Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

N‘ 174.

Dienſtag, 27. Juli

1852


durch die Poſt bezogen {im amtlichen
Berichte werden gratts beigegeben.
Ausfunft erthetlt, die Spaltzeile in Petitſchrift 2

4 Das erbberechtigte Fürſteuthum
; und die Kirche.
(Schluß.)

Geſchichtlich falſch iſt S, wenn Weiter
behaupiet . wird, „ Die feſteſte Stüße des
erbberedhtigten Thrones ſei früher die Kirche
geweſen; fie habe das Erbrecht an den
Thronen eben ſo gut anerkannt, wie an
jedem andern Eigenthum; fie. habe nie
einen Thronenräuber unterſtuͤtzt..

Die Geſchichte Europa's im Mittelalter
heweist, daß dies nicht immer der Fall war,
daß die Kirche in ihrem Verhältniß zum
Fürſtenthum weit weniger das Erbrecht, als
ibr Intereffe und die Bereitwilligkeit, ihrer
Herrichaft ſich zu unterwerfen, zu Rathe
zog, daß ſie Ufurpatoren gegen rechtmäßige
Fuͤrſten unterſiützte, ja aufreizte, wenn jene
ſich ihr fügſamer erwieſen, als diefe, daß
ſie Söhne gegen die Väter empörte, Völker
gegen die Fürſten. Ein Pabſt war es, der
den unglücklichen. Konradin den Hohenſtau-
ſen, den erbberechtigten Nachfolger im apu-
üiſchen Reich, ſeines Erbes beraubte, es zu-
erft dem trefflichen Ludwig dem Heiligen
anbot, aber die Antwort erhielt: „ſich
fremdes Eigenthums anmaßen, gebe allge-
meinen Anfioß und ſei ſchaͤndlich; Konra-
din's urſprüngliches Recht auf Neapel er-
ſcheine unbeſtreitbar. Pabſt Urban lobte das
zarte Gewiſſen des Königs, ſuchte ihn aber
damit zu beruhigen, daß fa der Pabſt und
feine Brüder, die Karbinäle, die Sachen
beteits genau überlegt hätten, daß ſie alles
auf ihr Gewiſſen uͤchmen und der König
unbeziveifelt glaͤuben könne, nichts werde von
ihm verlangt, was ſeiner Ehre nachtheilig
ſei. Friedrich v. Raumer, kein Feind der
Kirche, fondern ein fehr gerechter Anerken-
ner ihrer ſonſtigen Berdienſte und geſchicht-
lichen Bedentung, bemerkt hiezu: ‚ Diefe
Berufung / nicht auf eine in Staat u. Kirche
zur Entſcheidung vieler Angelegenheiten noth-
wendige boͤchſte Gewalt, ſondern auf eine
Unfehlbarfeit, welche das Gewiſſen der Ein-
zelnen da vertilgen will, wo es eniſcheiden
ſoll/ konnte Den wahrhaft chriſtlich geſinnien
König, trog aller Berehrung der Kirchen-
herrfchaft, nicht in feiner Neberzeugung wan-
fend machen.“ Solche Beifpiele tirchlicher
Beachtung des Erbrechts gibt es nur zu
viele Aber freilich, Hr. 9. 5 weiß ſie iu
erklaͤren und wohl auch zu rechtfertigen.
Ihm zufolge nämlich iſt eigentlich das fuͤrſt-
iiche Erbrecht ein blos menſchliches und wird
erſt durch die kirchliche Anerkennung zu ei-
nem göltlichen Na ihm mußte die Kirche
fuͤr den feſten und unerſchütterlichen Schutz,
den ſie dem erbzerechtigten Throne gewährte,
ihrerſeits Das Reci auf Prufung der ge-
feBlichen Anſpruͤche im ſireitigen Falle in
Auͤſpruch nehmen, und nach dem kanoni-
ſchen Geſetze entſcheiden.“ Ein ſolches
Recht der Kirche, die Schiedsrichterin über
das Erbrecht nach kangniſchen Geſetzen zu
fein, hat niemals das Fürſtenthum im Mit-
telalter anerkaͤnnt und noch weniger fann
Ddermalen davon die Rede ſein. Das Erb-
recht in Beſug auf den Thron, wie auf je:
den . Befig, ift durchaus unabhängig von


