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Befehle Deines Vaters, Herr von Terride, und
was verpflichtet mich ihnen?“

„Ich weiß es uicht,“ ſagte Otho, „für mich
aber iſt Gehorſam Pflicht, und ich habe es
Dir geſagt, mein Vater will, daß Du augen-
blicklich zu ihm kommſt.“

Weshalb?“

„Ich habe ihn nicht darnach gefragt, mein
Herr! ich für meine Perfon gehorche meinem
Vater; das ift, ich begreife es wohl, freilich
Dir fremd.“

Michael wurde noch bläſſer und warf Otho
einen fuͤrchtbaren Blick zu. }

„Auf Wiederſehen, Herr Otho von Terride.“

„Wo Sie wollen, Meiſter Michael ohne
Namen !

„Wohlan, auf der Straße nach Caſtelnau-
dary, ich werde Euch bald einholen.“

„Ihr ſeid noch nicht frei, Meiſter, es müß-
ten denn dieſe Tapferen Euch frei laffen, denn
ſie ſind ja einmal hier die Herren ; oder mein
Vater müßte Euch die Pforten diefes Schloſfes
öffnen, aber lange kann ich nicht auf Euch
warten. Ein ander Mal alſo.“

„Eher als Ihr denkt, denn auf der Stelle
verlange ich freien Abzug vom Grafen, und
der iſt jetzt noch Herr.“

Kaum hatte er aber ſeinen Fuß weiter ge-
ſetzt, als Credo unwillkuͤhrlich ihm zurief: „Halt
gnädiger Herr! geht nicht!“

„Warum nicht?" entgegnete Michael kalt.

Credo ſenkte hier den Kopf und murmelte
dumpf: /So geht denn, wenn's Gott ſo will.“ —

Einen Augenblick darauf ſchritt Otho durch
die äußerſte Ausfallspforte, und Michael trat
in die dunkle Galerie; welche die einzelnen
hineinfallenden Strahlen der Morgenröthe nicht
erhellen konnten.

2

Die Sonne war ſeit Otho's Weggange aus
dem Schloſſe ſchon heraufgekommen, und bei-
nahe eine halbe Stunde verfloſſen, al8 er die
Pforte erreichte, die er dem Herrn von Levis
zu oͤffnen verfprochen. Als dieſe ſich endlich
aufthat, trat Levis Otho mit den Worten:
„Ich fuͤrchtete ſchon ein neues Hinderniß,“
entgegen.

Euch iſt die Zeit gewiß nicht lägger ge-
worden, als mir,“ antwortete Terride, „aber
jetzt gebt mir das Kind, und nun beſchütze
Goͤtt einen Jeden auf ſeinen Wegen.“


ſelten, hatte Signis ſich durch Dorn und Ge-
ſtrüpp Bahn gebrochen und ängſtliche Blicke
umhergeſendet.

„Michael,“ rief ſie, „wo iſt Michael?“

„Michael bedarf keines Schutzes,“ entgegnete
Otio, „{ er nicht der vielgeliebte vorgezogene
Sohn melnes Vaters? Und vielleicht nimmt
er jetzt ſchon aus den Händen des ſterbenden
Grelſes fein Erbtheil.“

„Der Lieblingsſohn ſeines Vaters! Qu biſt
wahnſinnig Otho, oder Du willſt Deinen
Verrath unter dieſer ſchmachvollen Unwahrheit
verbergen.“

„Zweifelſt Du an der Wahrheit, ſo brauchſt
Du nur in das Schloß zurückzukehren, das in


oder Deines Geliebten ſein muß. Ich hatte
Dir Michaels Leben verſprochen, aber es wußte
der enterbte Sohn damals noch nicht, daß er
einen Bruder retten ſollte, der die Liebe des
Vaters und der Stiefmutter zu gleicher Zeit
beſaß.!

„Was Du hier ſagſt, iſt unmöglich,“ ent-
gegnete Signis, „Du haſt mich verrathen, wie
Du Languedoe durch die Rettung des Herrn
von Levis verraͤthen haſt; das iſt das Ganze.
Nur Dein Ehrgeiz iſt Dein Geſetz.“

„Wie Deine ſtrafbare Liebe Dein einziger
Gedanke iſt,“ verſetzte Otho mit Härte. „Ent-
ſcheidet, Herr von Levis, habe ich mein Wort
gehalten? Wollt Ihr Eueres Halten? Ich
drohe Niemandem gern, deſſen Tapferkeit 9

kenne, aber vergeßt nicht, daß das Geheimniß
von Euerer Flucht mir eben ſo am Herzen
liegt, als Euch, und wenn nicht Euere ſchnelle
Flucht, nur Euer ſchneller Tod mich ſichern
kann.“

Ihr habt Recht Herr von Terride,“ ant-
wortete @uy, „hier habt Ihr das Kind, und
wir wollen eilen, daß wir fortkommen.“

Darauf fragte SGuy, obhne Signis weiter
eines Blickes zu würdigen! „Ermeffjinde, feid
Ihr bereit mir zu folgen?" Dieſe anlwortete
nur mit einem Fingerzeig auf ihre Mutter, die
immer noch, den Kopf nach der inneren Höhle
vorgebeugt, an der Thüre ſtand und horchte,
ob nicht etwa ein Geräuſch von drinnen heraus
ſich vernehmen ließ

„Ruft meiner Mutter, Herr Guy von Levis,
ruft meiner Mutter,“ verſetzte Ermieſſinde.

