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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1438
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Bevor fte eintraten, ſagte Otho zu Stgnis:
„Hole nun Deine Tochter und das Kind, mas
Ben Oulex in das Schloß gebracht hHatı“

Das Kind, was wollt Ihr mit dem Kinde?“

„G8 ift meine erſte Bedingung ,“ entgegnete
Otho, „und nicht fo ſchwer zu erfüllen. —
Bringt mir das Kind, Deine Tochter, und
Schreibzeug,“ .

Signis entfernte ſich, und die beiden Ritter
waren mit einander allein.

verr Suy,” hub Otho an, „Du weißt,
daß Dein Tod beſchloſſen iſt, weil Du die
Toͤchter eines Hörigen meuchlings ermordet
haſt.“

Aus welchen Gründen man auch mein
Leben fordern mag, Du kannſt es nehmen,
denn es iſt in Deiner Gewalt.“

Das iſt eine ziemlich hochtönende Spraͤche,“
entgegnete Otho, /die Sprache eines Mannes,
der Furcht im Herzen hat und Lebensüberdruß
in dem Augenblicke heuchelt, wo ich ins Ge-
fängniß tvete, denn Du weißt recht gut, Herr
von Levis, daß, wenn ich hierherkomme, um
Dich zu retten, mir an Deiner Rettung gele-
gen ſein muß.“ —

Dir daran gelegen ?" antwortete Levis.

„Ja e8 iſt mir daran gelegen,“ entgegnete
Otho ungeduldig, „ich ſage es, damit ich Dir
eine Menge verfänglicher Fragen und Ant-
worten erſpare, und weil wir hier nicht Zeit
haben zu einem Spiele, wo Jeder ſehen will,
wer der Feinſte iſt. Höre mir zu, denn iich
kenne Deine Pläne und habe ſie im Klofter
St Mayrice ausgekundſchaftet; die meinigen
enthalten die beiden Pergamente, die wir jeßt
anstauſchen wollen,“

Herr Guh von Levis nahm einen davon und
[a8 : :

„Bet meiner Ehre und meinem Goͤtte ver-

vpflichte ich, Guy von Levis, midh, in Jahres-
friſt, von heute an gerechnet die Lehnsherr-
lichkeit des Grafen von Toulouſe über das
Schloß Langarde anzuerkennen, welches Schloß
ich beſitze kraft meiner Vermählung mit der
Gräfin Ermeſſinde, Tochter des Grafen von
Terride, der dieſes Schloß mütterlicherſeits und
durch Entfagung ihres Bruders Otho auf feine
Rechte darauf anheimgefallen iſt, eine Ent-
ſagung, welche er durch Gegenwärtiges vollzieht.“

Guh von Levis heftete einen Blick des Stau-
nens auf Otho, aber dieſer reichte ihm ohne
Zaudern und Verlegenhelt das andere Perga
ment, das ſeine Erklärung enthielt.

„Bei meiner Ehre und meinem Goͤtte ver-
ſpreche ich, Otho von Terride, in einem Jahre
von heute an gerechnet, die Lehnsherrlichkeit
des Grafen Montfort über mein Schloß Ter-
ride anzuerkennen, und überlaſſe dem Herrn
von Levis meine Rechte auf das Schloß Lagarde,
das ihm durch die Vermählung mit meiner
Schweſter, einer Tochter der Graͤftn Signis
zugefallen iſt.“

Suy überlegte einen Augenblick, und Otho
fuhr fort:

„Binnen hier und Jahresfriſt iſt der Kampf
zwiſchen unſeren beiden Herren entſchieden.
Triumphirt der Graf von Toulouſe, dann iſt
es an mir, Dir Deine Burg Lagarde zu ſichern,
und zum Pfande meines Wortes haſt Du das
Pergament, mit dem Du mich verderben kannſt.
Hat Gott Montfort zum Herrn dieſes Landes
augerfehen, dann follft Du mich in meinem
Beſitzthume erhalten, oder ich übergebe Deine
Erflärung Simon von Montfort und erklaͤre
Dich als Verräther.“

