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Kapitel V: Karolingische Kruzifixt.ypen

Zu den wichtigsten Voraussetzungen der ottonischen Kunst und

ihrer Ikonographie gehört die karolingische Kunst, Deshalb müssen

wir uns jetzt einen Überblick verschaffen über die karolingischen

1)

Kreuzigungsdarstellungen und vor allem deren Kruzifixtypen . In
der Buchmalerei sind Kreuzigungsbilder genau so selten wie Szenen
aus dem Leben Christi überhaupt. Dafür wird die Kreuzigung immer
wieder auf Elfenbeinplatten dargestellt. Hinzu kommen Werke der
Goldschmiedekunst und einige geschnittene Bergkristalle. Die
Kreuzigung fehlt völlig in der Buchmalerei von Tours und in der
Hofschule Karls des Großen, der Adagruppe, von deren Evangelien-
zyklus nur die Anfäng*e rekonstruierbar sind . Aus dem reichen
Material muß hier eine Auswahl getroffen werden.

Keine karolingische Kreuzigungsdarstellung läßt sich mit völli-
ger Sicherheit in die Zeit Karls des Großen datieren. Die Elfen-
beine der Adagruppe, der Hofwerkstatt Karls, bilden keine so eng
zusammengehörige und geschlossene Gruppe wie die Handschriften.
Eine genauere chronologische Ordnung ist bis jetzt nicht möglich
gewesen, die letzten Ausläufer dürften erst im zehnten Jahrhun-
dert entstanden sein. In den engeren Bereich der Gruppe gehört
eine Kreuzigung in Berlin (Abb.93), zu der eine Tafel mit den
drei Frauen am Grabe im Bargello gehört yy. Christus schwebt am
Kreuz, die Arme kaum merklich nach oben gestreckt, die Hände ans
Kreuz genagelt. Er trägt einen in der Mitte geschlungenen Schurz
und Sandalen (!). Aus den Handwunden und aus der Seitenwunde in
der Achselhöhle quillt Blut in großen Trauben. Das jugendliche
Haupt ist kaum geneigt, die Augen weit geöffnet. Oben Sol und
Luna trauernd mit gesenkten Fackeln dem Kreuz zugewandt, unten
Maria trauernd, Johannes auf Christus weisend, in der anderen
Hand ein Buch haltend. Der gleiche Kruzifixtyp kommt noch auf
zwei in den weiteren Umkreis und in die Nachfolge der Adagruppe
gehörigen Elfenbeinplatten vor Auf beiden zusätzlich Stepha-
ton und Longinus. Auf der zweiten Platte in Narbonne strömt aus
allen fünf Wunden Blut, unter den Füßen ist ein Suppedaneum ein-
gefügt. Auf den Kreuzarmen als Inschriften die Worte desGekreu-
 
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