gen auf dem Lande gibt der Verfaſſer des
werthe Winke. ;
Fuͤr größere Grundbeſttzer erſcheint es
ihm von hoher Wichtigkeit wenn ſie ihren
Tagioͤhnerfamilien kleine Wohnungen mit
einem Stück Gartenland gegen einen ab-
zuverdienenden Zins übexließen. Der mora
liſche Einfluß wie der Nutzen für den Ei-
genthümer wäre gleich hoch anzuſchlagen.
Er wird ſich auf ſolche Weiſe leicht das
ganze Jahr hindurch den nöthigen Bedarf
an Arbeitskraͤften ſichern, er iſt als Patri-
arch einer zufriedenen Colonie geachtet und
geliebt, es umgeben ihn keine finſter blicken-
den Proletarier, ſondern ordentliche und ge-
ſittete Ackerleute, und in den Stürmen, der
Zeit braucht er nicht vor den gierigen Hänr
den der eigenen Arbeiter zu zittern. Ia es
wäre ſogar wünſchenswerth für den allge-
meinen Wohlſtand, daß Gemeinden in der
Weiſe Sorge für die ärmeren, dem Tag-
löhnerſtandẽ angehörigen Mitbürger, welche
kein Unterkommen auf größeren Gütern
finden können, übernähmen, daß ſie denſel-
ben auf Gemeindegrundſtücken zweckmaͤßige
Wohnungen errichteten, deren Miethzins
entweder auf Gemeindegut oder bei einem
größeren Beſitzer abverdient werden müßte,
welcher letztere die Buͤrgſchaft für den bei
ihm vorzugsweiſe beſchaͤftigten Arbeiter in
Betreff der Entrichtung des Miethzinſes
übernaͤhme.“
Deutſchland.
Manunheim, 30. Rov. Ueber den be-
reiis gemeldeten Brand im „Ruſſiſchen Hof“
entnehmen wir der B, L. folgendes Nähere:
Unſere neu errichtete Feuerwehr hatte heute
Gelegenheit, ihre Gewandtheit und Tüch-
tigfeit giänzend zu erproben. Im Gaſthofe
des Herrn Kühn zum Ruſſiſchen Hofe brach
heute früh gegen 7 Uhr in einer Speicher-
fammer, in welche ſchon ſeit längerer Zeit
Riemand gekommen war, Feuer aus, welches
im Haufe fo wenig bemerft wurde, daß die
Bewohner erſt durch die Nachbarn von dem
ſie beireffenden Unglücke unterrichtet werden
mußten. Zugleich ſtunden ſchon der Dach-
ſtuhl und die Gaupzimmer der Hinterge-
baude in Flammen; in größter Schnelligs
feit aber waren auch die betr. Civil= und
Militaͤrbehörden auf dem Platze verſammelt,
die Straßen abgeſperrt, die Feuerwehrmän-
ner mit Spritzen und Schläuchen auf dem
brennenden Dache, machten Luft, bargen
den Hausrath, löſchten die Flamme. In
einer Stunde etwa waren fie des Feuers
Meiſter und mit ſo wenig Störung, daß
fchoͤn den Mittag die Gafiwirthſchaft ihren
geordneten Fortgang nehmen konnte. Ein
Feuerwehrmann waͤr mit der Decke eines
Zimmers eingebrochen und von dem nach-
flürzenden Schutte bedeckt worden, wurde
jedoch ohne Schaden zu nehmen wieder her-
vorgezogen. Von welch weſentlichem Ein-
fluffe die Telegraphenverbindung in ähn-
lichen Unfällen fein koͤnne, zeigte ſich heute
augenfällig. Der Unfall wurde, bevor man von
dem Umfaͤnge der Gefahr ſich richtiges Ur-
theil bilden konnte, nach Karlsruhe gemel-
det und in kürzeſter Zeit kam von dort die
Nachricht/ daß zwei Abtheilungen der dor-
tigen. Feuerwehr zur Hilfe erforderlichen
Faͤlls bereit feien. Glücklicher Weiſe war
man derfelben nicht mehr benöthigt, da ohne
allzu großen Schaden die Flamnie gedämpft
wurde
Straubing, 23. Nov. (M. V.) In der
ſogenannten . Erlenmühle, an der Grenze
des kgl. Landgerichts Mittenfels gelegen,
wieder der Muth und die Geiſtesgegen-
wart einer Frau glänzend bewährte! Die
Bewohner der genannten Mühle wurden
naͤmlich von zwei bewaffneten und verwe-
genen Räubern überfallen, worunter man
ben berüchtigten Heigel, auf welchen ſchon
