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Gegenüberstellung des lebenden und des toten Gekreuzigten
in der Form, wie sie die beiden Augienses bieten, darf so als
abendländische "Erfindung" begriffen werden.

Die mittelbyzantinische und die abendländische Darstellung des
toten Gekreuzigten müssen also scharf gegeneinander abgegrenzt
werden. Trotz der Darstellung des Totseins bleibt in dem mittelby-
zantinischen Typ des toten Kruzifixus die Hoheit lebendig, die den
frühbyzantinischen Typ des lebenden Gekreuzigten auszeichnet.

Auch in seinem Tode soll Christus immer als Gottmensch, als gleich-
zeitig göttlicher Logos und wahrer Mensch, dargestellt werden. Da-
gegen steht in den abendländischen Bildern des toten Kruzifixus,
die ursprünglich in den Bereich des Sakramentalen gehören, die
Realität des Todes im Mittelpunkt. Man ist sich im Abendland die-
ser Andersartigkeit gegenüber Byzanz offenbar sehr bewußt gewesen,
anders läßt sich die Ablehnung und auch die Umgestaltung von ein-
zelnen Motiven des mittelbyzantinischen toten Kruzifixus nicht er-
klären. Obgleich im Abendland der triumphierende Herr am Kreuz
und der tot Zusammengebrochene nebeneinander dargestellt werden,
ist der beides in sich vereinende mittelbyzantinische Typ des to-
ten Gekreuzigten nicht übernommen worden. Sonst sind im Abendland
alle Übergangsformen und Zwischenmöglichkeiten zwischen den beiden
gegensätzlichen Kruzifixtypen möglich gewesen.

Umso dringender erhebt sich jetzt die Frage nach den Gründen der
so verschiedenartigen Entwicklungen in Byzanz und im Abendland. I
 
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