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Universität Heidelberg [Editor]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1897 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25133#0042
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1897

Heidelbergeb Akademische Mitteilukgen

Nr. 9

Hoclischiilnaclirichteii.

Heidelberg', 25. Juni 1897.

* Tlieologisclie Fakultät. Als Nachfolger des ver-
storbenen Kirchenrats Prof. Dr. Holsten wurde der Pfarrer
und Lehrer am theologischen Seminar zu Herborn, lic. theol.
A. Deissmann, der früher Privatdozent an der Universität
Marburg war und sich durch verschiedene Schriften um die
theologische Wissenschaft verdient gemacht hat, berufen.
Herr Lic. Deissmann hat den Kuf angenommen und wird
voraussichtlich schon im kommenden Wintersemester hier
exegetische Vorlesungen und Uebungen halten.

* Juristische Fakultät. Herr Dr. Fr. Affolter, der
sich bei der Juristischen Fakultät unserer Hochschule als
Privatdozent liabilitiert, wird seine öffentliche Probe-Yor-
lesung, am Mittwoch, den 30. Juni, nachmittags 5 Uhr, im
Hörsaal Nr. 13 der Universität abhalten. Gegenstand: „Der
Thatbestand im. römischen Reclit“.

* Chemisclie Gesellscliaft. Die zweite Sitzung der
Chemischen Gesellschaft zu Heidelberg tindet Dienstag,
29. Juni, abends 3/48 Uhr im grossen Hörsaale des che-
mischen Universitäts-Laboratoriums statt. Folgende Vorträge
sind angesagt: Prof. V. M eyer und stud. Frenzel: Weitere
Beobachtungen über die Bildung von Sauerstoff bei Reduk-
tionen; stud. Kretzer: Beiträge zur Kenntnis der Jodoso-
säuren; Prof. H. Goldschmidt: Ueber Ester- und Anilid-
Bildung; Prof. Gattermann und Prof. J. A. Koch: Eine
neue Synthese aromatischer Aldehyde; Prof. V. Meyer und
stud. Bottomley: Ueber die Friedel-Crafts’sche Reaktion
bei aromatischen Halogenverbindungen.

Strebebund. Die Vereinigung inaktiver Corpsstudenten
„Strebebund“ hielt in den letzten Tagen ihr neuntes Stif-
tungsfest hier ab. Vertreten waren Bonn (Rhenania 1, Guest-
phalia 2), Erlangen (Bavaria 1), Freiburg (Rhenania 4),
Giessen (Hassia 2, Teutonia 1), Heidelberg (Rhenania 1),
Jena (Frankonia 1), Leipzig (Lusatia 3), Marburg (Hasso-
Nassovia 1), München (Suevia 3, Frankonia 2), Strassburg
(Suevia 1), Tübingen (Frankonia 1, Suevia 1), Würzburg
(Nassovia 1), Zürich (Tigurinia 1). Auch viele alte Herren
nahmen an dem Feste teil. Am Samstag, 19. Juni früh fand
Frühschoppen im Cafe Mai und nachmittags eine Wagen-
falirt durch die Stadt nach Neckargemünd in die Menzer’sche
Weinstube statt. xYbends wurde im Weinzimmer des „Roden-
steiner“ eine Musikkneipe abgehalten, die einen wohlgelunge-
nen Verlauf nahm. Während der Feier liefen zahlreiche
Glückwunschtelegramme von auswärts ein. Am Montag schloss
die Feier, die einen durchaus würdigen Verlauf nahm, mit
einem Frühschoppen im „Rodensteiner“ ab. (H. Tagebl.)

Das VIII. Turnfest tles V. C. zu Gotlia.

(Auszug aus der Gothaischen Zeitung.)

(Fortsetzung.)

Ein Vorzug des V. C. sei es, führte ungefälir der Fest-
redner aus, dass seine Turnfeste nicht bloss von seinen An-
gehörigen gefeiert, sondern sich auch des Besuchs von Gästen
erfreuen würden, deren Anwesenheit mehr sei als der Aus-
druck freundschaftlicher Gesinnung oder gesellschaftlicher
Aufmerksamkeit. Es spreche sich darin die Thatsache aus,
dass die Bewegung, die vom V. C. vertreten werde, eine weit
über die Grenzen der akademischen Welt hinausgehende Be-
deutung liabe. Ausgehend von den Befreiungskriegen stellte
der Festredner die Entwicklung des deutschen Turnens dar,
die für immer an den Namen eines der edelsten und besten
deutschen Männer geknüpft sei, an den Namen Friedrich
Ludwig Jahn. Ein Siegeszug sei es gewesen, den das Turnen
nach den Kriegen in den deutschen Gauen gehalten habe,
aber es sei schmerzlich gewesen, zu sehen, dass eine solche

