*
Sonntag, den 2——
1852
Italien.
Turin, 17, Febr. Tagen
hält die Kammer keine Sitzungen und man
erwartet nun ſeden Zag, daß, fie durch
briefliche Zufendungen zuſamwenberufen wer
den wird um das königl. Decret über den
Schluß der Seſſion zu vernehmen. Nad-
haltig iſt das Gerücht im Umlanf, deß Dr.
. Galvagno, Miniſter des
Demifiion erhalten werde. Man bezeich-
neie ihn als künftigen Generaladoocgten
bet dem Turiner Caſſationshofe. — Aus
einem Schreiben von Vincenzo Gioberti
aus Paris an einen ſeiner hieſigen Freunde
erfahren wir/ daß dieſer piemonteſiſche Stgats-
manı ſich nicht mit der franzöſiſchen Poli-
tik zu befreunden vermag und deßhalb nach
London überſiedeln will, wo er bereits frü-
her längere Zeit gelebt.
Aus Koni ſchreibt man der „Kölniſchen
3t.“: Waͤhrend die Regierung nicht nur
im laͤteranenſiſchen Valafte ein Mufeum
chriſtlicher Alterthümer neu anzulegen be-
ſchloſſen hat, ſondern auch fortfährt, die
vooͤrtige Sammlung claſſiſcher Monumente
durch Aufſtellung neuer Denkmäler zu ver-
mehren, hat die Munieſpalität auf beſon-
deren Antrieb des bekannten Antiquars Ves-
covalt die Errichtung einer neuen ſtaͤdti-
ſchen Sammlung in Angriff henommen-
welche vorzugsweiſe inſchriftliche Denkmäler
umfaͤffen wird. Den Grund dazu hat man
dadulch gelegt, daß man die Über 200 theils
Yateinifche, theils griechiſche Inſchriften und
mehrere nicht unwichtige Sarkophage ent-
haltende Saͤmmlung des verſtorbenen Pro-
feffors Sarti gegen eine monatliche ı bez
iractlicdhe ‘ Penfion von deſſen Schweſter
angefauft hat. Da das eigentliche ſtädtiſche
Muͤſeum, das capitoliniſche, für dieſen Zu-
waͤchs keinen Platz haben würde, ſo will
man mit jenem Erwerbe alle die Monu-
mente vereinigen, welche ſonſt noch in Ma-
gazinen oder anderswo zerſtreut und dem
Untergang Preis gegeben, umhexliegen.
Schentunzen werden aͤuch nicht fehlen, ſo-
hald einmal ein Vereinigungspunk gegeben
ift, und es iſ daher vorauszufehen, daß
Rom in nicht langer Zeit eine neue bedeu-
tende Sammlung wird erwachſen ſehen.
Man beſchäftigt ſich bereits damit, die Ges
genſtände probiſoriſch in einem Gemaͤche
des Conſerdatorenpalaſtes unterzubringen.
Neapel. Dem Er Miniſter Poerio iſt
die Ericicherung geworden, ohne Kettenbe-
laͤſtung mehrere Stunden täglich ſpazieren
gehen zu dürfen Mehreren andexen poli-
iiſchen Verurtheilten hat der König die
Strafe nachgefehen oder gemildert, unDd der
neue Polizeiminifter ſol Ddem' Könige die
Infreibeitfeßung von 300 Gefangenen, un-
ter welchen Poerto, warm anempfohlen ha-
ben. Darauf dürfte ſich für jetzt das Ge-
Tücht von einer Generalaͤmneſtie beſchränken.
Nach Berichten, die der Regierung zu⸗—
Tamen, dauern in Meffina die Erditöße
fort. - In der Nacht vom 27, auf den 28.