2 fl. 13 fr.,

Briefe und Gelder werden franeo erbeten und neue

jeder kirchlichen Sanction und jeder kirch-
iichen Einmiſchung; es i ſt eine Gottesord-
nung, die nicht erſt durch die Kirche Dazu
gem acht zu werden braucht; wie in dieſe
Goitesoͤrduͤung gerade die Kirche, oft ſehr
menſchlichen Motiven folgend, KörenD
eingriff , hat das obige Beiſpiel gezeigt,
wo gerade der weltlichẽ Fürſt das Erbrecht
in Schutz nahm gegen geiſtige Uſurpation.

Sehr . beachtenswerth ſind die weitern
Säße des D, v. F, „DHeutigen Tages
entfcheidet die Kirche nicht mehr,
wer die,erbberechtigtie Obrigkeit ſei
Sbr Kichteramt ſchlaft; fie läßt
daffelbe ruhen, weil kein Fürſtund
kein Bolk daſfelbe mehr anerkennt,
weil Niemand ihren Ausſprüchen
mebr gehorchen würde.“ Aus dieſen
Saͤhen follte döch wohl folgen, daß hei ſo
bewandien. Umftänden das erbberechtigte
Fuͤrſtenthum in der Kirche nur eine ſehr
ſchwaͤche Stüße finden würde, wie früher
unter andern Uniſtänden fie eine fehr zwei-
deutige und unzuverläffige war. Ein Schieds-
richter, dem Niemand mehr gehoͤrcht und
der keine Waffen, weder matertelle, noch
ideelle mehr . hat, um feinem Spruch Kraft
zu geben, i{fi ohne Zweifel mit Recht auf
einen andern Kreis ſeiner Thätigkeit ange-
wiefen, als den auf die Dinge dieſer Welt
ſich beziehenden.

Doch hoͤren wir weiter: „Sie, (die Lirch
fagt freüich: Geherchen der Dbr
feit, aber fie ſchweigt Darüber,
im ſireitigen Falle die berechtiete
Obrigkeit fei Sie Fann und fonnte
nicht anders, ihre Gewalt iſt nur getfitger
Art.;z wenn die Menſchen fich ihren Auss
fprücen nicht mehr freiwillig unterwerfen
wollen, nicht. um Goltes und ſeiner Gebote
willen,.— fie hat keine Nachteſie dazu zu
zwingen, Weil die Fürſten den Mıchter-
fpruͤch die Kirche nicht mehr ‚anerfennen,
{o vermag die Kirche jeßt, au nicht mehr
zu @unften der Zürfen (Dren Unterthanen
gegenüber. einen Nichterfprud zu thunz inz
dem die Fuͤrften ihr Rechlsgewiſſen von
der Autorität der Kirche frei machten, haben
fie auch das RNechtögewiffen hrer Untertha-
nen von der Kirche losgeriſſen. Wer nicht
blind ift, der muß es erfennen, „Daß nur
derjenige Färſt „cinen demantenen
Schild gegen die Bolksfounveräne-
tät hat,, Der, ſeine Krone von der
Kirde zum Lehen empfangen, Dder
fich alg LehnsträgerDer Kirde be-
kennt.“ ——E —

Dieſe Aeußerungen/ obwohl ſie von einer
nicht geringen Vetwoͤrrenheit, der Begriffe
zeitgen, ſind wenigſtens in Ciner Hinfiot
ffar uͤnd verſtändlich; ſie beweiſen welche
Ordnung des Verhaͤitniſſes von Staat und
Kirche diejenigen wenigſens im Auge ha-
ben, die in der Volkshaͤlle eines ihrer be-
deutendſten Orgaͤne anerkennen, und in wel-
chem Sinne, zue Fördexung welcher Zwecke
ein kalholiſch! conſervativer Preßverein ge-
ſtiftet wird, der in erſter Reihe die Unter-
ſtützung eines Organs bezweckt, das ſolche,
mii den Grundlaͤgen erbberechtigter Fuͤr⸗



