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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1272
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ben Augenblick nahm er auch ſchon den Vor-
mund bei der Hand, bat ihn, ein paar Worte
mit ihm allein zu fprechen, und beide begaben
ſich in ein anſtoͤßendes Cabinet. Hier bot ihm
der Vormund, der des Königs Abſicht wohl
errieth und iht zuvorkammen wollte, mit vie-
ler Artigkeit die Hand ſeiner Mündel für d Au-
bigné an. Heinrich antwortete ihm darauf mit
ſo vieler Gutmüthigkeit, daß er die Verlegen
heit, in der ſich der Vormund befand, völlig
zerſtreute. Nun wurde Fräulein v. Lepeh ge-
rufen, deren Dankbarkeit nicht genug Worte
finden konnte, beſonders da ſie erfuhr, wie er
ihren Boten, um ihn als Wegweiſer zu brau-
chen und überdies, um die Ueberraſchuͤng voll-
ſtändig zu machen, bei ſich zurückbehalten, wie
er zu gleicher Zeit eilig die nöthigen Befehle
zur Veranſtaltung des Feſtes gegeben, die Gäſte
geladen und ſoeben die Einwilligung des Vor-
munds erwirkt habe. Auch d Aubigné wird
bald hier fein. Ich ließ ihn ebenfalls einladen,
ohne daß er weiß, wen er hier finden wird
und zu welchem Zweck man ihn einlud. Kom-
men Sie! Er foll uns in voller Heiterkeit
ſinden.

Mit dieſen Worten bot Heinrich dem Fräu-
lein ſeinen Arm an und führte ſie in den
Tanzfaal zurück, wo er ſich jedermann liebens-


Munterkeit und Artigkeit, die Männer aber
durch ſeine Leutſeligkeit einzunehmen wußte.
Beſonders ſchienen ſeine gefälligen Manteren
dem zierlichen Dampiere zu gefallen, welcher,
ſchon getröſtet und fogar von neuem in ein
anderes Fräulein verliebt, die allgemeine Fröh-
lichkeit aufrichtig theilte und ohne Anſtrengung
ſo wie ohne Verdruß eine ſehr großmüthige
Rolle ſpielte.

Endlich erſchien auch d’Aubigne. Das war
ein großes Ereigniß für die ganze Geſellſchaft.
d Aubigne wußte ſich vor Erſtaunen und Freude
nicht zu faffen, als er den König erblickte, der


v. Leßeh tanzte! Außer ſich drang er mitten
durch das Tanzgewühl, um ſich ihm zu Füßen
zu werfen! Der Nönig, welcher noch die zit-
ternde Hand des Fräauleins in der feinigen
hielt, hob feinen Freund raſch auf, umarmte
ihn mit Zärtlichkeit und vereinigte ihn mit ſei-
ner Geliebten. ;

Bei dieſem Anblick hielten alle Tänzer inne
und ſogar die Muſik auf der Tribüne ſchwieg
für einige Zeit; denn alle Anweſenden nahmen
Theil an der rührenden Scene, die ihnen die
Gefühle der innigſten Verehrung für Heinrich
einflößte. Dieſer lud nun die gaͤnze Geſell-
ſchaft auf den folgenden Tag zu der von ihm
bereits mit großem Aufwand verbereiteten Ver-
mählung des glücklichen Paares ein. Alles
jubelte, niemand ſchlug die Einladung aus und
am folgenden Tag boten ſich Armuth und Pracht
die Hand. Jeder Rangunterſchied mußte vor
der Liebe zurückweichen; jedermann bewunderte
des Koͤnigs Perſon und Herz, die ſelbſt den.
Glanz ſeiner angeflammien Würde verdunkelte.
Alles ſprach in feiner Gegenwart mit Trun-
kenheit von ihın, ohne daran zu denken ihn
zu loben. Und auch wir ſchließen den Ab-
ſchnitt unſerer Erzählung mit einer Bemerkung,
der gewiß die Mehrzahl unſerer Leſer beiſtimmt:
Ein ſolcher Fürſt verdiente wirklich Freunde
zu haben.