Gräfin Signis,“ rief der franzöſiſche Ritter,
„wir müſſen fort, es iſt Zeit.“

„Keinen Schritt ohne Michael.
ſer Mann verräth Euch.“

Hier wechſelten die beiden Ritter einen Blick
des Verſtändniſſes und Otho ſagte: „Geht,
Herr Guy von Levis, ich will die Gräfin
ſchon beſtimmen.“ Dann fügte er leiſer hinzu:
„Ihre Tochter hat ſchon zu viel gehört, und
ein Wort, das ſie nie zu erfahren braucht,

Wartet, die-


Geht, meine Schwefter ‚“ fuhr er mit lauter
Stimme fort, „Ihr ſeid bei Euerem Gemahl,
und wenn ich auch nicht auf fein Wort baute,
ſo würden doch meine Vorkehrungen Euch
ſichern, daß er Euch binnen heute und acht
Tagen ſeinen Namen giebt.“

Ermeſſtnde ließ ſich von Guy langſam weg-
führen, verlor aber ihre Mutter nicht aus dem
Auge. Dieſe horchte noch anfmerkſam, ob ſie
nicht ein Geräuſch von dem unterirdiſchen Gang
her wahrnehmen könne! Da ſtrahlte auf ein-
mal ein Blitz der Freude über ihr Geſtcht,
und mit dem Tone befriedigter Wuth rief ſie
„Ha, ihr Verräther und Feigen, unfere Flucht
iſt entdeckt. Sie ſetzen uns nach, ſie kommen,
hörſt Du ſie?“

„Flieht,“ rief Diho dem Herrn Levis zu,
der ſchnell mit Ermeſſinden den Fußpfad hin-
abeilte.

„Hier ſind ſie, hier ſind ſie,“ ſchrie Signis
in den Gang hinein, „Hülfe hierher, Hülfe!“

Aber Gug konnte dieſen Hülferuf, der ihn
allerdings beunruhigt hätte, nicht mehr hören,
denn ſchon hatte Otho den ungeheueren Stein
wieder vor die Mündung des Ganges gewälzt
und Signis mit hinein und mit denen zuſam-
mengeſperrt, die wohl eher Rache an ihr aus-
üben, alg ſie beſchützen wollten.

Kaum hatte Otho den Gang mit den Steine
wieder verſchloſſen als er ſich, den kleinen
ſchreienden Adhemar in feinen Armen, entfernte.
Vald lag das Schloß weit hinter ihın, er er-
reichte die Fanjaux, verſchaffte ſich hier ein
Pferd und richtete ſich mit feiner Tour fo ein,
daß er um Mitternacht Toulonſe eintreffen
konnte.

Wie wir bereits erwähnt haben, hielt ſich
Olho felt feinem Weggange aus Beaucaire
längs der Küſte des Mitlelmeeres; er war
einige Tage lang in den Phrenäen von Schloß
zu Schloß geeilt, und hier bei dem geringen
Verkehr, der einzelnen Bürger unter einander
und mit der Hauptſtadt mar ihm Montfort's
Maͤrſch gaͤnzlich unbekannt geblieben, er ahnete
nicht, daͤß dieſer ſchon vor Touloufe ſtand,
und obgleich er recht wohl wußte, daß das
ganze Land mit Montfort's Krenzfahrerbanden
uͤberſchwemuit war, ſo befremdete es ihn doch,
daß er nirgends auf ſeinem Wege etwas von
der Aufregung wahrnahm, welche der Einzug
ſeines legitimen Hern in Touloufe haͤtte her-
vorbringen müſſen.

Fortſetzung folgt.)

Literariſche und Kunſt⸗Notizen.

Die ſo eben unter dem Titel Voltswirth.
fhaftlidhe Studten von Georg Shirge®
in Franffurt a. M, bei B. Auffahrt erfhtenenen
Abhandlungen und Auffäße, weiche theilweife IM0n
früher in dem „VBereinsblatte für dentſche Arbeit
Veröffentlicht worden waren, enthalten zWar für
den Nationalökonomen und Hanvdelspolitiker vol
Fach nichts Neues, aber die Form, in welcher DEr
Herausgeber Betanntes vorbringt, die durchfichtig®
Klarheit der Sedanken und der Faſſung iſt hen
und zur Vervolkathuͤmlichung der behandelten Ge
genſtände vorlrefftich geeiguet. Das Buch zielt
nach der Richlung hin, in der Dr. Liſt die förderaſten
erſten Anregungen gegeben, und für deren Vutz

