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N" 99.

Freitag, den 13. Auguſt

1852

Deutſchland.

Aus Ihüringen, (D. A, 3.) Die
Wohlthätigen Reformen, welche jeßt im FJür-
ſtenthum Koburg in der Organifation der
Behörden ſtattgefunden, dürften nun bald
auch auf das Fuͤrſtenthum Gotha ſich er-
krecken, und darin beſtehen, daß man die
VBerwaltung von der Zuſtis frennen, und
die obern Verwaltungoͤbehoͤrden (Kammer,
Oberſteuercollegium, Confiftorium) zu Einer,
Unter dem Namen Landesregierung , ver-
ſchmelzen wird. Auch im Bereiche der Ju-
ſtiz duͤrfte die Organiſation der andern
hüringiſchen Staaten: collegialiſch beſetzte
Kreisgerichte für alle wichtigen Angelegen-
heiten und Geſchworenen? Gerichte zur Ab-
ertheilung ſchwerer Verbrechen ſtattfinden,
da das Haupthinderniß, die Trennung bei-
der Landestheile, nunmehr beſeitigt iſt. —
Jn Kahla wurde dieſer Tage eine allge-
meine thüringiſche Kircheneönferenz abge-
halten, welche fehr zahlreich beſucht war :
Man einigte ſich in derſelben unter Anderem
dahin, daß man auf eine größere Bethei-
ligung der Gemeinde beim Sottesdienſt durch
den Wechſelgefang hinwirken und die Pre-
digt mehr alg Mittel- denn als Sipfelpunkt
des Oottesdienftes betrachten ſollte

Frankreich.

Paris, 8. Aug. Der Grundgedanke
von Proudhons neueſter Schrift: . „Die
{ociale Nevolution, bewiefen durch den Staats-
freich vom 2, Dec.“, if folgender: Die Na-
en zerfällt in 3 Klaffen die Bourgeoifie,
die vom Erirage ihrer Capitalien, Bẽſtitzun-
gen und Sinecuren aller Art lebi, oͤhne


Pital- und Grundariſtotratie wie der che
Malige Adel bildet; der Mittelſtand, der
Don leinen für eigene Rechnung und nicht
im Dienſt Anderer unternommenen Arbei-
len aller Avt iebt; endlich die fogenannte
Arbeitende Klaffe, das Proletariat, das we-
T yon ſeinem Eigenthum lebt, noch für
ſich ſelbſt arbeitet, fondern im Lohn Ande-
rer ſtebt Der Fortſchritt beſteyt nach Proud-
hon nun ‚darin, die beiden Extreme allmaͤ⸗
lig in die Mitte, die freie, ſelbſtſtaͤndige,
für ſich ſelbſt thaͤtige Klaſſe aufzulöfen. Al-
1e8, was dazu beiträgt, darauf binauslauft,
I ihm eine vernünftige Erſcheinung. Der
; Dec, ift ihm nur dadurcd möglich ge-
worden, daß die Republit nichts für die

aſſen gethan, die royaliſtiſche National-
derfammlung die Maffen mit dem Gefeg
« 30, Mai 26. verraihen hatte, Die Decem-
gewalt, um ihrer Wefenheit zu entfpre-
en,
Sehemmt und irregeleitet, machte ſich nun,
Yalb bewußt, halb unbewußt, ang Wert
Und erließ eine Meihe Maßregeln, die nach
toudhon ſämmtlich auf die Auflöfung je-
Ner beiden Eytreme hinſteuerten, indem ſie
Leils gegen die Bourgeoifie gerictet wa-
u {heils die Hebung des Proletariats
Aweckten. Abex Proudhon fcheint zu fürch-
len, daß Dder 2, Dec, aus mißverjtandener
Orge für ſich ſelbſt den Logijhen Pfad
der focialen Revolutien wieder verlaͤſſen
UnD {ich ihr entgegenfemmen mwerde, „Nein“,
Yft er aus, „man verſchlingt . nichts,
Was größer ift, alg man ſelbſt, und wenn
der 2, Bec. die Nation verſchlingen will,
10 wird er daran plaben,“ Bleibt er aber
ſeinẽr Beſtimmung treu, meint Proudhon,


gegenüber leicht werden.

