Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Journal (46) — 1852

DOI Kapitel:
Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1293
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

N“ 28


Freitag, den 5. März

1852.

Schweiz.

Baſel, Marz. Unſerer Univerfität
ſteht wieber ein Verluſt bexor; Dr. Wun-
derlich, als Profeſſor der Rechte 1847 aus
Bonn hierher berufen, geht nach Greifs-
walde. Ueber den Gotthard wird jetzt
ſehr viel Reis, Weizen, Mais 2C0, aus der
Lombardei nach der Schweiz eingeführt; in
entgegengeſetzter Richtung wird viel Vieh
ausgẽführt. ;

/ — Ftalien.

Nom, 21. Februar. Das heilige Colle-
gium erlitt in vergangener Nacht durch den
Tod eines feiner ausgezeichnetſten Mitglie-
der einen ſchweren Verluſt! Nach kurzer
Kranfheit ſtarb nämlich der Präfeet der
Congregation über Biſchöfe und Ordens-
geiſtlichkeit, und Protector der verſchiedenen
Sectionen des Franziscanerordens, Cardi-
nal Antonio Francesco Orioli, geb. 10,
Dec. 1778 zu Bagnacavallo in der Diö-
zöfe Faenza.. Die vdem heiligen Collegium
alg noch drohend bezeichneten Verluſte wer-
den von verſchiedenen Seiten her befuͤrch-
tet. Denn auch die Eminenzen Bernetti,
Soglia und Caſtracane degli Antelminelli
ſind plötzlich ſo bedenklich erkrankt, daß man
bei ihrein vorgerückten Alter nicht ohne
Grund an ihrem Wiederaufkommen zwei-
felt. Ein widerwärtiges Vorkommniß
hat unſeren ohnehin ſchon flauen Carneval
dermaßen geſtoͤrt, daß er ſchon heute ſo gut
alg beendigt angeſehen werden fann, Ein
Clubb ſolcher junger Römer, die var lauter
Trauer über ihre ins Grab geſunkene Re-
publik ein? für allemal nichts mehr wiſſen
woͤllen von Volksfeſten der Art, und alle
mit tödlichem Haffe verfolgen, die ſich da-
ran betheiligen, hatte ſich angeſchickt! den
Carnevalsfreuden am Dinstag nächſter Woche
ein Ende mit Schrecken zu machen! Die
olizei hatte von dem Vorhaben durch ein
Mitglied des Elubbs ſelbſt noch früh genug
Wind erhalten, worauf ſie geſtern mehr als
80 Verfonen zur Haft bringen ließ! Die
Abſicht der Tumultuanten war, unter die
frohe Menge während des Carnevals auf
dem Corſo Handgranaten ſpringen zu laſ-
fen, welche fih dann auch im Unteren Ge.
ſchoß eines Zabaksladens unweit des Pan-
theons wirklich in bedeutender Zahl vorfan-
den. Das eingeſchuͤchterte Voͤlk denkt na-
fuͤrlich nach ſolchem Vorgange nicht weiter
an Confettt, Caroſſen und Blumenſtraͤuß-
chen; der Corſo iſt heute vereinſamt, leer
und öde.
Neapel. Die Gerüchte von einer Amne-

ſtie haben ſich bis jetzt nicht verwirklicht. Es
wird vielmehr die Verbannung der Herren
Tofani, Romano, Camella und des Prof.
Toinmaͤſt gemeldet, die nach langwieriger
Gefängnißhaft von den Gerichten freige-
ſprochen worden waren.

Turin, 25 Febr. Der Senat hat das
Preßgeſetz angensmmen. *

Trieſt, 27. Febr. So eben mandoriren
16 Kriegsfchiffe in Gegenwart Sr. Maj.
des Kaiſers in der Bucht von Muggia.