zIt@ in Geldelberg: 2 fl. 6 Fr.,

yeis Halbjab 3
M 4 Die Landwirthſchaftlichen

digt, und die Kirche, weil ſie nicht die all-
gewaltige Lehnsherrin ſein kann, als ganz
gleichgültig in allen Streitigkeiten zwiſchen
Fuͤrſt und. Volt darſtellt, und als Norm
ihrer Beziehungen zu dem Fürſtenthum nur
ihr jeweiliges Ermeſſen und Intereſſe an-
erfennt, . & iſt bet ſolchen naiven Be-
kenniniſſen freilich ſchwer begreiflich wie
man ſich noch verſprechen mag, mit den
Behauplungen, die Kirche ſei die feßtefte


zu finden, denn wenn fie ihren mächtigen
Beiftand an Bedingungen Fnüpft, wie die
erwaͤhnten, ſo hat der Staat ſich allerdingsS
nichts von ihr zu verſprechen, deun es iſt
eine abfolaͤte Unmöglichkeit, daß irgend ein
europaiſcher Fürſt ſein Recht in dieſer Weiſe
von der Kirche zu Lehen nähme. Nicht einz
mal im' Mittelalter geſchah es, einzelne
Faͤlle auggenommen, gefhweige jetzt. Hof-
fen wir, daß Hr. v. &. nicht im Geiſt der
Kirche geſprochen hat, daß dieſe beſſer ihre
Stellung zum Fürſtenthum und ihre wahre
Aufgabe in dieſer Zeit zu begreifen weiß.
Gruͤndſaͤtze, wie ſie der uͤbereifrige Con-
vertit aufſtellt, ſind mit dem Frieden zwi-
ſchen Staat und Kirche ſchlechthu unver-
einbar, und es wäre von übler Vorbedeu-
lung für eine glückliche Löſung der zwiſchen
ihnen obſchwehenden Fragen wenn man
annehmen dürfte, der beſprochene Artikel
x Kirche anerfannter. Nichts
n Frieden und die Verſtän-

ung d ift es jedenfalls, wenn die
Kirhe ohne Widerſpruch in einem Geiſten
für ſich wirken läßt, der in ſolchen ana-


und die Sienſte von überſpannten Eiferern
ſich gefallen läßt, denen es eben fjowohl an
gründlicher Geſchichtskenntnih/ als klaxem
Denken gebricht, und die, während ſie ihrer
Confeſſion den Sieg über die andere er-
kämpfen wollen, duͤrch ſolche abentheuerliche
Trdumereien innerhalb des Katholieismus
ſelbſt noihwendig das Mißtrauen gegen die
Kirche ſteigern, und zwiſchen ihr und dem
Siaate und erbberechügten Fürſienthum die
Kluftnurerweitern, ſtaltaͤuszufülien. Zweier-
iei Beſtrebungen faͤhren zum Unheil, ein-
mal,_Ddie Erneuerung des Kampfes für Her-
Bellung der vorreformatoxilchen religiöſen Ein-
heit, und dann, das Beſtreben, die Kirche
nicht blos neben, ſondern über den Staatzu
felen. Wer nach dieſen beiden Zwecken
ſirebt, wird keines von beiden erreichen.

Deutſchlaud.
Karlsruhè, 24. Juli. Heute Morgen
fand auf dem Exerzierplatz in Gegenpart
Sr. Koͤnigi. Hobeit des Regenten zu Ehren
des Prinzen von Preußen eine große Parade


die Commandeure und Stabsofftziere um
ſich zu vereinigen und denſelhen ſeine
befondere Zufriebenheit mit den Leiſtungen
der Truppen auszuſprechen. Naͤchmittag um
fünf Uhr reiſte er nach Baden zurück,
woͤhin auch Ihre Königl. Hoheit die Prin-
zeffin von Preußen nad) Beendigung der
Einweihungsfeier wieder zurücgefehtt MAt.

(Badı Lotzg.) Se, Mafeftät DEr König
 
Annotationen