mehrere Jahre vergebens gefahndet wird,
ler wurde zu Boden gefhlagen, deſſen Frau
übermwältigt und gebunden,. dann unter die
Bettlade geftoßenz während nun die Räu-
ber die Käſten erbrachen und nach dem
Gelde ſuchten, gelang es der Mullerin, die
Bande an ihren Händen mit den Zähnen
aufzulöfen, und ſich an ein ſcharf geſchliffe-
nes Beil, welches in ihrer Nähe lag erinz
nernd, ergriff ſie ſelbes und ſtürzte ſich auf
einen der Räuber, dem ſie einen ſo ſtarken
Hieb verſetzte und dergeſtalt verwundete,
daß er zu Boden fiel und nur mit der
groͤßten Mühe von ſeinem Kameraden ver-
buuden und fortgeſchleppt werden konnte,
da die Müllerin unterdeffen Lärm gemacht
hatte. Wahrſcheinlich wird der verwundete
Raͤuber ſeine Frevelthat mit dem Leben
büßen müſſen, indem nach Ausſage Sach-
verſtändiger demſelben eine Hauptpulsader
abgehauen wurde, was aus den großen
Bluiſpuren ſchließen läßt.
Dresden, 1. Dee. Die neueſte Nummer
des halbamtlichen „Dresdener Journals!
ſagt in Bezug auf die Zollfrage: Wir kön-
nen mit Genugthuung verfichern, daß zu
einer befriedigenden Loͤſung der Zollvereins-
wirren jetzt allerdings gegründete Ausſicht
vorhanden iſt, wuͤſſen aber bemerken, daß
die in den Zeitungen in Bezug auf die zu
erwartende Ausgleichung und deren nächſte
Beranlaſſung bereit$ mitgetheilten Specia-
litäten vielfach an Unrichtigkeiten leiden.
Von einer Berichtigung der letzteren glau-
ben wie indeſſen bis dahin abſehen zu kön-
nen, wo dieſe Angelegenheit eine feſtere
Geſtaltung gewonnen haͤben wird.
Berlin, 29. Nov. Wie das „Correfp.-
Bureau“ ſchreibt, ſpricht man von gemein-
ſamen Anordnungen, welche zwiſchen drn
größern deutſchen Staaten in Betreff der
Handhabung der Fremdencontrole verab-
redet ſind. Bis jetzt ſollen Preußen, Oeſter-
reich, Bayern, Sachſen und Baden ſich über
die zu treffenden Maßregeln vereinigt haben.
Es iſt wohl nicht daran zu zweifeln, daß
die übrigen deutſchen Regierungen ſich an-
ſchließen werden.
F Berlin, 30. Nov. Dex Staatsanzei-
ger von geſtern Abend krachte den Wort-
laut der Kede, womit Freiherx . Man
teuffel im Namen Sr. Mafj. die diesmali-
gen Kammern eröffnete. Faß gleichzeitig
mit vieſer Kede erfchien eine Kritik derſel-
ben, in unſern Berliner Zeitungen wobei
bemerfengwerth, daß ſelbſt die unſchuldigen
Leuͤie hinterm „Gießhaufe“ (der, Brapour
in der Breitenfiraße ganz zu geſchweigen)
gen. Man bedauert, daß über den Ver-
trag vom 7, September, überhaupt über
den Sland der Zollvereinsangelegenheit
feine weiteren und beſtimmteren Mit-
theilungen gemacht worden ſind. Auf die-
ſen Tadel iſt woͤhl mit gutem Grund zu
erwiedern, daß naͤch althergebrachter Weife
ſchwebende Fragen und Berhandlungen nicht
voͤrſichtig und wenn man ſo will, nicht unz
beſtimmt genug beſprochen werden kön-
nen. Schweigen iſt eine Kunſt im ſtaatli-
chen wie im individuellen Leben und jene
Ehrlichkeit, die in den meiſten Fällen nichts
anders iſt alg Plumpheit und Ungeſchick,
iſt der ſichere Voͤrläufer einer Niederlage.
Wer Thronreden kritiſiren will muß ver-
ſtehen zwiſchen den Zeilen zu leſen und wer
das verſteht, der kann über die Sympa-
thien und Antipathien unſerex Regierung
ebenſo wenig wie über ihre Wuͤnſche und
Intentionen betreffs der Zollvexeinsangele-
genbeit noch länger in Zweifel ſein. Der
Ausdruck „bedaͤuerlicher Weiſe“ iſt nicht
von ohngefaͤhr an die Spitze des betreffen-
den Paſſus geſtellt und der tauſendfach kund-
gegebene . Wunſch unſers Gouvernements?
