Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Haussherr, Reiner
Der tote Christus am Kreuz: zur Ikonographie des Gerokreuzes — 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31126#0158
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
156

Kapitel VIII : Zum geschichtlichen Hintergrund

Kardinal Humbert von Silva Candida und das mittelbyzantinische
Kreuzigungsbild

Bei den Verhandlungen, die 1054- zum endgültigen Schisma der Kir-

1)

chen von Rom und Konstantinopel führten , ist auch kurz die Fra-
ge der Kruzifixdarstellung zur Sprache gekommen. Kardinal Humbert
von Silva Candida, der Leiter der römischen Gesandtschaft, griff
am Schluß seines Dialoges gegen die Griechen neben vielem anderen
das byzantinische Kreuzigungsbild an. Diesen Dialog hatte er be-
reits in Rom verfaßt, er gehörte zu den Gesandtschaftspapieren.
Nachdem Humbert einige Vorwürfe der Griechen widerlegend abgehan-

delt hat, schließt er mit einer Reihe kurzer, heftiger Angriffe

2)

gegen Byzanz, um dann den Bann anzudrohen . Darunter findet sich
ein schwer verständlicher und infolgedessen sehr umstrittener
Satz, der anscheinend Bezug nimmt auf die byzantinische Darstel-
lung des Gekreuzigten. Die Interpretation ist umso schwieriger,
als im weiteren Verlauf der Verhandlungen dies Problem, soweit
die erhaltenen Quellen es bezeugen, nicht wieder zur Sprache ge-
kommen ist.

Humbert führte aus: "Nunquid etiam inde est, quod hominis mori-
turi imaginem affigitis crucifixae imagini Christi, ita ut qui-

dam Antichristus in cruce Christi sedeat ostendens se adorandum,

5)

tamquam sit deus?"-^ Er wirft den Byzantinern also vor, daß sie
dem gekreuzigten Bilde Christi das Bild eines Menschen, der ster-
ben wird, hinzufügten, so daß er wie ein Antichrist am Kreuze
Christi sitze und sich zur Anbetung zeige, als ob er Gott sei.

Man hat daran gedacht, in diesem von Humbert angegriffenen Bil-
de die Darstellung eines sterblichen Menschen, die Anbringung ei-

ner Nebenperson, wie etwa des Künstlers oder des Stifters, zu se-

4-) 5)

hen . Das ist jedoch ganz unmöglich . Wo in Byzanz ein Stifter

dargestellt ist, kniet er unter dem Kreuz, wie auch auf entspre-

chenden abendländischen Kreuzigungsbildern^. Daran hätte der Kar-

dinal kaum Anstoß nehmen können, abgesehen davon, daß der Wort-

laut des Textes diese Interpretation kaum zuläßt.
 
Annotationen