Bewegung fast durchweg nur die unteren und mittleren Volks-
massen ergriffen habe, nicht wie sonst die sogen. höheren
Klassen, um dann in die Masse des Volks hinabzusickern und
so Gemeingut Aller zu werden. Die Erklärung für diese
auffallende Erscheinung liege nicht so fern. Es sei versäumt
worden, dem Turnen dort Eingang zu verschaffen, wo die
Vertreter der geistigen Arbeit den Grund nicht bloss für
ihre wissenschaftliche Ausbildung, sondern auch für ihre ganze
Lebensauffassung legen würden, auf den Universitäten. Im
Anfang der sechziger Jabre sei diese Versäumnis nachgeholt
worden, und ohne Selbstüberhebung dürfe man sagen, dass
der Einzug des Turnens in die akademische Welt eine neue
Epoche in ihrer Entwicklung bedeute. Zwar hätte die Turn-
sache schon vor 1860 vereinzelt Freunde gefunden, aber als
der Meltau politischer Verfolgung auf die Saat hernieder-
gefallen, da sei, während die grosse Sache in der bürger-
lichen Welt nicht zu vernichten gewesen wäre, das aka-
demische Turnen erstorben. Einzelne Freunde hätten auch
dann noch mitunter zusammen geturnt, aber führte das Ge-
schick sie wieder auseinander, wäre auch das Turnen an der
Hochschule vorbei gewesen. Daraus lernten wir, dass auf
den Universitäten nur dann das Turnen eine Heimstätte finden
könne, wenn es getragen würde von einer Vereinigung, die
in .sich die Gewähr der Dauer trage, das heisse, wie die Ge-
schichte des deutschen Studentenlebens beweise, einer ge-
scblossenen Vereinigung mit all’ den schönen und bedeutungs-
vollen Formen des studentischen Lebens!

Wenn nun die akademischen Turner auch das Kouleur-
prinzip an sich genommen, so seien ihnen damit auch noch
andere, bedeutsame Güter gesichert: Unterordnung des eigenen
Willens unter den eines grösseren Ganzen, Gemeingeist, Un-
erschrockenheit und Entschlossenheit, Ehrgefühl, Selbstbe-
wusstsein auf der einen und Selbstzucht auf der anderen
Seite. Alle diese sittlichen Güter, die deutsche Jünglinge
zu charaktervollen Männern machen würden, seien Besitz der
akademischen Turnvereine geworden, sobaid sie sich ent-
schlossen hätten, das Turnprinzip mit dem Kouleurprinzip
zu lebensvoller Harmonie zu gestalten. Nur allmählich, aber
dann auch mit um so besserem Erfolg, sei der V. C. zu
dieser Erkenntnis gekommen, und wir sähen auch hier, wenig-
stens in kleinem Massstab, das Gesetz der Geschichte sich
wiederholen, dass der Wille der Menschen eine natürliche
und darum notwendige Entwicklung nicht aufzuhalten ver-
möge. Diese Entwicklung näher darzustellen, würde zu weit
führen. Kampf habe es zwar genug gekostet, aber wo Kampf,
da sei auch Leben, und wo Kampf, da sei auch Sieg.
32 Korporationen habe der V. C. in 25 Jahren um sein Panier
gesammelt, die auf allen Universitäten (ausser Giessen) jetzt
vertreten seien. Auch die Thatsache blieb nicht unerwähnt,
dass die Volksspiele im V. C. eine schnelle Aufnahme ge-
funden. Gerade [hier werde es besonders offenbar, dass die
Sache, welcher der V. C. diene, nicht eine Liebhaberei, son-
dern eine Sache von höchster Bedeutung für das deutsche
Volk und Vaterland sei. Mit einem Hinweis auf die Pflichten
eines jeden V. C. Studenten schloss die von allen Seiten mit
lebhaftem Beifall aufgenommene Rede. Neben den anderen
üblichen Reden möge nur noch diejenige eines Mitgliedes
des Zentralausschusses für Volks- und Jugendspiele erwähnt
werden, der herzlichste Glückwünsche, insbesondere vom Vor-
sitzenden, Herrn v. Schenkendorff, überbrachte. Mit elemen-
tarer Gewalt hätten sich die Farben des V. C. auf die deut-
schen Hochschulen verbreitet, alle deutschen Patrioten wären
darüber hocherfreut. Mens sana in corpore sano müsse in der
That das Kennwort für Deutschlands Jugend werden. Wer
den Körper stähle, der stähle auch den Geist, das wolle auch
die Bewegung der Volks- und Jugendspiele, und darum fänden
sie im V. C. ihre treuesten Helfer. Der Turnerei auf deut-
schen Hochschulen gelte sein „Gut Heil“. In echt studen-
tischer Fröhlichkeit verlief dieser glänzende und erhebende
Festkommers. (Schluss folgt.)
 
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