8 Eugland.

London, 28 Februar. Das Ligentliche
Conſeil der neuen Verwaltung beſteht nicht
mebr unter den abgetretenen Whigs aus
14, fondern nur aug 13 Mitgliedern, da
der Kanzler des Herzogthums Lancaſter
nicht mehr zu demſelben gehört. Unter dem
vorigen Miniſterium war dieſer Poſten von
einer hervorragenden politiſchen Perſönlich

feit, dem Grafen von Carlisle, bekleidet,
jetzt verſieht ihn, wie ſchon gemeldet wurde,
Mr. Chriſiopher, Mitglied des Hauſes der
Gemeinen. Die 13 Mitglieder des Con-
ſeils ſind: Graf v. Derby, Sir Edward
Sugden, Graf v. Lonsdale, Marquis von
Salisbury, Disraeli, Horace Walpöle, Graf
von Malmesbury, Sir J. Pakington, der
Herzog v. Northumberland, Harries, Hen-
ley, Graf v. Hardwicke und Lord J. Man-
ner. Nach ihrer Beeidigung durch Ihre
Maj. die Königin waren fie am Donner-


verſammelt. Man will indeſſen wiſſen, daß
Graf v. Malmesbury nur proviſoriſch das
auswärtige Departement erhalten habe; de-
finitiv ſei Sir Stratford Canning für die-
ſen Poſten auserſehen, der in der That
von Konſtantinopel hierher unterwegs iſt.
Die militäriſchen Rüſtungen in England
werden fortgeſetzt. Alle Offiziere der Ar-
mee haben Befehl erhalten, die Bataillone
ihrer Regimenter auf 850 zu ergänzen und
von Wodlwich aus ſind Eommiſſarien nach
Jorkſhire abgegangen, um für die Remonte
der Cavallertepferde anzukaufen. In der
Admiralität herrſcht große Thätigkeit die
„London“ von 90 Kanonen iſt als Wacht-
ſchiff für die Docks vor Deal, Kingstown
und Ramsgate beordert; dieſer Wachipo-
ſten iſt von großer Wichtigkeit! In der
weiteſten Ferne ſteht man dort Schiffe her-
ankommen und kann vor dem wirklichen
Eintritt der Gefahr durch Signale eine
ganze Flotte zuninenreten.
Awerika.

Newyork, Febr! Eine in Chile
aus gebrochene Revolution iſt vollſtändig aber
unter großem Blutvergießen gedämpft wor-
den. Die Truppen der Regierung ſind mit
den Anfſtändiſchen zuſammengeſtoßen und es
folgte eine furchtbare blutige Schlacht, die
vom 8. bis 11. Dec, dauerte. Die Auf-
ſtändiſchen wurden vollſtändig geſchlagen.
Von beiden Seiten bedeckien etwa 1700 Tode
das Feld, und Verwundete zählte man 2500.

7 euilteton.
Ein deutſcher Edelmann.
(Eortſetzung)

Da Adalbert an den geräuſchbollen Luſt-
barkeiten und Feſten nicht Zheil zu nehmen
vermochte, ſo flüchtete er ſich oft zur Marquife,
welche während der Früblingss und Sommer-


muthig gelegenen Landhaus zwiſchen Paris und
Verſailles wohnte und ihm zu Liebe manchen
Vergnügungen in der Hauptſtadt und bei Hofe
entfagte. Hatte er früher ihren ſprudelnden
Witz ibte reizende Naivefät und feine Bildung
bewundert, ſo fühlte er ſich jetzt durch die zarte
Aufmerkfamkeit, womit ſie ſeinen Trübſinn zu
verſcheuchen ſuchte, und durch die kindliche Freu-
digkeit und Innigkeit, womit ſie ihm die Zu-
kunft ausmalte, unwiderſtehlich angezugen. In
demſelben Maß, wie ſeine Trauer abnahm,
nahm feine Liebe zu derjenigen zu, von welcher
er eine Verklärung ſeines gaͤnzen Daſeins hoffte.
Jede Stunde, die er nicht in ihrer Nähe zu-
brachte, däuchte ihın ein verlorener Theil des
Lebens.