verſpürie man 3 Stöße und die %ebölfie:
rung campirte im Freien. Auch in Neagio,
Monleone, Melft und Lavello verſpürte
man fortwährend Erdftöße, }
Aus Oberitalien, 19. Febr. Eine neue
Verfuͤgung des öſterreichiſchen Cultusmini-
fteriumg erhebt die deutſche Sprache auf
allen iialieniſchen Gymnaſten zu einem obli-
gaten Lehrgegenſtand; eben fo wird auch
ſſtuhl dafür errichtet, auch müſſen die Can
didaten für ſaͤmmiliche Verwaltungsſtellen
eine‘ Prüfung in der deutſchen Spraͤche ab-
legen, od ſfle derſelben zum Sprechen und
Schreiben mächtig ſind. Alle dieſe ſehr ſach-
gemäßen Vorſchriften ſind wenigſtens mit-
telbar dem Einfluſfe des geiſtesfriſchen Mar -
deutfche Eleinent den kräftigſten Vertreter
hat. Ueberhaupt haben wir dem Staats-
mann Radetzky kaum weniger zu danken als
dem Soldaten Radetzty! Die Thaten des
Staatgsmannes ſind zwar nicht ſo in die
‚Yugen fallend als die des Soldaten, „ aber
darum nicht von geringerer Wichtigkeit. Bis
auf die Augen und Füße, die beide ſchwoch
zu werden beginnen, erfreut ſich übrigens der
/ alte Herr vollkommener Geſundheit, vorzüg-
lich find Geiſt und Gemüth unvergleichlich
friſch und thätig-
Die diesfährige Aushebung iſt ganz auf
den Friedensfuß geſtellt und läßt die Neduc-
tion der Armee in Italien um wenigſtens
20,000 Mann mit Zuͤverſicht erwarten. Jetzt
duͤrfte ihre Stärke noch immer 140,000 M.
betragen, wovon aber nahe an 30,000 auf
die Garniſonen im Kirchenſtaat, Toscana
und den Herzogthümern fallen.
Türkei.
Von der untern Donau, 11. Febr.
wird dem „C. BL“ gelchrieben. Der Ver-
kehr zwiſchen der Militärgrenze und Unter-
terbooͤnien iſt gaͤnz abgebrochen Auch ver-
nehme ich alg zuverläffig, daß Öfterreicht-
ſche Unterthanen, die in Handelsgeſchäften
oder als Holzarbeiter auf bosniſchem Ge-
biete verweilten, unter Escorte an die Save
geſchafft und zur Rückkehr auf den Sfter:
reichiſchen Boden gezwungen wurden. Neber
die Gründe diefes feindfeligen Verfahrens
curſtren verſchiedene @erlüchte, Zu Denen,
die mit der Conſecturalpolitik nichts gemein
haben, gehört in erſter Linie das Gerücht
daß man einer Verſchwörung der Rajah
auf die Spur gekommen ſei und durch eine
ſtrenge Grenzbewachung Fluchtverſuchen vor
zubeuͤgen ſuche.
Feuilteton.
Ein deutſcher Edelmann.
Gortſebung)
Durch die mit verſchwenderiſcher Pracht
ausgeſtatteten Säle der Hotels Epernon wogte
ein buntes Maskengewimmel! Die hohen Spie-
gelwände, welche die unzählbaxen Kerzen und
Lampen und die hundert und aberhundert fan-
taſtifchen Geſtalten widerſpiegelten! verwaͤndel-
ten jeden Saal in einen Feenpalaſt. Wer aus
der finſteren Nacht plötzlich in dies märchen-
hafte Leben der taghellen Räume einkrat, blieb
einige Secunden überraſcht und verwirrt ſtehen
— die prächtig geſchmückten, ſeltſamen Figuren,
welche froͤhlich plaudernd und lachend auf und
nieder wandelten, die füßen Töne der Mufik,
die wie Sirenengeſang aus der Ferne herüber-
webten, die köſtlichen Düfte, welche den leuch-
tenden Blüthen der hohen Topfgewachſe ent-
ſtrbmten und das Meer von Licht und Glanz,
velches über dem allem lag umſtrickten die
Sinne mit einem wunderbaren Zauber.
Es war ein Masfkenball, den der Oraf v.
Epernon zu Ehren der Vermählung feiner
Schweſter mit dem Marquis v Villefort ver-
anſtaltet hatte und den die angeſehenſten Per-
ſonen vom Hof durch ihre Gegenwart verherr-
[ichten. Der Oraf v.. Armentiere8, die Marz
quife, . Remoulius und Adalbert befanden ſich
ebenfall8 dort. Der leßtere,. der ein einfache8
ſchwarzes ſpanifches Koftum, trug, , Fannte die
Maske der Marquife nicht und gab ſich alle
QMübe, die majeſtaͤtiſche Geſtalt verfelben unter
all den KRittern;, Cdelfrauen, Zürken, Cärtne-
rinnen, Wilden, Mönchen, Nonnen Negyptern,
griechiſchen und , römifchen Göitern und Göt-
tinnen,. Chinefen und Zigeunerinen zu entdecken.
