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Grauſamkeit begangen, aber ich mar ein Sol-
dat des großen Friedrichs, und ich war ſtolz,
wie ein alter Grenadier es fein Fann, der den

Schwerin vom Schlachtfelde tragen half. Es
half aber Alles nicht8,“ fuhr er fort und
ballte die Fäuſte! „Sei ehrlich, wie Du willft,
Dein Leben lang, trage den Kopf hoch in
Deinem Stolz und fürchte Dich vor dem Teu-
fel nicht, eiumal kommt gewiß eine Minute,
_ wo er Dich anpadt, Du weißt nicht wie und
je ſtolzer Du biſt, je ſicherer hat er Dich. —
Haſt oft wohl ſchon von der graufamen Schlacht
von Torgau gehört,“ fagte er, als Elsbeth

nichts erwiederte, „da war's, Da faßte er mich.

— Wir haͤtten gefochten den ganzen Tag.
und wie die Nacht kam, wußte Riemand, wer

gewonnen hatte. Alles mar in Verwirrung

durcheinander in dem großen Walde; unter
Vanduren und ungariſchen Huſaren lief ich
umher, und keiner that dem andern ein Leid.

Was ging uns der Krieg der Könige an; wir
ſchüttelten uns die blutigen Hände und ſchworen,

gute Freunde zu ſein dieſe Nacht über und ficher

nebeneinander zu ſchlafen. — Ich lag an ei-
nem Feuer unter lauter undeutfhem Volt
und verfuchte zu ſchlafen. Da ſtand eine große

Geſtalt vor mir, in einen Mantel eingewickelt,

das war der Grabow. Wir redeten ein Paar

Worte, dann hieß er mich aufſtehn und ihn

begleiten. Ich hätte wohl nein fagen können,
denn Subordination hatte aufgehört, aber ich

that's doch obgleich ich den Lieutenant niemals
leiden mochte; das war aber der Teufel, der
hatte meine Haare ſchon gefaßt, denn leugnen
kann ich/s nicht, er fluͤſterte mir zu: Komm
mit, Kerl, wenn Du die Taſche voll Geld
haben willſt; und wie er das ſagte, regte ſich
die Luſt, eine Gier lief durch weine Adern,
ich faßte mein Kreuzgewehr und ſtand fogleich

auf. — *

—Nun führte er mich tief in den Wald
hinein und redete leiſe mit mir. Was er ſagte,
ſoll meine Zunge nicht wiederholen, aber ſeine
Worte gingen, wie Feuer, durch mein Gehirn,
und zuletzt mar ich gar nicht mehr, wie ich

fonſt war! Es flimmerte vor meinen Augen
wie lauter Gold, ich ſah nichts mehr als die

blanken Stücke, die ſchweren Säcke voll, der

Verſucher hatte ſein Spiel gewonnen. — Es

war dunkel und kalt. In der Ferne brannten

Dörfer und Haufer, zahlloſe Wachtfeuer ſchim-

merten durch die kahlen Bäume, deren Wipfel

und Aeſte von den Kugeln zerſchmettert waren.
Wo wir aber gingen, war kaum ein falber
Dämnmerſchein, der ſich mit dem zitternden Licht
der Winterſterne vermiſchte! Zuweilen ſtrauchel-
ten wir und fielen über Leichen, denn wir
waren auf dem Schlachtfelde und ich kannte
den Ort wieder, wo wir an der Waldleiſte
zuletzt gefochten und uns zerſtreut hatten. —
Endlich waͤren wir in einem dichten Fichten-
gehölz, wo ein Weg ſich zwiſchen ſandigen
hohen Waldrändern fortzug. Es mar ſo fin-
ſter, daß Grabow mich an der Hand führte.
Vlötzlich ſtand er ſtill, das Gehölz öffnete ſich