Fortdauer und Erweiterung des Zollver-
eins, ohne jene abſonderliche Erwei-
terung deſſelben, die preußiſcherſeits gleich-
bedeutend mit Selbſtmord ſein würde?), —
findet für Jeden der zu leſen verſteht, auch
in der diesmaligen Thronrede ſeinen be-
ſtimmteſten Ausdruck. — Auf die Bedenken
der Kreuzzeitung, die begreiflicherweiſe ge-
gen eine aͤndere Stelle gerichiet ſind, komm'
ſch morgen zurück
Berlin, 30. Nov. In der zweiten Kam-
mer, ſagt die „Nationalzeitung“, waren ge-
ſtern die Parteien durch die Plaͤtze ſchon
ſichtlich geſchieden, und das Uebergewicht
der rechten Seite trat ſehr auffallend her-
vor. Die „Oppoſition“, welche ſich zur Lin-
ken placirte, duͤrfte ſich vortäufig kaum
trennen, wogegen die rechte Seite ſich be-
reits in Fractionen geſchieden haben ſoll,
ohne indeſſen dadurch für die Präſidenten-
wahl, welche man zur Parteifrage mache,
die Stimmen zerſplittern zu laſſen. Die
Rechte wird den Staatsminiſter a. D., Ober-
appellationsgerichtspräſident Uhden, den
Feuerſoeietäisdirector v. Waldbott-Baſſen-
ſeim⸗Bornheim und Provinzialſteuerdirector
Engelmann alg Candidaten für den Präſi-
denten=, reſp. die beiden Vicepraͤſidenten-
poſten aufſtellen.
Halle, 24 Nov. (M. H.) Vorgeſtern
hielt der von den nordamerikaniſchen Luthe-
ranern nach Deutſchland geſchickte Prediger
Wahl aus St. Louis in einem hieſigen
Local einen ſeine Sendung betreffenden
VBortrag, worin er namentlich die Aufforde-
rung an junge Theologen ausſprach/ nach
Amerika zu kommen und dort dem drücken-
den Mangel an Geiſtlichen für die evan-
geliſchen Deutſchen abzuhelfen. Seine Be-
mübungen werden in dieſer Hinſicht ſchwer-
lich einen erheblichen Erfolg haben.
Poſen, 27. Nov. (D.A. 3. Die geſtern
hier ſtattgehabten Gemeinderathswahlen ha-
ben ein für den Deutſchen recht beklagens-
hier herrſchenden Parteiſpaltungen iſt es
nämlich dahin gekommen, daß die Polen
und Juden ſich gegen die chriſtlichen Deut-
ſchen verbunden haben, was die Folge nach
ſich gezogen, daß unter zwölf Cardidaten
nur in der dritten Claſſe drei Deutfche ne-
ben einem Juden, in der erſten Claſſe da-
gegen alle Deutſche durchgefallen und zwei
voͤlen und zwei Juden gewählt worden
ſind. In der zweiten Claffe iſt eine defini-
tive Wahl gar nicht zu Stande gekommen,
und es muß nun zwiſchen vier Deutſchen
und vier Juden eine engere Wahl eintreten,
werden, ſofern die Polen, die nunmehr den
Ausſchlag geben, ihre Stimmen, dem Com-
promiß zufolge, den jüdiſchen Candidaten zu-
kommen laſſen! Dann iſt unſere Stadt vor-
H Wir können unſere Unparteilichkeit in der
ſchwebenden Zoll- und Handelsfrage kaum beſſer
daͤrthun, als durch Aufnahme obigen, aug der Fe-
der eines eußiſch en Patrioten ſtammenden
Ausſpruchs. Möchte doch die Zeit nicht allzu ferne
fein, in der ein deutſcher Bruderſtamm in Gewähs
rung der Wünfche eines andern deutſchen Bruder«
ſtammes keinen / Selbſtmord“ mehr. erblidt! Dies
wir wiffen es — Viele, tedoch keine unbeſteglichen
Hinderniffe entgegen ſtehen. Im Nebrigen fet bier
nur bemerft, daß unfer zeehrter Herr Correfpon-
dent vermöge feiner Stellung in Berlin allerdings
rede geben zu können. Die Red.
werthe Winke. ;
Fuͤr größere Grundbeſttzer erſcheint es
ihm von hoher Wichtigkeit wenn ſie ihren
Tagioͤhnerfamilien kleine Wohnungen mit
einem Stück Gartenland gegen einen ab-
zuverdienenden Zins übexließen. Der mora
liſche Einfluß wie der Nutzen für den Ei-
genthümer wäre gleich hoch anzuſchlagen.