22

Und Sie ſind nun glücklich? fragte der
König den d Aubigné eintge Wochen nach deſ-
ſen Vermablung mit Sufanna v. Lepey. —
Sire, entgegnete dieſer, ich halte es für un-
meglich/ daß jemand auf Erden ſeliger werden
kann, als ichs an der Seite meiner jungen
Gattin bin, und Sie ſelbſt waren der Schoͤp—
fer meines irdiſchen Himmel8 , .. — Schon

gut! unterbrach ihn jener. Ich that nur meine
Schuldigkeit. Waͤhrend ich an meines Groß-
vaters Mitgift gedacht, hätte ich bald den Freund
um ſeine Braut gebracht. Das ging doch nicht
an! Als ich von den Verlegenheiten hörte, die
Ihnen durch die Verbannung bereitet worden
waren, konnte ich wohl nichts anderes thun,
als was ich gethan hHabe. Nun, Katharina
wird Sie künftig nicht mehr verfolgen. — So
höre ih, Sire! ſie ſoll mit den Guiſen nicht
mehr am beſten ſtehen und durch ſehr ernſte
Sorgen niedergedruckt fein. Ihr eigener Sohn,
heißt e8, liege mit ihr im Streit. — So ifl’8,
ſonſt wären meine Pflichten gegen das Land
und gegen den Freund in argen Zwieſpalt ge-
rathen. Ach! unnatürliche Thaten nehmen ſtets
ein unnatürliches Ende.
rinas Verwandter! — Sire, dies beängſtigt
Sie doch nicht! Der verglimmende Stern Va-
lois geht unter und an ſeiner Stelle wird bald
die reine Sonne von Bourbon heiter ſtrahlen.
— Ich meine nicht die Verwandtſchaft, in der
ich durch meine Geburt zu Katharina ſtehe;
aber ihre Tochter iſt mein Weib! — Sire,
entgegnete d Aubigné verlegen, der des Königs
Kummer wohl kannte und jetzt deſſen Abſicht
zu aͤhnen begann. — Aubigné, fuhr dieſer fort,
Sie wiſſen, daß ich einſt, kaum den Kinder-
jahren entwachſen in meine Vermählung mit
Margaretha willigte, weil man mir vorge
ſpiegelt hatte, daß ich dadurch Frankreich den
Frieden erkaufen könnte — Leider aber brachte
jene Vermählung uns nur die Bartholomäus-
nacht im Gefolg langer Bürgerkriege. Und
mir noch weit ſchlimmere! Ich, deſſen Leben
ohne Liebe freudenleer iſt, bin an ein Weib
gebunden, das mich nicht liebt, das ich nicht
aͤchten kann! Margaretha, jedes weiblichen Zart-
gefühls baar, lebt fern von mir in Paris all
den verderblichen Vergnügungen, in welchen
der Hof ihrer Mutter untergeht. So lange
dieſe mächtig war und ich mein Leiden als ein
Opfer für das Land betrachten konnte, ſchwieg
ich — länger aber kann ich meine Qual nicht


nete Aubigne, der den Schluß der angefange-
nen Frage nicht auszuſprechen wagte. — Ja,
ich will mich von Margaretha ſcheiden! Sie


der! — Warum leider? was haben Sie an ihr
zu tadeln? — O nichts, Sire! ſie iſt das
ſchoͤnſte und beſte Weib der Welt! nur Sie hät-
—— TT E
Sie Ihre Gaͤttin verſtoßen wollen, um ſich
mit der Gräfin zu vermählen. — Ich will dar-
über nur Ihren Rath hören, entgegnete Hein-
rich, und zählte in einer langen Rede nun die
Beiſpiele von dreißig Fürſten aus früheren Zei-
ten auf, die ihr Gluͤck in der Verbindung mit
einer Ünterthanentochter gefunden; dieſen ſtellte
er eben ſo viele andere entgegen, die ſich durch
vornehme Verbindungen entweder häusliches
Elend zugezogen oder ihren Thron in Gefahr
gefetzt und fich den Voͤlkern verächtlich gemacht
jatten; zum Schluß ſchalt er die Ungerechtigkeit
derer, die weil ſie ſelbſt ehne Feuer ſeien, die
Handlungen feuriger Menſchen immer nur nach
ſtrengen Vernunftgründen beurtheilen.
Sbgleich v’Aubigne dem König, als dem
Gründet ſeiner Vermählung mit Fräulein v
Lepey, ſein Glück verdankte, beſchloß er doch
frei zu teden, und begann damit, die niedrigen
Schmeichler zu taveln, welche die Geſchichte,
die einzige Lehrmeiſterin und Richterin der
Fürſten nur dazu mißbrauchen, die Fürſten
zu verführen. Solche Schmeichler ſeien Ver-
drecher, welche mit kaltem Blut Rathſchläge
ertheilten, die nur die Leidenſchaft entſchuldigen
könne! Dann fuhr er fort! Die aufgezählten
Beiſpiele ſind treffend und fchön; aber, Sire,
ſie beweifen nichts für Sie. Oie Fürſten, welche