Lange mar ſein Suchen vergeben8; endlich aber
gewahrte er in der Ferne einen ſtattlich geklei-
Feien! Mufelmann, welchet ‚eine Griechin und
ein reizend gekleidetes Gaͤrtnermädchen am Arm,
fuͤhrte.! Der erfte. Blick überzeugte {hn, daß die
erftere die Marquife fri. Da H an dieſer
Stelle des Saales nur wenige Mesten. befan-
den fo eilte er raͤſch auf jenes Kleeblatt zu;
—. Faum. aber hatte ‚er ſich diefem bis auf eiz
nige Schritte genähert, al8 ſich die Griechin
ploͤtzlich losmachte und wie ein ſcheues Ach in
das dichte Mag fengewimmel , am andern, Ende
ve8 Saale8. floh. Adalbert verlor fie eine Weile!
aus den Augen;z bal darauf aber erblicit er
fie an der Seite eines graubärtigen Mönches,
welchem fie lachend einige Worte ing Ohr flu-
fterte, Diefer ſchritt nach einer tiefen Verbeu-
ftand Adalbert vor der Oriechin,. — Der Mar-ı
quiſe von Nanonling wirde8 nie,gelingen, fich
den Blicken ihrer Bewunderer zu entziehen,
ſagte er mit freudigem Zon; ihre Anmurh und
Majeftät mürde aus, jeder Maske hervorſchauen!
Seit- wann. hat der Graf von Geroldeeck ſich
zu der Zaͤhl der höfifhen Schmeichler geſchla-
gen? fragte die Marquite lachend. Ich glaubte,
8 wäre ihın nicht möglich, eine Dame mit Ga-
lanterien zu verfelgen? — LWo die Worte nur
der Ausdruck der Gefühle find, welche im Her-
zen leben, da Fann ein ſolcher Botwurf nicht
treffen, verſetzte Adalbert, indem er ſich neben
die Marquife feßte, die auf einem ſammtnen
Divan in einer Fenſtervertiefung Platz genom-
men hatte. Man muß ‚geflehen, vafß Sie äu-
ßerſt gelehrig find, Graf! erwiderte die Marz
quiſe.
baß Sie ein ausgeſuchter Welberfeind und je-
der fanfteren Regung unzugänglich ſeien —
und jetzt wetteifern Sie fchon mit dem galanz
teſten Hofmann. Gott gebe nur, daß Sie ſich
nicht zu gelehrig beweifen! fügte ſie ſeuſzend
hinzu! — Darf man fragen, mwas Sie unter
dem. „zu gelehrig“ verſtehen, Maxquiſe? fragte
Adalbert. Das will ich Ihnen offenherzi6,
fagen, antwortete die Leptere. Bislang baben
Sie nur das Empfehlenswerthe der höftſchen Sit-
ten naͤchaeahmt — denn fo wie ich Sie kenne,
zweiſle ich keinen Augenblick daran, daß die
Hulvigungen, welche Sie mir darzubringen ge-
ruhen! wirklich aus dem Herzen fommen; e8
fönnte leicht gefchehen, daß das fchleichende Gift!
der Heuchelei und Faͤlfchheit im Lauf der Zeit
ſich in Ihr Herz eindränge und Ihre edle deutſche
Aufrichligkelt und Treue vernichtete, und deß
Sie nach aber vier Monaten ſich nicht meht .
erinnerten, jemals etwas. für mich gefühlt zU
haben. — Beim Himmel, das mwird nie geſche-
hen! xief Adalbert mit feuriger Begeifterung,
Ich bin lange in kindiſcher Träumerei dabinge»
gangen, das iſt waͤhr; jeßt aber bin ich er-
wacht und fehe das Ziel EFar vor Augen, wel-
ches das Geſchick mir vorgeſteckt hat: Ihre Liebe
zu erringen — das iſt das hohe Ziel, vem ich
freudig naͤchſtrebe! — Die Marquife, fhaute
den Redenden eine Weile forfchend. mit ihren.
dunkeln Augen an, die faſt unheimlich aus der
Larve hervorfunkelten, und verſetzte dann in
ſcherzendem Ton: Da ich eine große Zweiflerin
Sonntag, den 2——
1852
Italien.