Er wird ſich auf ſolche Weiſe leicht das
ganze Jahr hindurch den nöthigen Bedarf
an Arbeitskraͤften ſichern, er iſt als Patri-
arch einer zufriedenen Colonie geachtet und
geliebt, es umgeben ihn keine finſter blicken-
den Proletarier, ſondern ordentliche und ge-
ſittete Ackerleute, und in den Stürmen, der
Zeit braucht er nicht vor den gierigen Hänr
den der eigenen Arbeiter zu zittern. Ia es
wäre ſogar wünſchenswerth für den allge-
meinen Wohlſtand, daß Gemeinden in der
Weiſe Sorge für die ärmeren, dem Tag-
löhnerſtandẽ angehörigen Mitbürger, welche
kein Unterkommen auf größeren Gütern
finden können, übernähmen, daß ſie denſel-
ben auf Gemeindegrundſtücken zweckmaͤßige
Wohnungen errichteten, deren Miethzins
entweder auf Gemeindegut oder bei einem
größeren Beſitzer abverdient werden müßte,
welcher letztere die Buͤrgſchaft für den bei
ihm vorzugsweiſe beſchaͤftigten Arbeiter in
Betreff der Entrichtung des Miethzinſes
übernaͤhme.“
Deutſchland.
Manunheim, 30. Rov. Ueber den be-
reiis gemeldeten Brand im „Ruſſiſchen Hof“
entnehmen wir der B, L. folgendes Nähere:
Unſere neu errichtete Feuerwehr hatte heute
Gelegenheit, ihre Gewandtheit und Tüch-
tigfeit giänzend zu erproben. Im Gaſthofe
des Herrn Kühn zum Ruſſiſchen Hofe brach
heute früh gegen 7 Uhr in einer Speicher-
fammer, in welche ſchon ſeit längerer Zeit
Riemand gekommen war, Feuer aus, welches
im Haufe fo wenig bemerft wurde, daß die
Bewohner erſt durch die Nachbarn von dem
ſie beireffenden Unglücke unterrichtet werden
mußten. Zugleich ſtunden ſchon der Dach-
ſtuhl und die Gaupzimmer der Hinterge-
baude in Flammen; in größter Schnelligs
feit aber waren auch die betr. Civil= und
Militaͤrbehörden auf dem Platze verſammelt,
die Straßen abgeſperrt, die Feuerwehrmän-
ner mit Spritzen und Schläuchen auf dem
brennenden Dache, machten Luft, bargen
den Hausrath, löſchten die Flamme. In
einer Stunde etwa waren fie des Feuers
Meiſter und mit ſo wenig Störung, daß
fchoͤn den Mittag die Gafiwirthſchaft ihren
geordneten Fortgang nehmen konnte. Ein
Feuerwehrmann waͤr mit der Decke eines
Zimmers eingebrochen und von dem nach-
flürzenden Schutte bedeckt worden, wurde
jedoch ohne Schaden zu nehmen wieder her-
vorgezogen. Von welch weſentlichem Ein-
fluffe die Telegraphenverbindung in ähn-
lichen Unfällen fein koͤnne, zeigte ſich heute
augenfällig. Der Unfall wurde, bevor man von
dem Umfaͤnge der Gefahr ſich richtiges Ur-
theil bilden konnte, nach Karlsruhe gemel-
det und in kürzeſter Zeit kam von dort die
Nachricht/ daß zwei Abtheilungen der dor-
tigen. Feuerwehr zur Hilfe erforderlichen
Faͤlls bereit feien. Glücklicher Weiſe war
man derfelben nicht mehr benöthigt, da ohne
allzu großen Schaden die Flamnie gedämpft
wurde
Straubing, 23. Nov. (M. V.) In der
ſogenannten . Erlenmühle, an der Grenze
des kgl. Landgerichts Mittenfels gelegen,
wieder der Muth und die Geiſtesgegen-
wart einer Frau glänzend bewährte! Die
Bewohner der genannten Mühle wurden
naͤmlich von zwei bewaffneten und verwe-
genen Räubern überfallen, worunter man
ben berüchtigten Heigel, auf welchen ſchon
mehrere Jahre vergebens gefahndet wird,
ler wurde zu Boden gefhlagen, deſſen Frau
übermwältigt und gebunden,. dann unter die
Bettlade geftoßenz während nun die Räu-
ber die Käſten erbrachen und nach dem
Gelde ſuchten, gelang es der Mullerin, die
Bande an ihren Händen mit den Zähnen
aufzulöfen, und ſich an ein ſcharf geſchliffe-
nes Beil, welches in ihrer Nähe lag erinz
nernd, ergriff ſie ſelbes und ſtürzte ſich auf
einen der Räuber, dem ſie einen ſo ſtarken
Hieb verſetzte und dergeſtalt verwundete,
daß er zu Boden fiel und nur mit der
groͤßten Mühe von ſeinem Kameraden ver-
buuden und fortgeſchleppt werden konnte,
da die Müllerin unterdeffen Lärm gemacht
hatte. Wahrſcheinlich wird der verwundete
Raͤuber ſeine Frevelthat mit dem Leben
büßen müſſen, indem nach Ausſage Sach-
verſtändiger demſelben eine Hauptpulsader
abgehauen wurde, was aus den großen
Bluiſpuren ſchließen läßt.
