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Kapitel VI: Die Entwicklung des byzantinischen Kruzifixtyps

Frühbyzantinische Kreuzigungsdarstellungen

Am Beginn unserer Darstellung der byzantinischen Kreuzigungsiko
1)

nographie y muß die Miniatur mit der Kreuzigung und den drei Frau
en am Grabe (Abb.120) in dem syrischen Evangeliar der Bibl.Lauren

tiana, Plut.I 56> stehen, dem 586 in dem mesopotamischen Kloster

2)

Zagba entstandenen Rabulascodex . Man hat diese Miniatur oft auf
ein Jerusalemer Vorbild zurückgeführt. Doch hatte bereits Charles

Rufus Morey eine griechische Vorlage rekonstruiert, die er in Kap
3)

padokien lokalisierte^ . Neuerdings hat Andre Grabar darauf hinge
wiesen, daß die beiden Christustypen des Rabulascodex auf den Mün
zen Justinians II. (685-711) vorkommen. Sie erscheinen bereits
auf kaiserlichen Kunstdenkmälern des sechsten Jahrhunderts wie
dem Kreuz Justins II. im Vatikan, einem Konsulardiptychon Ju-
stins II. und auf dem Diptychon Barberini. Daraus ergibt sich
nach Grabar eindeutig, daß die Ikonographie des Rabulascodex

nichts mit Syrien oder Jerusalem zu tun hat, sondern daß sie die

4)

Kunst Konstantinopels widerspiegelt . Vor zwei hohen Bergen,
zwischen denen die Gestirnzeichen sichtbar werden, erheben sich
die drei Kreuze. Sie stehen eng aneinander, die Querbalken der
Schächerkreuze berühren beinahe den Stamm des Christuskreuzes.
Dessen Querbalken liegt über dem der Schächerkreuze. Christus
schwebt am Kreuz mit horizontal ausgestreckten Armen. Die Daumen
sind abgespreizt. Er trägt ein Purpurcolobium mit Goldclavi. Das
bärtige Haupt mit den offenen Augen ist nach rechts gewandt. Aus
allen fünf Wunden strömt Blut, auch aus der Seitenwunde (was auf
den Abbildungen beinahe nie zu erkennen ist). Auch die beiden
Schächer sind mit hörizontal ausgestreckten Armen und abgespreiz-
ten Daumen an das Kreuz genagelt. Sie sind nur mit einem Lenden-
schurz bekleidet. Außerdem sind sie über der Brust kreuzweise
mit Stricken gefesselt. Am Fuß des mittleren Kreuzes sitzen drei
losende Kriegsknechte. Links steht Longinus (so durch eine In-
schrift mit griechischen Buchstaben bezeichnet) und stößt seine
Lanze in Christi Seite. Rechts Stephaton mit Schwammstab und
Eimer. Ganz außen die Klagenden, links Maria und Johannes, rechts
 
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