Paris, 9. Aug. Der „Moniteur“ ent-
hält beute keinen amtlichen Theil. — Die
Nachrichten über die Generalrathsmahlen
conſtatiren, daß in den entfernteſten De-
partementen die Theilnahmlogteit der Wäh-
ler am Wahlaet ebenſo groß gewefen ift
wie in der nächſten Nachbarſchafi.

England.

London, 7. Aug. Vom Cap find Zei-
tungen angelangt, die aber nichts Neues
enthalten, da die Nachrichten darin bloß 2
Tage weiter reichen, als die Poſt durch den
Bosporus, die am 7 Juͤli eintraf. —
Das Ausbleiben der indiſchen Ueberland-
xoſt läßt, wie man aus Alerandria vom
27, Juli ſchreibt, vermuthen, daß dem Dampf-
boot der oſtindiſchen Compagnie, „Ajdaha“,
welches man am 25. in Aden und Suez
erwartete, entweder die Kohlen ausgegan-
gen oder ein Unfall zuſtieß.

Amerika.

Kingſton wurde am 7. v. M. von ei-
hem ſchweren Erdbeben heimgeſucht. Es
kündete ſich durch ein lauiesGelofe wie
das Rollen ferner Wogen an. Alle Häuſer
bebten bis in den Grund, in Spaniſh Zown
ſtürzten mehrere alte SGebäude ein, und
ſelbſt die Schiffgmannfchaften im Hafen
fühlten den Stoß. Selidein herrfcht auf der
Inſel eine unerirägliche Hiße, ,

Feuilleton.

Zur ſüddeutſchen Geſchichtskunde.

Wir haben, ſchreibt die K. 3., ſchen öfters
der Thätigkeit rühmend zu erwähnen Gelegen-
heit genommen, die von dem Großh. Archis
in Karlsruhe mit Unterſtützung der Staats:
regierung für Veröffentlichuͤng? von Quellen
und Urkunden ſeit einer Relhe von Jahren
entwickelt wurde. Mone, Dambacher und
Bader haben ſich fammt der Regierung, welche
ihre Arbeiten und deren Bekanntmachung er-
möglichte, den Dank der Beſchichtsfreunde in
Süddeutſchland um ſo entſchiedener erworben,
je fpärlicher ſeit längerer Zeit die Quellen
floffen, mit welchen Andere ihre geſchichtlichen
Forſchungen weiter betreiben Fonnten.



Zu unſerer großen Freud- {ft {m Verlaufe
der 3, Band {n Angriff genom-
men worden und buingt in zwel vor-ung lie-
genden Heften des Trefflichen fo viel, daß ſtatt
Allem genügen möge, nur eine Andeutung des
Inhalts zu geben um zu zeigen, daß e8 an
un8 ſei, auch durch Erweiterung des Leſer-
kreiſes den Unternebmern und der unterſtützen-
den Regierung den Dank des lebenden Geſchlechts
zu gewähren.

Mone hat diesmal wieder durch Beiträge
zur Kunſtgeſchichte, durch die Zunftordnungẽn
für die Goͤldſchmiede, einen Blik {n das
Kunſt⸗ und Gewerbeweſen des Mittelalter8 er-
Öffnetz — ſeine Kirchenverordnungen der Yis-
thümet Lainz und Straßburg, feine Briefe
über die Fehden ‚am Oberrhein zu 1234 und
1249, ſind eben fo dankbar und anerkennens-
werth.

Vader hat ſeine fleißige Forſchung über den
älteften Guͤterbeſtz des Kloflers Salem zu Ende
geführt und dadurch den Topographen des
Oberlandes eben ſo ſehr verpflichtet, als durch
ſeine ſchwelzeriſche Urkuͤnden und Regeſten aus

dem 13. Jahrhundert den Forſcher über die
Eigenthümlichkeiten des mittelalterlichen fuͤddeut-
ſchen Dialekts.