ich Pferde ſchnauben hoͤrte! Oben rauſchte der
Wind und jagte die Nachtwolken vor ſich her.
Ich erkannte die dunkeln Umriſſe eines Wagens,
zu dem wir näher ſchlichen. Es iſt unfere
Regimentskaſſe, ſagte er leiſe und kein leben-






diges Weſen ift hier; Du biſt ein Kerl, der
einen guten Fang verdient. Ein Narr, der
das Glück nicht benutzte und in dummer Ehr-
lichkeit etwa dem Koͤnige wiedergäbe, was jetzt
nicht mehr ſein iſt. — Drauf und dran!
Sprenge das Schloß mit Deinem Bajonnet,
dann wollen wir uns ein gutes Plätzchen fuchen
und den Beutel einpflügen in Goͤttes Erde,
bis es Zeit ift, reich zuw werden. In dem
Augenblick ſtand er ſtill und preßte meine Hand
feft, iadem er auf den Wagen deutete. Ein
falber Schein zog am Himmel auf,. der mitterz

-

rieſelte nebelgrau durch das öde Waldplätzchen
und nun ſah ich zwei halbtodte Pferde auf
vem Boden liegen, den Wagen mit eingefunz
kenen Rädern an einem Graͤben gelehnt, und
vorne an dem Gegitter eine Menſchengeſtalt,
die den Kopf, wie fchlafend, auf die Bruft
fenkte. Der Mantel war ihm von der einen
Schulter gefallen, der Kragen und die ſtlbernen
Ahfelfhnüre ſchimmerten; da erfannte ich das
Geſicht auch: e8 war unſer Capitän! — Gras
bow ſprach nicht, aber er drückte meine Hand
mit eiſerner Gewalt. Ich ſah ihn an. Hohe
und grimmige Entſchloſſenheit ſtanden in ſeinen
Mienen! Er hatte maͤnches Leis zu ıächen.
Er war ein tapferer Soldat aber diente ohne
Befoͤrderung fhon lange, denn beim Militär
iſt es fo: wer nicht weiß den hohen Vorgeſetz-
ten zu ſchmeicheln, oder wenn nicht beſondere
Ruͤckſichten und Zufälle günſtig find, der wird
nicht weit Fommen, Und Orabow war ein
wilder, leidenſchaftlicher Mann, und obenein
einer, der da glaubte, weit eher berufen zu
fein, hoch zu ſteigen, als die meiſten von denen,
welche oben ſtanden. Das ließ er merken und
ſie vergaben es ihm nimmermehr! Den Capt-
tain hatten ſie ihm auch vorgeſchoben! Er war
roh und thraͤnniſch, wie die meiſten in jener
Zeit, nicht beſſer und nicht ſchlimmer, die Zeit

ließ, hätte wohl dieſen Auͤgenblick zur Rache
gewünſcht, und wie nun Grabow auf ihn
deutete, ſo ſtarr und ingrimmig, da mur-
melte eine Stimme leiſe in meinem Ohr ein
ſchreckliches Wort, das lief durch meinen Nopf,

laut und immer lauter, bis es ein Löwen-
gebrüll war, und ich nichts mehr hoͤrte. —
Ich weiß nicht, ob es Grabow mir zuflüfterte,
ob e8 der Winy rauſchte, ob der Mond e&
ausſprach, ober der Veufel in meinem Herzen,
aber im naͤchſten Augenblick war es geſchehen-
Mein Bajonnet fenkte fih, ich lief gegen den
Wagen, meine Füße ſchienen den Boden nicht
zu derühren. Mitten durch die Bruſt fuhr
der Stahl, durch und durch. Der Mantel
fiel nieder,, Fein Schret wurde gehoͤrt! Er
machte aud) feine Bewegung, der Tod war
ſchneller al8 alles Leben in.ihın.- Dann glitt
der Körper über die Deichfel ves Wagens.
Mit einem Ruck riß ich das verkrümmte Ba-
jonnet heraus. Nun fiel der Kopf über den

