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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1351
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T



8—



Mittwoch, den 5. Mat

— 4858

Italien. *

Turin, 26. Tyril. Ein ſchreckliches Un-
gluͤck hat heute unſere Stadt betroffen. Um
halb 12 Ubhr flog die Pulvermüßle und
mit ihr die Vorſtadt Pallone, in der ſie
lag, in die Luft. Der Anblick iſt berzzer-
teißend: alle Häuſer liegen in Trümmern
und man zählt außer den vielen Verwun-


Schutt begraben find. Gluͤcklicherweiſe er-
reichte das Feuer das nahegelegene allge-
meine Pulvermagazin nicht, ſonſt wäre durch
ſein Auffliegen die halbe Stadt zerſtört

worden. — So meldet eine Correſp. der
„Demoerazia.“ *
Frankreich.

Straßburg, 29. April! Die Probe-
fahrten auf der Strecke der Paris⸗Straß-
burger Eiſenbahn zwiſchen Nanch und Lüne-
villẽ ſind vollkoinmen gelungen. Dieſe Strecke
wird in den nächſten Zagen dem öffentlichen
Verkehr übergeben werden. — Der Rhein-
Rhonekanal wird zwiſchen hier und Mühl-


demnaͤchſt durch Schraubendampfer befahren
werden Man weiß, daß im Dampfſchrau-
benſyſtem die Seitentäder durch einen ſpt-
ralförmigen Treiber erſetzt ſind, welcher in
der Mitte und am Hintertheil des Fahrzeu-
ges angebracht iſt, was den Durchgang
durch die Schleuſen des Rhene-Rheinkanals
geſtatten und für die Flußſchifffahrt einen
uͤnbeſtreitbaren Fortſchritt verwirklichen wird.

X Baris, 28 April, Schon vor einiger
Zeit war einmal das Geruͤcht verbreitet,
der Prinz⸗Präſident der Republik werde,
wenn er die Kaiſerfrage der Abſtimmung
vorlege, dieſe Frage in ſolcher Weiſe faf-
ſen, daß damit zu gleicher Zeit kategoriſch
und augdrücklich über jede andere Regie-
rungsform ein Verdammungsurtheil ausge-
ſproͤchen werde! Dieſes Gerücht ſcheint kei-
neswegs allen Grundes zu entbehren! Iſt
vielleicht auch der dem Prinz-Präſidenſen
zugeſchriebene Gedanke nicht ganz der ſei-
‚hige, fo gehört er jedenfalls wenigſten einem
&heil feiner Umgebung. Denn der „Pu-
blic”, das Organ der ſog. „Ardens“ des
Elyſee, veröffentlicht einen Attitet aus der
Fedex des Derrn Amedee von Ceſena, der
die Aufſchrift Kaiſetreich, Republik oder
Monarchie! fübrt und aufſtellt, e& gebe
nur dieſe 3 Regierungsformen; 2) Fraͤnk-

reich beſitze keinẽ dieſer 3 Formen / ſoͤndern
eine Baſftardform, in der Schale der Re-
vuͤblik das Kaiſerthum als Kern; 3) das
Kaiſerreich ſei den beiden andern RKegie-
rungsformen überlegen. Aus dieſen 3 Praͤ—
miſfen wird ſodann folgender Schluß gezo-
den: „Man befrage alſo die Nation um
ihre Meinung. Man frage das Volk, ob
— €8 die Republik, die Monarchie, oder das
Kaiſerreich will. An der Regierung iſt es,
dieſe Frage zu ſtellen. An Frankreich wird
es ſein, die Antwort zu geben. Aber man
mache um Gotteswilloͤn den Ungewißheiten
der Zukunft ein Ende, man werde einmal
fertig mit den politiſchen Auskunftsmitteln,
den Baſtardſyſtemen und den proviſoriſchen
Regierungen!“ *

Eugland.