Dambacher endlich hat den reichen Urkunden:
ſchaz von Bebenhauſen (bei Tübingen) in An-
griff genommen und nicht nur für wirteme
bergiſche, ſondern auch für badifche Verhält-
niffe ehen fo Dankenswerthes zu Tage gefoͤrdert,
als fruͤher in der Herausgabe des Herrenalber
Archivs. x

Ueber das Ganze uns auszuſprechen, deſſen
werden wir wohl überhoben fein; es hat mit
vollſter Anerkennung badiſchen Forſcherfleißes
ſich im Inlande und. Auslande ſo glänzend
Bahn gebrochen, daß e8 einer einzelnen Stimme
nicht bedarf, das Lob, welches das Unterneh-
men überall gewonnen haͤt, zu vergrößern.

Brief eines Auswanderers

St. Louis, 20 Sunt, Geehrteſter Herr
Kapitain! Meinem Verſprechen getreu erlaube
ich mir, Ihnen einiges über unſer Schickſal
ſeit unſerer Abreiſe von Newhork naͤch New:
orleans mitzutheilen. Sobalb mir an Bord
des Dampfers Atlantine kamen, fahen wir ein,
welch ſchweres Ungemach wir waͤhrend der Reiſe
zu ertragen haben würden. Das Schiff hatte
ſeine voliſtändige Ladung an Salz und Eifen-
bahnſchlenen, und war deßhaͤlb zur Unterbring-
ung der 300 Deckpaſſagiere im Schiffe Fein
Raum vorhanden. €& murden. uns unfere


Bretter nachläffig geworfen waren, angewie-
ſen. Dieſe reichten indeſſen nicht aus und
mußten deßhalb viele von den Paſſagteren uns
ter Gottes freiem Himmel campiren woſte am
Tag der glühendſten Sonnenhitze und bei Nacht
der ungeſunden kühlen Naͤchtluft ausgeſetzt
waren. Auf Antrag eines deutſchen Matros
ſen haben ich und Ihre andern Kaiüten⸗ Paſſa-
giere uns zwiſchen den Maſchinen gelagert, indem
das am Geſundeſten ſein follte. . Wir haben
dies auch als waͤhr erfunden, denn wir ſind
alle, troß der ungeheucrſten Hibe, die wir des
Nachts zuweilen auszuſtehen hatten , ganz ges
ſund am vorigen Dienſtag hiet angelangt. Da-
gegen brach unter denjenigen Paſſagieren, die
im Hintertheile draußen logirten, alsbald die
Tholera aus, und find leider daran auf der
kurzen Reiſe 17 als Opfer gefallen. Die Ge-
ſtorbenen ſind groͤßtentheils Badenfer, die durch
ein amertkaniſches Schiff eingebracht wurden,
und auf Ihrer Seereife durch die barbariſche
Behandlung des Kapitains unendlich viel gelit-
ten haben ſollen. Von Ihren Paſſagieren ſind
4 oder 5 Kinder und 1 Mann, der Baͤher
Haimann, geſtorben; dagegen mußten noch ei-
nige im Hoſpitale nntergebracht werden, und
mußten wir in8gefammt dort in der Qua-
rantaine⸗Anſtalt 36 Stuͤnden verweilen. &8
gab zuweilen herzzerreißende Scenen Gei den
Sterbefällen. Unter Andern ſtarb auch ein
Vater von 6 Kindern. Einige Tage darauf
zwei von den Kindern, ‚Die tiefgebeugte Mut-
ter erkrankte hierauf und iſt jeßt auch geſtor-
ben „und die hinterlaſſenen Waͤifen find in eln
hieſiges Waifenhaus untergebracht. Die Be-
handlung der Deckfpaffagiere auf den Dampf-
ſchiffen iſt faſt ohne Ausnahme die fuͤrchter-
lichſte, die man fich nur deuken Fann. Wenn
man unſere Schiffsbemannung anfab, fo fchien
e8 mir, als wenn wir unter eine Bande Stra:
Benräuber gerathen mären; daß Sie auch im
Stehlen nicht ungeſchickt ſind, haͤben ſie bet
vielen von uns bewieſen. Traurig iſt es, daß
die Regierung keine ſtrenge Maßregeln dage-
 
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