Turin, 17, Febr. Tagen
hält die Kammer keine Sitzungen und man
erwartet nun ſeden Zag, daß, fie durch
briefliche Zufendungen zuſamwenberufen wer
den wird um das königl. Decret über den
Schluß der Seſſion zu vernehmen. Nad-
haltig iſt das Gerücht im Umlanf, deß Dr.
. Galvagno, Miniſter des
Demifiion erhalten werde. Man bezeich-
neie ihn als künftigen Generaladoocgten
bet dem Turiner Caſſationshofe. — Aus
einem Schreiben von Vincenzo Gioberti
aus Paris an einen ſeiner hieſigen Freunde
erfahren wir/ daß dieſer piemonteſiſche Stgats-
manı ſich nicht mit der franzöſiſchen Poli-
tik zu befreunden vermag und deßhalb nach
London überſiedeln will, wo er bereits frü-
her längere Zeit gelebt.
Aus Koni ſchreibt man der „Kölniſchen
3t.“: Waͤhrend die Regierung nicht nur
im laͤteranenſiſchen Valafte ein Mufeum
chriſtlicher Alterthümer neu anzulegen be-
ſchloſſen hat, ſondern auch fortfährt, die
vooͤrtige Sammlung claſſiſcher Monumente
durch Aufſtellung neuer Denkmäler zu ver-
mehren, hat die Munieſpalität auf beſon-
deren Antrieb des bekannten Antiquars Ves-
covalt die Errichtung einer neuen ſtaͤdti-
ſchen Sammlung in Angriff henommen-
welche vorzugsweiſe inſchriftliche Denkmäler
umfaͤffen wird. Den Grund dazu hat man
dadulch gelegt, daß man die Über 200 theils
Yateinifche, theils griechiſche Inſchriften und
mehrere nicht unwichtige Sarkophage ent-
haltende Saͤmmlung des verſtorbenen Pro-
feffors Sarti gegen eine monatliche ı bez
iractlicdhe ‘ Penfion von deſſen Schweſter
angefauft hat. Da das eigentliche ſtädtiſche
Muͤſeum, das capitoliniſche, für dieſen Zu-
waͤchs keinen Platz haben würde, ſo will
man mit jenem Erwerbe alle die Monu-
mente vereinigen, welche ſonſt noch in Ma-
gazinen oder anderswo zerſtreut und dem
Untergang Preis gegeben, umhexliegen.
Schentunzen werden aͤuch nicht fehlen, ſo-
hald einmal ein Vereinigungspunk gegeben
ift, und es iſ daher vorauszufehen, daß
Rom in nicht langer Zeit eine neue bedeu-
tende Sammlung wird erwachſen ſehen.
Man beſchäftigt ſich bereits damit, die Ges
genſtände probiſoriſch in einem Gemaͤche
des Conſerdatorenpalaſtes unterzubringen.
Neapel. Dem Er Miniſter Poerio iſt
die Ericicherung geworden, ohne Kettenbe-
laͤſtung mehrere Stunden täglich ſpazieren
gehen zu dürfen Mehreren andexen poli-
iiſchen Verurtheilten hat der König die
Strafe nachgefehen oder gemildert, unDd der
neue Polizeiminifter ſol Ddem' Könige die
Infreibeitfeßung von 300 Gefangenen, un-
ter welchen Poerto, warm anempfohlen ha-
ben. Darauf dürfte ſich für jetzt das Ge-
Tücht von einer Generalaͤmneſtie beſchränken.
Nach Berichten, die der Regierung zu⸗—
Tamen, dauern in Meffina die Erditöße
fort. - In der Nacht vom 27, auf den 28.