London, 28. April. Aus der geſtrigen
Sitzung des Hauſes der Gemeinen iſt *
nachzutragen! daß King ſeine allfaͤhrli

viederkehrende Motion einbrachte, den Wahl-
denſus für die Bevölkerung des Landes mit
dem der Staͤdter gleichzuſtellen, jedem, der


ſitzt, Stimmrecht zu geben, die Dauer des
Poll auf 24 Stunden zu beſchränken, auf
8 Tage dagegen die für nothwendig wer-


ſich erwarten ließ wurde dieſe Motion von
der Regierung bekämpft und vom Hauſe
mit 202 gegen 149 Stimmen verworfen.
Der Generalmajor Reid wil die Regie-
rung nächſtens darüber interpelliren, ob ſie
eine Vermehrung der in Großbritannien
und Irland ſtafionirten regelmäßigen Mi-
litärkräfte beabſichtige.

Loudon, 29. April. Wir leſen in den
„Times“, daß die erſte Conferenz der für


ernannten Bevollmächtigten geſtern im For-
eign⸗Offtee ſtattgefunden hat! Die Geſand-
ten der Mächte, welche daͤs letzte Protocoll
in der däniſchen Frage unterzeichnet haben,
waren anweſend, ſowie auch der preußiſche
Geſandte! Die Verhandlungen dieſer erſten
Conferenzſitzung waren lediglich einleiten-
der Art. Eine zweite Sitzung der Confe-
renz wird in Kurzem ſtaitfinden, und in
diefer die Frage felbft in Behandlung ge-
nommen werden. Die „Times“ ſprechen
den Wunſch aus, daß keine neuen Verwi-
ckelungen die Regelung dieſer wichtigen Au-
gelegenheit hemmen möchten, und daß die
Verhandlung zur Befriedigung der Mächte
erledigt werde, ohne Dänemark die Fret-
heit ſeiner Wahl zu entzieden, die dieſem
Staate unbeſtreitlich zuſtehe! — Der Er-
Dictator Roſas wird ſeinen beſtändigen
Aufenthalt in der Nahe von Plymouth nehmen.
Türkei.

Konſtanutinopel, 16. April. Die wich-
tigfte Nachricht, welche ich Ihnen von hier
mittheilen kann, iſt, daß wir in vier Jahren
eine Eiſenbahn von hier bis nach der un-
gariſchen Grenze, zum Anſchluß an das eus
ropäiſche Eiſenbahnnetz haben ſollen. Die
Erbauer ſind Engländer! Schon iſt ein eng-
liſcher Ingenieur vor einigen Wochen hier
mit einigen Technikern und Gehilfen ange-
fommen, um, im Auftrage der Geſellſchaͤft,
den beſten Bauplan zu entwerfen. Derfelbe


nopel, zur Beſichtigung und Nivellirung,
begeben und wird den Balkanübergang vor-
züzlich in's Auge zu faſſen haben. Dem
Bernehmen nach ſoll die Bahn über Sophia
weiter gehen, aber früher, gleich hinter dem
Balkanubergange eine Zweigbahn nach den
Donaufürfentbümern führen, um von dort
aug die Berbindung mit Rußland zu bewerk-
flelligen! Wenn auch mannigfache Schwie-
rigkeiten im Balfanübergange zu überwin-
den ſind, ſo ſind dieſelben doch, wie man
uns verſichert, keineswegs mit denen des
Semmerings u. ſ. w. zu vergleichen. Die
türkiſche Regierung bietet der Geſellſchaft
ihre Hand, und es dürfte durchgängig das
Texrain unentgeldlich gegeben werden. .

Konſtantinopel, 17, April. Aus Bei-
rut vom ſelbem Daͤtum ſchreiot man: Drei
griechiſche Schiffe mit chriſtlichen Pilgern
beladen, welche von Cypern nach Jaͤffa ſe-
gelten, ſind an der Küſte zwiſchen Latakta
und Tripolis bei Giblet geſcheitert. Bei
140 der frommen Wallfahrer, welche ſich
auf dem einen Schiffe befanden,. büßten mit
Ausnahme eines einzigen ihr Leben ein;
die aur den-2 anderen Schiffen Befindli-
chen wurden dagegen ſämmitlich gerettet.
Der Gouverneur von Beirut nahm ſſich ih-

rer hilfreich an, und bezahlte für ſie die
Ueberfahrtskoſten nach Jaffa.