Dresden, 1. Dee. Die neueſte Nummer
des halbamtlichen „Dresdener Journals!
ſagt in Bezug auf die Zollfrage: Wir kön-
nen mit Genugthuung verfichern, daß zu
einer befriedigenden Loͤſung der Zollvereins-
wirren jetzt allerdings gegründete Ausſicht
vorhanden iſt, wuͤſſen aber bemerken, daß
die in den Zeitungen in Bezug auf die zu
erwartende Ausgleichung und deren nächſte
Beranlaſſung bereit$ mitgetheilten Specia-
litäten vielfach an Unrichtigkeiten leiden.
Von einer Berichtigung der letzteren glau-
ben wie indeſſen bis dahin abſehen zu kön-
nen, wo dieſe Angelegenheit eine feſtere
Geſtaltung gewonnen haͤben wird.
Berlin, 29. Nov. Wie das „Correfp.-
Bureau“ ſchreibt, ſpricht man von gemein-
ſamen Anordnungen, welche zwiſchen drn
größern deutſchen Staaten in Betreff der
Handhabung der Fremdencontrole verab-
redet ſind. Bis jetzt ſollen Preußen, Oeſter-
reich, Bayern, Sachſen und Baden ſich über
die zu treffenden Maßregeln vereinigt haben.
Es iſt wohl nicht daran zu zweifeln, daß
die übrigen deutſchen Regierungen ſich an-
ſchließen werden.
F Berlin, 30. Nov. Dex Staatsanzei-
ger von geſtern Abend krachte den Wort-
laut der Kede, womit Freiherx . Man
teuffel im Namen Sr. Mafj. die diesmali-
gen Kammern eröffnete. Faß gleichzeitig
mit vieſer Kede erfchien eine Kritik derſel-
ben, in unſern Berliner Zeitungen wobei
bemerfengwerth, daß ſelbſt die unſchuldigen
Leuͤie hinterm „Gießhaufe“ (der, Brapour
in der Breitenfiraße ganz zu geſchweigen)
gen. Man bedauert, daß über den Ver-
trag vom 7, September, überhaupt über
den Sland der Zollvereinsangelegenheit
feine weiteren und beſtimmteren Mit-
theilungen gemacht worden ſind. Auf die-
ſen Tadel iſt woͤhl mit gutem Grund zu
erwiedern, daß naͤch althergebrachter Weife
ſchwebende Fragen und Berhandlungen nicht
voͤrſichtig und wenn man ſo will, nicht unz
beſtimmt genug beſprochen werden kön-
nen. Schweigen iſt eine Kunſt im ſtaatli-
chen wie im individuellen Leben und jene
Ehrlichkeit, die in den meiſten Fällen nichts
anders iſt alg Plumpheit und Ungeſchick,
iſt der ſichere Voͤrläufer einer Niederlage.
Wer Thronreden kritiſiren will muß ver-
ſtehen zwiſchen den Zeilen zu leſen und wer
das verſteht, der kann über die Sympa-
thien und Antipathien unſerex Regierung
ebenſo wenig wie über ihre Wuͤnſche und
Intentionen betreffs der Zollvexeinsangele-
genbeit noch länger in Zweifel ſein. Der
Ausdruck „bedaͤuerlicher Weiſe“ iſt nicht
von ohngefaͤhr an die Spitze des betreffen-
den Paſſus geſtellt und der tauſendfach kund-
gegebene . Wunſch unſers Gouvernements?