Sie anführen, waren auf ihren Thronen be= .
feſtigt; Sie haben nichts als Anſprüche und
Hoffnungen; fene lebten im Frieden, Sie
find in Krieg verwickelt; die erſteren waren
frei von Feinden, Ste ſind von Verräthern
umringt; jene hatten ſich durch große Thaten
das Recht erworben, außerordentliche Schritte
zu thun, Sie ſehen ſelbſt, daß Sie mit all
Ihrer Tapferkeit ſich noch nicht einmal Nach-
ſicht wegen gewöhnlicher und ſogar geſetzmaͤßiger
Haͤndlungen haben verſchaffen Fönnen. Es iſt
unſtreitig eine gleichgültige Sache für den Staat,
ob der Fürſt ſich mit feines Gleichen oder mit
einer Unterthanin vermählt, aber das Vorur-
theil iſt wider Sie! Insgeheim mögen Sie
immer darüber ſpotten; Öffentlich müffen Sie
es ehren. Wozu aͤnders ſind Sie KNönig, alg
um ununterbrochen Ihren Geſchmack und Ihre
Neigungen der öffentlichen Ruhe und dem öf-
fentlichen Anſtand zum Opfer zu bringen Der
Großherr, ſagen Sie, heirathet ja ſeine Scla-
vin; aber regieren Sie denn über Muſelmän-
ner? Ich ſehe in Ihnen, Sire, vier verſchiedene
Perſonen! Heinrich von Bourbon, den König
von Navarra, den Kronerben von Frankreich
und den Protector der Hugenotten. Jede die?
ſer Verſonen hat ihre verſchiedenen Diener,
deren Intereſſe verſchieden iſt. — Recht ſchön
geſprochen, entgegnete Heinrich wehmüthig und
kleinlaut. Sie bedanken fih für meine Ver-
mittlung Fhrer Liebe damit, daß Sie mich
an einer Vermählung nach meinem Sinn hin-
dern. — Sire! fiel d Aubigné ein, verkennen
Sie nicht, was meine Pflicht mir gebietet. Ich
denke an Frankreich und an den Troubadour
aus Ihres Großvaters Teſtament:

Vater d'Albret kann nicht ſchlafen,

Ruft noch aus dem Grabe laut:

Auf, erkämpf' der Väter Erbe!

Auf, erkämpfe Deine Braut! “

Sive, Ihre erſte Liebe gehört dem Vater
land, gehört einem unglücklichen Bolk, das
ſchon jetzt mit Sehnſucht auf den Regierungs-
antritt des beſſern Fürſten harrt! Wie würde
ganz Frankreich ſchreien, wenn es in dem Manne,
der, um daſſelbe zu beherrſchen, damit anfan-
gen foll, ſich ſelbſt zu beberrfhen, den Sela-
ven eines Weibes erblickte? Und — warum
ſoll ich's Ihnen verbergen? Ihr Glück muß
erſt gemacht werden, e8 hängt von der fort-
dauernden Neigung derer ab, Ddie durch Die
Baͤnde der Freundſchaft, der Hoffnung und der
Pflicht an Sie gefeſſelt find. Hüten Sie ſich
dieſe Bande zu zerreißen, indem Sie alle Herz
zen von ſich entfernen.

Sie lieben! fuhr d'Aubigné fort; ich ſelbſt
haͤbe die Macht der Liebe zu ſehr gefühlt, um
mich gegen Ihre Leidenſchaft aufzulehnen: er-
halten Sie dieſe Liebe! Aber um ſich ihrer zu
erfreuen, ſuchen Sie ſich ihrer Gebieterin wür-
dig zu machen! erwerben Sie ſich durch Ar-
beiten, Anſtrengungen, gelungene Thaten und
durch die Demuͤthigung aller Ihrer Feinde das
Recht, ſich ohne Furcht und Erroͤthen mit Ihr
zu verbinden. Gortſetzung folgt.)

Vermiſchtes.

F (Eine ſeltene Erſcheinungfür
Giefige Gegend.) Am 3, d wurde zwi-


Backofen am Rheine, durch den Jagdaufſeher
des Herrn Stabshalter Gieſer vom Grenz-
hof, ein fehr ſchoͤner und großer Seeadler ge:
ſchöſſen. Derſelbe mißt in der Flügelbrelte
ftarf 8 Fuß. —

Verantwortlicher Redacteur: A, Miekher. _

Druͤck und Verlag von G. Retchard.
 
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