Feuilleton.
Liebe in alter deit.
‚ (Sortfegung.) - .
„Ich bitte, Herr,“ ſagte Spangenberg zitternd,
„ſchweigen Sie davon.“ —
„Nun in Henkers Namen! was fürchtet Ihr
denn ?” rief Grabow ärgerlich! Niemand auf


wird; Euer Freund, der es gut mit Euch

„Das Gewiſſen,“ erwiederte der Kanzelliſt
nilt hohler Stimme; „wiffen Sie, Herr, was
das iſt Gewiſfen? — Wenn kein Menſch zu
fürchten iſt, kein Geſetz, kein Richter auf Erden,
dann klopft es leiſe hier innen an, eine ſchreck-
liche Stimme ruft ohne Unterlaß: Gott ſieht,
Gott weiß Alles, er wird es rächen! — O!
mein Heiland, es iſt entſetzlich, immer den Vor-
wurf zu hören! Du haſt Boͤſes gethan! immer
fürchten zu müffen, e8 kommt doch einmal an


lieren, in Schimpf und Schande, in Ketten
nnd Gefaͤngniß endlich den Tod zu leiden, und
zuletzt, nach irdiſchem Gericht das ewige, wo
der Sünder die Strafe empfängt!“

Der alte Offtzier verzog ſein dunkelrothes
Geficht zu einem Lachen, das er mühſam un-
terdrückte. — „Gut,“ ſagte er dann, laßt e8
vergeſſen ſein, und eigentlich habt Ihr Recht,
es könnte ung, trotz der langen Zeit, doch
übel bekommen, wenn die Herren mit den lan-


berg, darum ſollte ich denken, müßten wir uns
beide ſo innig wie möglich verbinden, und, ſo
lange mir leben, eine Familie ausmachen, wo
Einer nicht vom Andern laſſen Fann.
Eine Art ſchauerndes Entſetzen ſchien den


packen. Er ſtand kerzengerade auf ſeinem Stelz-
fuß und ſagte dann ſtotternd: „Zw viel Ehre
für mich, hochgeborener Herr Lieutenant. Ich
bin ein armer niedriger Mann, der wenig von
der Welt verſteht, und meiner Frau Mar-


wenn ihre Wirthſchaft ſich vergrößerte.“


der wahre Punkt, Frau Margarethe, die einen
Zahn auf mich hat; aber ſeid ohne Sorgen,
guter Freund, ich fage, dieſer Vogel wird bald


ich mich vor ihrer Zunge nicht fürchte, nun
hat ſie Reſpekt bekommen und nächſtens wird
ſte ganz freundlich ausſehen, wenn der alte
Lieutenant hereintritt und ſie Frau Mutter
nennt. — Nun, was ſtaͤrrt ihr mich an, Ser-


„Glaubt Ihr denn, daß ich ohne alle Abſicht
ſeit drei Monaten täglich in Euer Neſt trete;
daß ich ohne Abſicht Euer Eſſen theile und Euren
ſchlechten Tabak rauche? Hier ſtehe ich vor


bow, ein alter Rriegsfamerad, der manches
mit Cuch erlebte und manches weiß“ ſetzte er
nachdrücklich hinzu.
Euch, wollt Jir mir Eure Tochter Eliſabeth
zur Frau geben; fo will ich ſte zu meinem
Weibe nehmen und alle meine Ehren mit ihr
theilen.“

Der Kanzellift hielt die Hände gefaltet, leiſe
fagte er: „Ih habe e8 geahnet! Sine Stimme
in mir ſprach es längſt aus, fo mußte e8 kom-
men. — Kinder ſollen büßen für der Eltern
 
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