So ſchwanden Frühling und Sommer wie
ein Traum dahin. Die Sonne verglühte all-
gemach, in den Wäldern ward es ſtiller und
ſtiller, eine Blume nach der andern neigte ver-

bluͤhend ihr Haupt, und Baum und Strauch!
hüllten mit ihren bunten Blättern die winter-
muͤde Flur in ein ſchimmerndes Gewand! Die
Wandervögel zugen in langen Reihen durch die
klare Herbſtluft dem ewig blühenden Süden zu,
— die feine Welt aber eilte ſchaarenweiſe von
ihren Gütern und Villen nach Paris und Ver-
ſailles zurück, um ſich nach der glücklich über-
ſtandenen langwelligen Sommerſaiſon mit neuer
Kraft in die Luftbarkeiten des Winters zu ſtürzen

Die Marquiſe, welche den Landaufenthalt
nicht beſonders liebte, war ſchon zu Anfang
des Monats September nach Paris zuruͤckge-
kehrt, um häuftger mit Adalbert zufammenkom-
men zu können, wie ſte ‚fagte, Deſto größer
war die Ueberraſchung des letztern, als er eines
Tages ein eilig geſchriebenes Billet von ihr
empfing, welches folgendermaßen lautete: Es
betrübt mich außerordentlich lieber Graf, daß
mein ſchoͤner Plan, ſchon jetzt in ihrer Nähe
weilen zu köunen, vereitelt worden iſt! Die
dringende Einladung meiner Freundin, Der
Gräfin von Vernoux, nöthigt mich noch für
einige Wochen auf mein kleines Landgut Ia
Villette bei Melun zu gehen, in deſſen Nach-
harſchaft die Gräfin eine weitläufige Beſitzung
hat! Ich werde Sie in der dortigen Einſam-
keit ſchnierzlich vermiſſen, — meine Gedanken
aber werden allſtündlich bei Ihnen fein. aura
v. Remoulins.

Für einige Wochen! rief Adalbert nach Durch-
leſung des Briefs mit halb unwiigem, balb
traurigem Ton: für einige Wochen! Ich könnte
das nicht fo gelaffen ſchreiben und fo obhne
Abſchied davon reifen! — Aber nein — ich
bin ungerecht gegen Xaura, fügte er nach einer
Pauſe hinzu, während welcher er den Brief
noch einmal überblickte; die Schlußworte be-
weiſen zur Genüge, daß ſie wider thren Willen
Paris verläßt. Das Landleben hat ja wenig
Reiz für ſie — wer weiß, welche Verbindlich-
keiten ſie gegen die Gräfin von Vernbux hat.
Die Marquiſe hatte Abalbert ſchon oft von
ihrem allerliebſten kleinen Landfig bet Melun
erzählt und ihm denſelben mit fo reizenden
Farben gefhildert, daß der Wunſch, die-
ſen romantiſchen Ort einmal zu ſehen, wieder-
holt in ihm aufgeſtiegen war. So kamees denn,
daß er acht Tage ſpäter plötzlich auf den Ge-
danken gerieth, heimlid) nach Melun zu reiten,
und die Marquiſe auf ihrer idylliſchen Villa
zu überraſchen. Ich werde fie in der dortigen
Einſamkeit ſchmerzlich vermiffen, ſchreibt Laura
in ihrem Brief, ſprach Adalbert mit , einem
hoͤchſt freudigen Gefühl bei ſich felbſt — ſo
wird ſie ſich gewiß recht herzlich freuen, wenn
ich unverhofft in ihren kleinen Schloßhof ein-


führte er ihn aus. An einem friſchen klaren
Herbſtmorgen begab er ſich auf den Weg. Die
Wieſen und Weinberge prangten noch in dunk-
lem Gras und hin und wieder ſchallte der Ge-
ſang und das Fauchzen der Maͤher und Winzer
aus den Thälern und von den Hügeln herüber:
die Wälder ringsumher aber trugen ſchon das
braune Herbſtgewand und lagen in tiefer Ruhe
und tiefem Schweigen da Adalbert war ſo
innerlich frob, wie er lange nicht geweſen; der
reine blaue Himmel, der kräftige Mittagſonnen-
ſchein und der heitere Frieden, welcher weit und,
breit in der Natur waltete, riefen tauſend holde
Bilder und Gedanken in ſeinem Herzen wach
— 8 daͤuchte ihm al8 ziehe er einem ewigen
Frühling entgegen.

Da ihm die Lage des Gutes früherhin ge-
nau von der Marquiſe beſchrieben worden war,
ſo brauchte er ſich nirgends nach dem Wege
zu erkundigen; nur mit ſeinen Gedanken be-
 
Annotationen