*
Zu den oben genannten Punkten Fommt _ nun
aber noch, als den deutſchen Buchhandel beſon-
vers auszeihnend, daß alle neuen Sr{hHeinun:
gen im erſten Jahr duͤrch den ganzen Bereich
deſſelben „als Neuigkeit! verfandt werden und
‚ fo das Puͤblicum, befonders das wiſſenſchaft-
liche, im Stande iſt jedes neue Buch zu prü-
fen;, ehe es Fauft. Man hat früher zwar von
einer deutſchen Gelehrtenrepuhlik! geſprochen?
die Sitte der Verſendung pro novilate iſt der
ſtaͤrkſte Pfeiler eines ächt republicaniſchen Gei-
ſtes in unſerer Gelehrtenwelt, denn jedem
jungen Schriftſteller, auch dem namenloſen,
wird hiedurch die Möglichkeit gegeben mit ſei-
nem Werke an die Einſicht des gefammten ur-
theilsfähigen Publieums zu appelliren. In den
andern Ländern, wo ein ſolches Herkommen
nicht exiftirt, ſteht das Publicum wie die Litera-
tur auch zehnmal mehr unter der Deſpotie des
gefeierten Namens der Autoren. Es iſt von
entſchiedener Wichtigkeit für unfer geſammtes
literariſches Leben, daß der Verſuch dieſe Neuig-
keltsſendungen einzuſtellen oder ihnen durch
Verklebung der einzelnen Exemplare allen Sinn
zu nehmen, neuerdings wieder vollſtaͤndig ge-
ſcheitert iſt.
Unfere für das gefammte Publicum ſo bequeme
und billige Verbreitungewelſe der Bücher kann
aber nur beſtehen durch das im Lauf der Zeit
zu einer gewiſſen Vollkommenheit ausgebildete
Commiffiongsmwefen, In früherer Zeit,
wo dasſelbe noch nicht exiſtirte, kamen die Buch-
händler zur Frühjahr8= und Herbſtmeſſe nach
Frankfurt, ſpaͤter nach Leipzig, um verſönlich
ihre Bücher gegen einander auszutauſchen. Im
ganzen übrigen Jahr war der buchhändleriſche
Verkehr nur ein höchſt unbedeutender, denn
die Verſchickung der Bücher durch die Poſt
ſtand in keinem Verhältniß zu ihrem Preiſe.
Jetzt geht das Geſchäft das ganze Jahr hindurch
feinen geregelten und raſchen SGang. Dieß ift
nur dadurch moͤglich geworden, daß die unge-
heure Zerſplitterung der Geſchäftsverbindungen,
an gewiſſen Orten, den Commtſſtonsplätzen,
wieder ihren Sammelpunkt findet.
Schluß folgt.)
Die Eroberung von Taulouſe.
(Fortſetzung)
„Da Shr e8 recht und gut findet, Meiſter
David, kann ich auch nichts dawider haben,
ich wundere mich aber nicht mehr, daß man
fo wenig von den Rittern verlangt, wenn die.
Bürger e8 ſind, denen ein Urtheil über die
Ehre zuſteht.“
„Du wirſt ſchon beſſer lernen, was ſie for-
dern, wenn Du erſt ſiehſt, was ſte thun, Herr
von Terride antwortet David; „denn der
geſtrige Kampf iſt nicht der letzte in dieſem
Kriege geweſen, und Du kannſt es ſo oft ſehen,
als Du willſi. Deine Sendung hatte aber
noch einen anderen Zweck, als den Aufruf der
Ritter zu den Waffen! Haſt Du den Erben
des edeln Vieomte von Beziers gefunden, und
das Kind....
Das Kind, “ erwiederte Otho, „iſt eine
MWaife, die mir mein Vater anbertraut bat.
Das Kind iſt in der Gewalt der Franzoſen,
denn Guh von Levis hat es vergangene Nacht
mit Hülfe der Gräfin Signis, der Gemahlin
meines Vaters, entführt.“
Ein ſtrenger Blick des Grafen von Toulouſe
fiel hier auf Otho: „Herr von Terride,“ ver-
ſetzte dieſer, wenn mir nicht mein Sohn hun-
dertmal erzaͤhlt hätte, mit was für Ausdauer
und Heldenmuthe Du ihm auf der ſchwierigen
Reiſe durch Frankreich beigeſtanden haſt, wenn
ich Dich nicht ſelbſt bei Beaucaire hätte fechten
ſehen, wo Du unter den Tapferen der Tapfer-
ſten einer warſt, ich würde ſtaunen über die
Lüge, die Du hier mit ſolcher Kühnheit und
Underſchämtheit ausſprichſt. Der Name des
Vieomte iſt in die Züge dieſes Kindes unver-
kennbar für Alle die den Vater gekannt haben,
eingeſchrieben; er iſt der wahre Erbe des edeln
Koger, und noch hat das Unglück uns nicht
fo zexfpalten, daß keiner mehr das Kind wie-
der erkennen ſollte, das noch vor wenigen Mo-
naten im Schloffe des Grafen von Foix ware
Aus welchem Grunde willſt Du uns alſo di.
ſchutzloſe Waife entzichen?“
Stho ſchwieg eine Weile, verſetzte aber dann
mit dem Ausdrucke der Geringſchätzung: „Du
ſelbſt haſt das Wort genannt, entziehen will
ich ſie den RMittern, denn die Einen würden
doch nur ihren Empörungsgeiſt, die Andern
ihre Feigheit dem Kinde einimpfen wollen.
