht-
frontale Haltung ist so in leichter Bewegung des Körpers beinahe
kontrapostisch differenziert. Die Arme leiten diese Bewegung wei-
ter, der rechte liegt ein wenig tiefer als der linke. Der von
den Fingern einzig erhaltene linke Daumen zeigt, daß die Daumen
abgespreizt waren 7;. Der Lendenschurz ist symmetrisch gegliedert.
Er ist in der Mitte gerafft und mit einem Überschlag über den ab-
schließenden Wulst gesteckt. An den Seiten befindet sich über ei-
nem Faltenbündel je noch ein weiterer Überschlag. Dazwischen um-
schließt das Tuch die Oberschenkel, nur durch wenige Faltenzüge
belebt. Das leicht nach rechts geneigte Haupt war einst durch
die jetzt teilweise abgearbeiteten Haare besser mit der Schulter-
partie verbunden. Die Augen sind etwas geöffnet, der Mund in
 
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