harkeit England, wo befanntlid ein großer Zhell
der praftifchen Politik in der Bolkswirthfhaft aufs
geht, als Beweis gilt. Schirges faßt nicht bLo$
fatiſtiſche Zahlenreihen, Tariffragen und die ein-
feitigen Intereffen des Fabrikweſens ins Auge,
fondern zieht die gefammte reihe Weit der „natio-
nalen Arbeit“ in ihrer tauſendfältigen Gliederung
mehr und mehr in ſeine Volfswirthfchaftslehre
herein. — Eduard Schäfer in Frankfurt, eiN
würdiger Schüler von Corneſius, hat fo eben na;b
fechsjähriger Arbeit den Kupferſtich der Rayhael-
ſchen Madoanna della Sedia vollendet und
in der Kunfifandlung von B. Dondorf in Frank-
furt erfcheinen faffen. Bon der Unübertreffichkett
Ddiefes , „das unbeſchrelbliche Eiwas, jenen Meall-
ſirenden Naturalismus der Raphael'ſchen Mufe“
mit dem Grabſtichel treu wiedergebenden Stiche?
zeigt die Thalfache, daß ſchon feßt in Fraulfurt
Mannheim und Karleruhe für mehr als 8000 fl.
Syremplare abgeſetzt find, obwohl daͤs Raphaelſſcht
Meiſterwerk in früher erſchienenen Stahlftichen,
Kupferſtichen und Lithopraphien anderer, Copiften
durch die ganze Welt eine Verbreitung von weil
über 100,000 Exemplaxen gefunden. Eine epreuv®
d’ardiste on viefer Schäfer men Madonna hot
2— H. der Prinz-Regent, der erft neulich
einem Aboͤruck avant la lettre der Prevost’fhen
Hochzeit zu Kana im Preife von 175 fl. die Kavls-
ruher Kunfhale befhenkte , für 200 fl. angefauft
um abermalgs die Kunfpalle zu bereihern, DEr
Preis eines Eremplares auf gewohnlichem Papier
beirägt: 16 Gulden. VBon Leßtern haben faß fammé'
liche Herfonen des Großy. Hofes, 3 K X&
Hoheiten der Prinz-Regent und die Großherz0gin
Vittwe voran, Eremplare angefauft.

Buntes.

Das Stutigaxter Central Organ für die dent
ſchen Bühnen erzählt zur Erflärung für den det
einem veutfchen Schriftfteller fo auffallend reichen
Raͤchtaß Raupach’Ss (80,000 Thlr.), Rauyach ſelbſt
pabe fich über die Entftehung feines Reichthums
alfo geäußert: Als er, ein junger Mann nach St.
Petersburg und in die große Welt ſich verfetzt
{ab, lag ihm daran, ſich eine Stellung zu maden.
Hierzu gehört in Rußland mehr als anderswo
Seld. Er ergriff, was fih ibin, zunächft darbet
Er fündigte Ünterricht zum Berftännig der den
fchen Literatur und zunächft der Dichter an. . Er
hatte das Slücd, die Tochter eines vornehmen
Haufes alg Schülerin zu erhalten, und er flieg -
durch Empfehlungen ſo ſehr in der Gunſt der OGro:
fen, bdaßı er fürmlih Mode wurde. Der Preis
für eine Stunde war ein Dukat in Golv, Wenk
er das erzählte, ſetzte er ſchlau lächelnd in feinel
originelen Weife hinzu: „Diefe Damen fahen fid
nırm Abends in den Cercles, und hHätte ich al
dasſelbe gelehrt, fo würde keine Converfation un® |
ter ihnen möglich gewefen fein, da keine der ande“
ren, wenn ſie ein Ürtheil fällte oder einen Dichter
anführte, widerſprochen haben würde. Daher wer
ich bemübt, einer jeden eine andere Erkiärung U
geben, eine verſchiedene Anſicht beizubringen, en
abweichendes Urtheil einzupfropfen. Kamen
nun irgendwo zufammen, ſo konnten ſie discutiven,
fo glaubte vie Eine mehr als die Andere zu wiſ-
fen, Eine erſchlen getſtreichex als die Andere , 8*
braͤchte Eine etwas mehr eigenen Mutterwiß mif,
alg die Nebrigen, fo blieb ſie Siegerin. Die Eltern
und Verwandten waren dann immer Höchlich er“
ſtaunt und ſehr befriedigt, wenn fie meine kleinen
papageien mit ſo glänzenden Waffen Fämpfen fahen-

... Der größte Tunel der Welt i jeßt in Un-
garn am Sluffe @ran der Vollendung nahe. C!
führt vom Ufer deg Kluffes, In der Nähe voN
Zarrowig, bis zu den Minen von zwei
deutfche Meilen Lang, und wird zum Fortfchaffen
des Erzes benußf. ;

Nedigirt unter Verantwortlichkelt von G Reiharde



*

Druck und Verlag von G. Re ich ard.
 
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