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Kapitel VII: Typengeschichtliche Zusammenfassung

Nach diesem Überblick über die Denkmäler ist jetzt die Entste-
hung und Entwicklung der Typen des toten Gekreuzig-ten näher zu
bestimmen.

Im byzantinischen Bereich wird in vorikonoklastischer Zeit der
Typ des lebenden Kruzifixus verwendet, der den Sieg über den Tod
bezeichnet. Er gehört sowohl in das überhistorisch-repräsentati-
ve Kreuzigungsbild wie auch in die Dreifigurenszene Maria-Chri-
stus-Johannes. Christus schwebt aufrecht vor dem Kreuz oder steht
auf einem Suppedaneum. Seine Arme sind horizontal ausgestreckt,
die Daumen abgespreizt. Das bärtige Haupt mit den offenen Augen
ist entweder frontal oder leise nach rechts geneigt dargestellt.
Der Gekreuzigte trägt ein Purpurcolobium mit Goldclavi. Dieser
vorikonoklastische Typ wird im neunten Jahrhundert verändert:

7 die weit geöffneten Augen des Gekreuzigten schließen sich, und
i das Colobium wird durch den Lendenschurz ersetzt. An die Stelle
' des lebenden ist der tote Kruzifixus getreten. Diese "Uminterpre-
tation" des frühbyzantinischen Typs des lebenden Gekreuzigten hat
sich wohl in Darstellungen vollzogen, die den Lanzenstich als
Thema hatten. Bereits im neunten Jahrhundert wird er aber, wie
die Sinaiikonen und die "mönchisch-theologischen" Psalterien zei-
gen, auch in alle anderen Typen von Kreuzigungsbildern übemom-
men, ohne Rücksicht darauf, ob die dort dargestellten Szenen ih-
rem Sinne nach den lebenden Gekreuzigten zeigen müßten. Auf eini-
gen Elfenbeinen des zehnten Jahrhunderts wird der neue Typ des
toten Gekreuzigten im Lendenschurz weitergebildet. Die Beine, ein
* wenig nach rechts gewandt, werden als Stand- und Spielbein unter-
7 schieden. Damit bahnt sich auch ein leichtes Ausschwingen des Lei-
bes an. Die Ellenbogen werden eingewinkelt, wodurch eine oranten-
r artige Armhaltung entsteht. Die Arme hängen zwischen Händen und
Schultern durch. Diese Veränderungen erscheinen zuerst auf einem
Elfenbein der "malerischen Gruppe" (Abb.142), werden aber auch,
wenigstens teilweise, von der Nikephorosgruppe übemommen (vgl.
Abb.143). Dagegen bleibt in der Romanos- und in der Triptychon-
gmppe (Abb.138-141,144) der frontale Kruzifixtyp geltend. Im
 
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