verſpürie man 3 Stöße und die %ebölfie:
rung campirte im Freien. Auch in Neagio,
Monleone, Melft und Lavello verſpürte
man fortwährend Erdftöße, }
Aus Oberitalien, 19. Febr. Eine neue
Verfuͤgung des öſterreichiſchen Cultusmini-
fteriumg erhebt die deutſche Sprache auf
allen iialieniſchen Gymnaſten zu einem obli-
gaten Lehrgegenſtand; eben fo wird auch
ſſtuhl dafür errichtet, auch müſſen die Can
didaten für ſaͤmmiliche Verwaltungsſtellen
eine‘ Prüfung in der deutſchen Spraͤche ab-
legen, od ſfle derſelben zum Sprechen und
Schreiben mächtig ſind. Alle dieſe ſehr ſach-
gemäßen Vorſchriften ſind wenigſtens mit-
telbar dem Einfluſfe des geiſtesfriſchen Mar -
deutfche Eleinent den kräftigſten Vertreter
hat. Ueberhaupt haben wir dem Staats-
mann Radetzky kaum weniger zu danken als
dem Soldaten Radetzty! Die Thaten des
Staatgsmannes ſind zwar nicht ſo in die
‚Yugen fallend als die des Soldaten, „ aber
darum nicht von geringerer Wichtigkeit. Bis
auf die Augen und Füße, die beide ſchwoch
zu werden beginnen, erfreut ſich übrigens der
/ alte Herr vollkommener Geſundheit, vorzüg-
lich find Geiſt und Gemüth unvergleichlich
friſch und thätig-
Die diesfährige Aushebung iſt ganz auf
den Friedensfuß geſtellt und läßt die Neduc-
tion der Armee in Italien um wenigſtens
20,000 Mann mit Zuͤverſicht erwarten. Jetzt
duͤrfte ihre Stärke noch immer 140,000 M.
betragen, wovon aber nahe an 30,000 auf
die Garniſonen im Kirchenſtaat, Toscana
und den Herzogthümern fallen.
Türkei.
Von der untern Donau, 11. Febr.
wird dem „C. BL“ gelchrieben. Der Ver-
kehr zwiſchen der Militärgrenze und Unter-
terbooͤnien iſt gaͤnz abgebrochen Auch ver-
nehme ich alg zuverläffig, daß Öfterreicht-
ſche Unterthanen, die in Handelsgeſchäften
oder als Holzarbeiter auf bosniſchem Ge-
biete verweilten, unter Escorte an die Save
geſchafft und zur Rückkehr auf den Sfter:
reichiſchen Boden gezwungen wurden. Neber
die Gründe diefes feindfeligen Verfahrens
curſtren verſchiedene @erlüchte, Zu Denen,
die mit der Conſecturalpolitik nichts gemein
haben, gehört in erſter Linie das Gerücht
daß man einer Verſchwörung der Rajah
auf die Spur gekommen ſei und durch eine
ſtrenge Grenzbewachung Fluchtverſuchen vor
zubeuͤgen ſuche.
Feuilteton.
Ein deutſcher Edelmann.
Gortſebung)
Durch die mit verſchwenderiſcher Pracht
ausgeſtatteten Säle der Hotels Epernon wogte
ein buntes Maskengewimmel! Die hohen Spie-
gelwände, welche die unzählbaxen Kerzen und
Lampen und die hundert und aberhundert fan-
taſtifchen Geſtalten widerſpiegelten! verwaͤndel-
ten jeden Saal in einen Feenpalaſt. Wer aus
der finſteren Nacht plötzlich in dies märchen-
hafte Leben der taghellen Räume einkrat, blieb
einige Secunden überraſcht und verwirrt ſtehen
— die prächtig geſchmückten, ſeltſamen Figuren,
welche froͤhlich plaudernd und lachend auf und
nieder wandelten, die füßen Töne der Mufik,
die wie Sirenengeſang aus der Ferne herüber-
webten, die köſtlichen Düfte, welche den leuch-
tenden Blüthen der hohen Topfgewachſe ent-
ſtrbmten und das Meer von Licht und Glanz,
velches über dem allem lag umſtrickten die
Sinne mit einem wunderbaren Zauber.
Es war ein Masfkenball, den der Oraf v.
Epernon zu Ehren der Vermählung feiner
Schweſter mit dem Marquis v Villefort ver-
anſtaltet hatte und den die angeſehenſten Per-
ſonen vom Hof durch ihre Gegenwart verherr-
[ichten. Der Oraf v.. Armentiere8, die Marz
quife, . Remoulius und Adalbert befanden ſich
ebenfall8 dort. Der leßtere,. der ein einfache8
ſchwarzes ſpanifches Koftum, trug, , Fannte die
Maske der Marquife nicht und gab ſich alle
QMübe, die majeſtaͤtiſche Geſtalt verfelben unter
all den KRittern;, Cdelfrauen, Zürken, Cärtne-
rinnen, Wilden, Mönchen, Nonnen Negyptern,
griechiſchen und , römifchen Göitern und Göt-
tinnen,. Chinefen und Zigeunerinen zu entdecken.
