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Kapitel IV: Kruzif ixtypen und. Kpeuzigunp;sdarstellungen in der

Kunst des zehnten und elften Jahrhunderts außerhalb Deutschiands

England

Die englische Miniaturmalerei kommt an Reichtum und künstleri-
schem Rang der deutschen durchaus gleich. Zentrum ist Winchester,
der Hauptsitz der angelsächsischen Herrscher und Ausgangspunkt
der monastischen Reform. Die Skriptorien in Old Minster und New
Minster müssen stilprägend gewesen sein. Nach ihnen erhielt die
gesamte angelsächsische Buchmalerei den Namen "Winchester-Schule".
Jedoch ist eine Reihe von Handschriften in anderen Orten und Klö-
stern, wie Canterbury, Bury St. Edmunds und Ramsey, zu lokalisie-
ren. Eine stilistische Scheidung der Werkstätten ist bis jetzt
kaum möglich geworden, die Zuweisung an einzelne Klöster erfolgt
meist auf Grund äußerer Indizien, wie Provenienz, Besitzvermerken,
Kalendar, Schreiberangaben etc. Deshalb ist es angebracht, die
Kreuzigungsdarstellungen getrennt nach den Typen des lebenden und

toten Christus am Kreuz jeweils in der chronologischen Reihenfol-

1)

ge der Denkmäler zu behandeln .

Der lebende Kruzifixus ist in der angelsächsischen Kunst selten.
Er kommt kurz nach iOOO vor im sogenannten Missale des Robert von

Jumieges, dem Sakramentar Rouen Bibl.mun.ms.274- fol.7iv, dessen

2)

Entstehung in Winchester, Peterborough oder Ely möglich ist .

In einem sehr aufwendigen, typischen "Winchester"-Rahmen ist der
Kruzifixus mit Maria und Johannes dargestellt. Christus steht
aufrecht auf dem Suppedaneum, die Arme horizontal ausgestreckt,
die Hände mit abgespreizten Daumen nach oben weisend. Der Oberkör-
per sinkt nach links. Unvermittelt darunter nach rechts versetzt
die Unterpartie des Körpers. Der links geknotete Schurz läßt den
linken Oberschenkel frei. Die Falten laufen in einem Knoten zu-
sammen. Die Linksknotung bei Freigeben des linken Oberschenkels
kennen wir bereits vom Lotharkreuz und vom Bernwardskreuz. Die
karolingischen Vorlagen dafür werden wir später besprechen. Das
bäntige Haupt Christi neigt sich, die Augen sind offen. Maria
bedeckt mit verhüllten Händen ihr Antlitz, Johannes führt die
Rechte an die Wange. Daß wirklich der lebende Kruzifixus gemei.nb ist,
 
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