Fortdauer und Erweiterung des Zollver-
eins, ohne jene abſonderliche Erwei-
terung deſſelben, die preußiſcherſeits gleich-
bedeutend mit Selbſtmord ſein würde?), —
findet für Jeden der zu leſen verſteht, auch
in der diesmaligen Thronrede ſeinen be-
ſtimmteſten Ausdruck. — Auf die Bedenken
der Kreuzzeitung, die begreiflicherweiſe ge-
gen eine aͤndere Stelle gerichiet ſind, komm'
ſch morgen zurück
Berlin, 30. Nov. In der zweiten Kam-
mer, ſagt die „Nationalzeitung“, waren ge-
ſtern die Parteien durch die Plaͤtze ſchon
ſichtlich geſchieden, und das Uebergewicht
der rechten Seite trat ſehr auffallend her-
vor. Die „Oppoſition“, welche ſich zur Lin-
ken placirte, duͤrfte ſich vortäufig kaum
trennen, wogegen die rechte Seite ſich be-
reits in Fractionen geſchieden haben ſoll,
ohne indeſſen dadurch für die Präſidenten-
wahl, welche man zur Parteifrage mache,
die Stimmen zerſplittern zu laſſen. Die
Rechte wird den Staatsminiſter a. D., Ober-
appellationsgerichtspräſident Uhden, den
Feuerſoeietäisdirector v. Waldbott-Baſſen-
ſeim⸗Bornheim und Provinzialſteuerdirector
Engelmann alg Candidaten für den Präſi-
denten=, reſp. die beiden Vicepraͤſidenten-
poſten aufſtellen.
Halle, 24 Nov. (M. H.) Vorgeſtern
hielt der von den nordamerikaniſchen Luthe-
ranern nach Deutſchland geſchickte Prediger
Wahl aus St. Louis in einem hieſigen
Local einen ſeine Sendung betreffenden
VBortrag, worin er namentlich die Aufforde-
rung an junge Theologen ausſprach/ nach
Amerika zu kommen und dort dem drücken-
den Mangel an Geiſtlichen für die evan-
geliſchen Deutſchen abzuhelfen. Seine Be-
mübungen werden in dieſer Hinſicht ſchwer-
lich einen erheblichen Erfolg haben.
Poſen, 27. Nov. (D.A. 3. Die geſtern
hier ſtattgehabten Gemeinderathswahlen ha-
ben ein für den Deutſchen recht beklagens-
hier herrſchenden Parteiſpaltungen iſt es
nämlich dahin gekommen, daß die Polen
und Juden ſich gegen die chriſtlichen Deut-
ſchen verbunden haben, was die Folge nach
ſich gezogen, daß unter zwölf Cardidaten
nur in der dritten Claſſe drei Deutfche ne-
ben einem Juden, in der erſten Claſſe da-
gegen alle Deutſche durchgefallen und zwei
voͤlen und zwei Juden gewählt worden
ſind. In der zweiten Claffe iſt eine defini-
tive Wahl gar nicht zu Stande gekommen,
und es muß nun zwiſchen vier Deutſchen
und vier Juden eine engere Wahl eintreten,
werden, ſofern die Polen, die nunmehr den
Ausſchlag geben, ihre Stimmen, dem Com-
promiß zufolge, den jüdiſchen Candidaten zu-
kommen laſſen! Dann iſt unſere Stadt vor-
H Wir können unſere Unparteilichkeit in der
ſchwebenden Zoll- und Handelsfrage kaum beſſer
daͤrthun, als durch Aufnahme obigen, aug der Fe-
der eines eußiſch en Patrioten ſtammenden
Ausſpruchs. Möchte doch die Zeit nicht allzu ferne
fein, in der ein deutſcher Bruderſtamm in Gewähs
rung der Wünfche eines andern deutſchen Bruder«
ſtammes keinen / Selbſtmord“ mehr. erblidt! Dies
wir wiffen es — Viele, tedoch keine unbeſteglichen
Hinderniffe entgegen ſtehen. Im Nebrigen fet bier
nur bemerft, daß unfer zeehrter Herr Correfpon-
dent vermöge feiner Stellung in Berlin allerdings
rede geben zu können. Die Red.