der Mond ſchien kalt und klar hinein — ſie
ſtarrten mich an —- fie riefen Rache und Ver-
derben auf mid — aͤllbarmherziger Gottk ſie
haben es erfüllt in jeder Stunde, — Wie ich
ſtand und den Todlen anftarıte, faßte mid
Grabow und ſchuͤttelte meinen Arm — Un-

was haſt Du gethan? — Er iſt todt, fagte
ich. — @8 ſtarb maͤncher gute Menſch hier.
Mancher, erwiederte er, der beſſer war wie
diefer und Niemanden feid that auf Erden;

nicht ſo finfter, ich wuͤrde geſchworen haben,
Du babeſt ihn ermordet. — Ermordet! das
Wort maͤchte mich ſchaudern. Moͤrder! ſchrie
e8 in mir, mein Muth ſank zufammen, ich
zitterte. — Fürchte nicht$, fagte Grabow Kalt,
ich bin Dein Freund. Was iſt ein Menſchen!
leben mehr oder weniger hier auf dem großen

Schlachtfelde? — Truͤgſt Du einen Weißen
Rock, wärſt Du ein Oeſterreicher, man belohnte
und belobte Dich um dieſe tapfere That. —
Siehſt Du, Narr, ſagte er dumpf und ſchüt-
telte mich, das iſt die Gerechtigkeit der Welt,
die Moral diefer verſtändigen Beſtien und ihrer
Lenker. — Wie er in ſeiner Weife heiſer lachte
und mich mit den kleinen, brennenden Augen
anſtarrte, kam er mir zum erſten Mal wie
der Teufel vor, der mich verfucht hHatte. —
Faſſe die Beine des Todten, ſagte er, und'
wirf ihn bei Seite, er hindert uns. Ich

verſuchte ſeinem Befehle nachzukommen, aber
meine Hand erſtartte, ich zoß ſie zurück. —
Machen Sie mit mir, mag Sie wollen, mur-
melte ich, ich kann nicht weiter helfen. — Er
ſtieß mich zurück. — Memme! ſagte ev, i
hätte Dich für einen andern Kerl gehalten. . -
Gortſetzung folgt.) S S

Buntes.

Lürtenbergiſche Blätter bringen einen Bericht
über den Abfaß würtembergiſcher Erzeugniffe in
Norvamerika. Ein in Cincinnatt feßhafter Würtem-
berger imporlirte weißen Neckarweln und machte -
die Erfahrung,, daß derfelbe, in Faͤffern gut ver-
wahrt, nicht nur die Reiſe aushtelt, fondern durch
den Transport fogar gewann. Naͤch der Berech?
nung dieſes Mannes würde bei der Einfuhr von -
mittleren guten Weinen ein anſehnlicher Sewinn
zu machen fein. Gedörrte Zwetſchgen aus Heilbronn
konnten in Newyork die Concurrenz mit den fran-
zöſiſchen hauptſächlich deshalb nicht hakten, weil fie
zu unpraktiſch verpackt waren. Die Franzoſen ver-
paden diefe Waare zierlich in großen Gtäſern und
Käſtchen mit Glasdeckeln, und eklöſen dabei doppelt
ſo diel als die minder anſtelligen Schwaben.