Naͤch einem augenblicklichen Schweigen ver-
ſetzte Suy: „Ich kann nicht ſchreiben, aber
mein Wappen {ft in den Knopf ineines Schwer!
tes geſchnitten/ gib es mir und ich unterzeichne.“

Es fei,“ antwortete Otho, indem er die
beiden Pergamente wieder an fich nahm, ich
werde es Dir durch Ben: Ouled einhändigen


/

die Burg ins Freie führt und an- ſeinem Ende
von Dornen und Difteln verborgen iſt, ver-
ſchloſſen bleibt.“

Gay ſchwieg, wie Einer, der in die Falle
gerathen iſt, die er einem Andern legen wollte.

„Ich weiß,“ fuhr Terride fort, „daß die
Gräfin Signis überall nach einem Manne fucht,
dex den ſchweren Stein von dem Fallgatter
heben ſoll, ſie wird aber keinen finden, und
in dem Augenblicke, wo ich ohne das Perga-
ment aus dieſem Zimmer trete, kommen vier
Mann Wache her.“

„Ich unterzeichne,“ fagte Levis.

Die Sräfin wird das Nöthige hierher brin-
gen.” S©uy ſchwieg, man fah ihm aber den

Widerwillen an, mit dem er auf den Vor-
flag einging. War es die Illoyalität des
Verfahrens, oder die daraus zu beſorgende
Gefahr, was ihm den Vertrag widerlich maͤchte?

Herr von Terride konnte daͤrüber nicht ing
Klare kommen. Endlich frug Levis: „Beſchränkt
ſich Dein ganzer Ehrgeiz darauf, biſt Du blo8
beswegen nach der Provenee gekommen, um
Deine Schlöſſer und Ländereien in Beſitz zu
nehmen?“ worauf Otho lächelnd erwiederte :
Weſchrankſt denn Du, wenn Montfort ſtegt,
Deine Wünſche hier auf das Schloß Terride,
Ver denkſt Ou nicht auch, daß der Graf von
Foir wegen ſeines verzweifelten Widerſtandes
wider die Kreuzfahrer von Neuem den Grafen

von Toulouſe feines Beſttzthums entſetzt, und
irgend ein tapferer Ritter ſeines Heeres, der
noch keinen Fehler auf dem Schlachtfelde beging,
damit belehnt werden müſſe? Was auf Jeden
von uns nach dem Siege ſeiner Partel kommt,
wird gewiß nach eines Jeden Verdienſte zuge-
meſſen, und wir alle Beide werden es nach
Kräften geltend machen; an dem Beſtegten iſt
e8, auf ſeine Sicherung bedacht zu ſein, ich
habe Beides gethan, und mehr Fann ich Dir
nicht bieten.“

(SFortfeßung folgt.)

Literariſche und Kunſt⸗Notizen.