Lange mar ſein Suchen vergeben8; endlich aber
gewahrte er in der Ferne einen ſtattlich geklei-
Feien! Mufelmann, welchet ‚eine Griechin und
ein reizend gekleidetes Gaͤrtnermädchen am Arm,
fuͤhrte.! Der erfte. Blick überzeugte {hn, daß die
erftere die Marquife fri. Da H an dieſer
Stelle des Saales nur wenige Mesten. befan-
den fo eilte er raͤſch auf jenes Kleeblatt zu;
—. Faum. aber hatte ‚er ſich diefem bis auf eiz
nige Schritte genähert, al8 ſich die Griechin
ploͤtzlich losmachte und wie ein ſcheues Ach in
das dichte Mag fengewimmel , am andern, Ende
ve8 Saale8. floh. Adalbert verlor fie eine Weile!
aus den Augen;z bal darauf aber erblicit er
fie an der Seite eines graubärtigen Mönches,
welchem fie lachend einige Worte ing Ohr flu-
fterte, Diefer ſchritt nach einer tiefen Verbeu-
ftand Adalbert vor der Oriechin,. — Der Mar-ı
quiſe von Nanonling wirde8 nie,gelingen, fich
den Blicken ihrer Bewunderer zu entziehen,
ſagte er mit freudigem Zon; ihre Anmurh und
Majeftät mürde aus, jeder Maske hervorſchauen!
Seit- wann. hat der Graf von Geroldeeck ſich
zu der Zaͤhl der höfifhen Schmeichler geſchla-
gen? fragte die Marquite lachend. Ich glaubte,
8 wäre ihın nicht möglich, eine Dame mit Ga-
lanterien zu verfelgen? — LWo die Worte nur
der Ausdruck der Gefühle find, welche im Her-
zen leben, da Fann ein ſolcher Botwurf nicht
treffen, verſetzte Adalbert, indem er ſich neben
die Marquife feßte, die auf einem ſammtnen
Divan in einer Fenſtervertiefung Platz genom-
men hatte. Man muß ‚geflehen, vafß Sie äu-
ßerſt gelehrig find, Graf! erwiderte die Marz
quiſe.
baß Sie ein ausgeſuchter Welberfeind und je-
der fanfteren Regung unzugänglich ſeien —
und jetzt wetteifern Sie fchon mit dem galanz
teſten Hofmann. Gott gebe nur, daß Sie ſich
nicht zu gelehrig beweifen! fügte ſie ſeuſzend
hinzu! — Darf man fragen, mwas Sie unter
dem. „zu gelehrig“ verſtehen, Maxquiſe? fragte
Adalbert. Das will ich Ihnen offenherzi6,
fagen, antwortete die Leptere. Bislang baben
Sie nur das Empfehlenswerthe der höftſchen Sit-
ten naͤchaeahmt — denn fo wie ich Sie kenne,
zweiſle ich keinen Augenblick daran, daß die
Hulvigungen, welche Sie mir darzubringen ge-
ruhen! wirklich aus dem Herzen fommen; e8
fönnte leicht gefchehen, daß das fchleichende Gift!
der Heuchelei und Faͤlfchheit im Lauf der Zeit
ſich in Ihr Herz eindränge und Ihre edle deutſche
Aufrichligkelt und Treue vernichtete, und deß
Sie nach aber vier Monaten ſich nicht meht .
erinnerten, jemals etwas. für mich gefühlt zU
haben. — Beim Himmel, das mwird nie geſche-
hen! xief Adalbert mit feuriger Begeifterung,
Ich bin lange in kindiſcher Träumerei dabinge»
gangen, das iſt waͤhr; jeßt aber bin ich er-
wacht und fehe das Ziel EFar vor Augen, wel-
ches das Geſchick mir vorgeſteckt hat: Ihre Liebe
zu erringen — das iſt das hohe Ziel, vem ich
freudig naͤchſtrebe! — Die Marquife, fhaute
den Redenden eine Weile forfchend. mit ihren.
dunkeln Augen an, die faſt unheimlich aus der
Larve hervorfunkelten, und verſetzte dann in
ſcherzendem Ton: Da ich eine große Zweiflerin