.. (Großbritannten.)- Die philanthropiſche
Ackerbauſchule zu Redvhill in Surrey wurde gegründet,
um jugendliche Berbrecher, die Hoffnung erregen,
aus den Gefängniffen zu nehmen und zu Farmern _
augzubilden. Der eben veröffentlichte Jaͤhresbericht
legt Rechenſchaft ab über.96 Knaben, den Beftand
am 1. Januar 1851, und 74 bis zum Zanuaͤr
1852 neu aufgenommene. Von idnen ließ man .
71- ausmandern. oder ein Handwerk Lernen, fodaß
99 blieben.. Sie wurden aus den Gefängniffen mit
Etlaſſung ihrer Strafen auf Verwendung mehrerer
Bereine zur Befferung jugendiicher armer Verbrecher
entlaſſen und in die Anftalt zu Nedhill aufgenom= - -
men.
auf Antrag ihrer Verwandten Aufnahme, und 8
von 15-—17 Jahren als Freimillige, Ein Yehrlina
kam zunächſt, da fein Meiker Bankrott gemacht
hatte. Auswanderung gilt als Belohnung für gute
Aufführung. Von vden 71, welche die Anftalt ver-
ließen, wuͤrden 46 ſo belohnt, 3 wurden in Dienfte
‚untergebracht, 9 bet Verwandten, 13 mußten als
„unberbefferlicgh“ entlaffen werden. Der Bericht
gibt die beſte Sofnung, daß die Anftalt ſich zu
Iner ſegensreichen Wirkfamkeit ausbreiten werde
Ein Esprit de corps, der ſich unter den Schülern
zu zeigen anfange, gebe der Vermüthung Raum,-
daß der Geiſt der Beſſerung aus dem Verkehre der
Jungen felbft viel Unterſtützung finden werde. Die
Schulfarm ift ein neues Exrperiment und muß durch
Exrperimente ſelbſt eimittein, wie ſie am beſten zu
leiten fei. Sie beſteht aus 150 Acres, auf denen
die Knaben ziemlich frei und nach Bequemlichteit
haden, graben, jäten, vflügen, ſäen 2e. Auch haben
ſie bereits einen größen Theil Wald und Wieſe



Unternehmer haben ſich jetzt an das Yubdlikum ge-
wandt, um mit neuen Capitalien die Anfalt fo zu
vergroͤßern, daß 100 Knaben mehr Aufnahine fin-
den fönnen, wodurg die Koften ſich auf 25 Pfd.
St, auf den Kopf ermäßigen laſſen würden. Zus
gleich hofft man, In einigen‘ Sahren den Gruͤnd
und Boden ſo weit eultivirt zu haben,-Ddaß der
Ertrag die Koſten nicht nur decken, ſondern auch,
abgeſehen von dem moraliſchen, welcher der gane .
zen Geſellſchaft zugute fomme, einen materiellen
Gewinn abwerfen werde.

Während man im übrigen Deutſchland den
hundertjährigen Geburtstag unſeres großen Lehrers
Abrecht Ehaer vergeffen zu haben ſcheint,
wuͤrde der 14, Mai im Jeuͤaer han dwirthſchafte
lichen Inſtitut in einer ſeiner Bedeutung ent-
ſyrechenden Weiſe begangen.

Wirken Thaerls, beſonders aber die Bedeutung ſol-
cher Säcularfetern beſprechenden Feſtvortras ne-
haͤlten, hatte der Director Geh. Hofrath Schulze
Ahends die Lehrer und Mitglieder des Infituts
(78 an der Zahl) ſowie die Vertreter der Univer-
fität zu einem gemühlichen Abendſchmauſe im afa-
demiſchen Roſenſaale verfammelt, gewürzt durch
manchen anſprechenden Trinkſpruch und heitere Bur-
fchenlieder. Chaer’$ betänzies Bild, ein Gefhenk _
des Verewigten ſelbſt, ſchauie ernft über die Tafel
und einige einleitende Worte des Directors machten
in Kürze die Verfammelten auf Thaer's Leben auf-
merffant, indem ſie beſonders feinen Nebergang
vom Blumenfreund zum Gartenbauer, von diefemt
zum Landbauer hervorkoben. Erſt um Mitternacht
ſchied die Geſellſchaft in der heiterſten Laune von
ihrem allverehrten Gaſtgeber. *

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Verantwortkicher Redacteur: G. Ktichard.

nächtige Mond kam gelb und dunſtig über die

Druck und Verlag von G. Reichard.

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