„Oie Lehre vom mündlihen Vortrag!
on dem bekannten Luſtſpieldichter Nodervich
Benedir iſt das erfte, uͤber dieſen Gegenftand
yraktiſch geſchriebene Werk, Obwohl der Verfaffer
e$ zunächſt für den Schauſplelerfland beſtimnite,
fönnen wir es do den Männern von der Kanzel
und von der Rednerbühne alg eine Srıfcheinung
empfehlen, die über Ausfprache, Betonung und
vas Künftlerifche des Vortrags überhaupt, goldene
Legeln enthält. Benevdixy, der früher felbft
Schaufpieler war und jetzt noch als ein ausgezeich-
neter Vorleſer gilt, traf hier, wie ein geachteter
Kritiker 4 alg Wann von Faͤch faßt
überall den Nagel auf den Kopf, — Bekanntlich
befteht ſeit einer Reihe von Jahren zwifchen Deut-
ſchen Buͤhnenvorſtänden ein vom ehemaligen Gene-
ral· Intendanten des Berliner Hoftheaters, Derrn
von Küftner ing Leben gerufener Verivag (foge-
nannter Cartelverband), in welchem jene ſich ver-
pflichteten, contractbrüchtge Schaufpieler an ihren
Bühnen nicht zu engagiren. Da diefe an fich fehr
Iöblihe VBerpflihtung aus Mangel einer Iegalen
Baftg und einer präcifen jurtbijchen Faffıng vdem
beabfichtigten Zweck bisher nicht genügte, hat der
Intendant des Stuttgarter Hoftheatets Herr von
Sall nun eine Zufam menfunft deutfcher
STheaterbirvectoren zu ‚präciferer Berathung
in Anregung gebracht. Dei diefer Gelegenheit fol-
len, wie wir im „Centralorgan für die deutfchen
Bühnen“ lefen, aucd folgende Unträge zur Befchluß-
nabme geſtellt merden: 1, die Kritik und die Preffe
überhaupt vollſtändig zu ignoriren, und, 2., die
Saftipielhonorare auf eine befimmte Höhe zu nor-
miren. Oferüber nun Außert der Kritiker ves Con-
verfationgblattes: „Während ver erfie Antrag nur
gegignet iſt/ ein mitleidiges Lächeln hervorzurufen,
erfheint auch Der 3Weite nicht viel beffer. . Die
Kräfte der verſchiedenen Künftler Laffen fich nicht
claffificiren, anderntheils aber find Gaffpiele meif
Sache der Speculation und die Hbhe vder Honorare
richtet ſich daher nach dem vorausfichtlichen Gewinn,
welchen der Saft Dder Kaffe bringt. Eine. Nor-
mirung oder Claffificatton yanz relattoer Dinge

erfcheint aber vollſtändig unthunlich.“ Ungefähr
auf ähnliche Art wird ſich waͤhrfcheinlich die ge>

fammte Vreffe über Hern von Gans Vorſchlag
vernehmen laſſen! Wir vagegen haben noch ein
Dedenken anderer Natur. Allerdings liegt die
Theaterkritit in ganz Seutſchlaud gegenwärtig fan
durchgaängig in troftioſen und unzurechnungsfähigen
Händen; allerdings Überfieigen Die Honorarane
fprüche berühmter Künftler gegenwärtig ales Ma
bder Billigkeit und nicht felten der Möglichkeit —
Zbhülfe bort wie hier thut ſehr noth, aber fie iſt
nicht durch das Projeet des Hern v. Gall zu er-
aielen. Würden vie Bühnenvorftände, fatt wie
faſt überall gefhieht, unfähige Theaterkritikaſter
nod mit Geld zu unterfüßen, auf das edlere,
mo raliſche Ehrgefühl des
f9 einzuwirfen fucden, daß Jedermann ſich der
Keröffentlichung ‚einer von ibm ſelbſt bezahlien
eder gar verſönlich in die Feder dietirten Krikik
fOämte, vdann Fönnte die fchlechte Theaterpreife
nicht länger fortvegetiren, die beffern Schriftfteller
würden ſich der feßt in den meiften Städten zum
unehriiden Handw
kritit wieder annehmen, und damit Nr. 1 des
Gall ſchen VBorfchlags Üüberflüffig machen. Würden
ferner unſre berfömmlichen Hofthrater-Intendan-
ten und Directoren die an
denen darſtellenden Kräfte zu einem künſtleriſch in
einander greifenden Gefammtfptel heranzubilden
und die hervorragendern Talente immer an den
richtigen Plag zu fellen wiffen, dann müßten ffe
nicht in fich immer überkürzenden Gaftfpielen vden
eigenlichen Magnet für das Publicum erfennen.
250 ein pPräcifes. Enfemble befteht, da fallt das
Srembemeifßt ab, da Fann nur das ganz Außere«
gewohnliche, alto der ſehr feltene Saft noch ziehen.
Damit wäre nicht nur auch Nr. 2 des Galhſchen
Vorſchlags überflüfftg geworden, ſondern fogar,
was bei deutſchen Bühnen fetzt nur ausnahimsweife
Vorfommt, noͤch etwag zur Förderung der


nen iſt weniger in der Preſfe und in den übertries
benen ©aftfptelhonoraren , als in Dder Unzuläng-





ſuchen. ©, R

Bunt e s.

.. Preußen befißt genenwaͤrtig: 3, Segelſchiffẽ
(1 Fregatie mit 46, 1 Korveite mit 12 und 1
Transportfchiff mit 4 Kanonen), 5 Dampfidhiffe
CL Korvetite mit 440 Pferdekfraft mit 9, 1 Korvette
von 350 Pferdekraft mit 12, 2 Avifos 180 Pferdes
kraft mit 12 und 1 Transpoͤrtfchiff von 350 Pferde-
kraft mit 4 Kanonen) und 42 Ruderfahrzeuge mit
zuſammen 177 Kanonen.

„Ein junger, geachteler Uhrenmacher aus Troch-
telfingen pflog mit der Tochter eines Bäckermeifters
ſeit ange ein Liebesverhältniß, allein der Bater
der Öeliebten ſchlug die Bewerbungen des jungen
Mannes , da diefer wenig — befaß, de-
harrlich ab. Da packt diefen am 18, Zult die VBer-
zweiflung und während das Mädchen mit einem
Kruge Bier nach Haufe gehen will, ſelit fich ihr
der Seliebte in den Weg, ödtet fie mit einer
Piftole und macht durch einen Schuß aus einer
zweite fofort aud) feinem Leben ein Ende,

In den elyſeeiſchen Feldern in Paris hat man
ſeit vielen Jahten einen alten blinden Clarinette-
bläfer mit einem weihen Huͤnd bemerkt, für den
ein junges Mädchen, das er angenommen hatte,
von den Vorbeigehenden eine milde Gaͤbe ſam-
melte. Neulich unterbrach ein ſchwarzaekleideter
Derr den Mufikanten in feinem Spiele und es
entſpann ſich folgendes Gefpräch zwifchen ihnen:


„Sie find Bettler 2“ „Sa mein Herr,“ „Und blinde“
„Ja, mein Herr.“ „Sie haben eine Pflegetochter 2“
Ja, mein Herr.“ „Und einen weißen Hund
„Sa, mein Herr.“ „Sie hatten einen Freund auf
der Brüde Tourneles2“ „Er heißt @alimard.“
„Er hieß fo, Ddenn feit dret Tagen ift er auf dem
Kirhhofe.“ Der Blinde ſtieß einen Schmerzeng-
faut aug und weinte. „Es ift richtig“, fing der
ſhwarze -Herr an, „Sie find Brique Touche,
Salimard hat Sie zum Univerfalerben eingefeßt.
Er vermacht Ihnen feine Clarinette und ein Käft-
Den, das er vergraben hatte, darin befinden ſich
80,000 Sr.“ Brique Touche war fo ergriffen, daß
ſich feine geſchloffenen Augen aufthaten, und er
den Notar mit ein paar fhwarzen Augenfternen
angloßte. Cr umarmte vor Kreuden feinen Hund
und das Mädchen, ſtieg mit dem Notar in einen
Fiacker und hoͤlte ſeine Erbihaft. Sein -Freund


„Tournelles“ Clarinette geblafen und bei fehr dürf-
tiger Qebensweife die große Summe gefammelt.
Beide Freunde ſind nie blind gewefen. . Das Teſta-
ment orduet an, daß die Pflegetochter des Erhen
nach ihm das ganze Vermögen erben
( .

Redtgirt unter Verantwortlichkett von G, —

laſſen; nur will ich Dir noch geſagt haben,

Oruck und Verlag von G. Re ich ard.
 
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