Entziehen wollte ich es Euch, damit ich es in
die Haͤnde Cueres Sohnes als Pfand der Treue
ſeiner Vaſallen niederlegen fönnte.“ —
„Aus dieſem Grunde will ich es haben,“
verſetzte der Graf, „denn noch bin ich Herr
und Meiſter von Languedoc, wenn auch Du
und mehrete Andere Deines Gelichters gethan
haben, als wäre ich nicht mehr da, mich mei-
nes Sohnes halber entfernen und ihn an meine
Stelle ſetzen mollen, aber feinem von Euch
foll e8 gelingen! Feinde von Außen her,
Feinde aus dem Innern meiner Lande, Feinde
im Innerſten meiner Familie, ich überwältige
ſie Alle.“
Der Zon, in welchem der alte Graf dieſe
Worte ſprach, hatte etwas ſo entſchieden Be-
fehlendes, etwas fo Erhabenes, daß Otho nichts
darauf erwiederte! Der Graf fuhr fort:
„Geh! zu meinem Sohne, und dieſen Auf-
trag wirſt Du ganz ſo ausrichten, wie ich ihn
Dir gebe;z geh’ und fage ihm, er ſoll nicht
aus Beaucalte herausgehen, foll keinen Schritt
weiter gehen, bevor es ihm nicht mein aus-
drücklicher Befehl gebietet.“
Ich will ihm den Befehl überbringen, aber
ich zweifle daß der junge Löwe gehorcht,“
entgegnete Otho.
„ Er wird gehorchen, oder ich will ihm felbfi
den Maulkorb anlegen. Die Stunde iſt noch
nicht gekommen, wo Kinder Graubärten befeh-
len dürfen.“
„Aber die Stunde iſt gekommen, wo tapfere
Maͤnner ihren feigen und verrätheriſchen Lehns-
herren nicht mehr dienen mögen ,“ antwortete
Otho, „und das Kind gebe ich nicht w
heraus.“
Auf ein Zeichen des Grafen wurde Otho
„Hier, wie im Narbonner Schloſſe bin ich
dort habe ich noch Gruben und Kerfer, um
die zum Schweigen zu Dringen, ‚Die eine zu
unverſchämte Sprache führen. Höre und Du
ſollſt ſelbſt über Dein Schickſal entſcheiden,
denn ich habe noch einen anderen Auftrag für
Did“
Dann ertheilte er mit einer Würde, als
fäße er noch mit ſeiner vollen Gewalt auf dem
Toͤron, einem Jeden ſeine Befehle und gehot
|die vollkommenfte (Heinbare Unterwerfung wäh-
rend ſeiner Abweſenheit.“
„Man iſt uns zuvorgekommen,“ ſagte er,
„und Wahnſinn waͤre eS, noch einen Aufſtand
anregen zu wollen.! So wie er Eintm den
Ort bezeichnet hatte, wohin er gehen ſollte,
entfernte ſich diefer, fo daß bald nur noch
Raimund,, David Roaix, Otho und das Kind
übrig waren.
„Zu uns jeßt.” ſagte Raimund, „folgt uns
Heit Otho, denn ich habe Dir noch einige
Worte zu ſagen.“
Otho glaubte wirklich, als er ſich den bei-
den Männern allein gegenüber ſah, ſein Schick-
ſal ſet in ihrer @ewalt, aber ſo hatte es Rai-
mund nicht gemieint.
„Folgt mir auf dem Fuße,“ ſagte ihm die-
fer, „Ddenm gleich vor der Stabt müſſen wir
uns tIrennen, und ſchweige. Ich hätte Dir
mehr Verſtand zugetraut als daß Du eine
ſolche Sprache führteſt. Nicht was mich be-
trifft, denn ich habe Gott ſei Dank genug
Wunden, mit denen ich den Borwurf der Feig-
heit zurückweiſen Fann; aber müſſen die Wider-
ſpenftigkeit und Uneinigkeit der Edlen dem
Ehrgeiz und der Eitelkeit der Bürger nur noch
neue Nahrung geben? Es iſt mahr, ich habe
keinen Theil an dem Kampfe genommen, ich
hätte es aber auch nicht gethan, und wenn ich
dadurch die vollkommenſte Niederlage Mont-
fort's hätte herbeiführen können; denn ſte wäre
doch nur ein Werk von Capiteln und des hoch-
müthigen Bürgers, der hinter uns geht, gewe-
ſen, und ich hätte von Touloufe nur wieder
Beſitz genommen, um dem Paxlamente der
Gemeinde gehorchen zu müffen. Aber um die-
ſen Preis mag ich meine Grafſchaften nicht.
Zeigte ich alſo Strenge gegen Dich fo geſchah
es, um von ihnen Gehorfam zu erlangen, und
wenn jetzt beim Abſchiede mein Wort rauh
klingt, und mein Aeußeres nur den Herrn
zeigt, ſo darf das Dich nicht beleidigen , denn
es ſoll nur den David täufhen, den ich haſſe,
aber brauche.“
(Schluß folgt.)
Literariſche und Kunſt⸗ Notizen.
S, W. Hakländers neueftes Luftfpiel „M a n-
netifhe Kuren“, das gegenwärtig mit Bel-
fall die Runde über die deutfben Bühnen madht,
ift nur auf Erheiterung der Zuſchauer angelegt und
hat die Berechtigung des Augenblickes für fich;z im
Nebrigen gleichtes dem „Seheimen Agenten“
deſſelben Verfaſſers in vorigem Jahr gegebenen
Erſtlingsproducte im Bereich der theatraͤliſchen
Poefies dort werden nur andere Karten anders
gemifcht, ſonſt bleibt das Spiel daffelbe. — Bom
Buch der Welt“ (Stuttgart, Hoffmaͤnnſche
Verlagsbuͤchhandlung) find die erften fechs Hefte
für 1852 außgegeben, welche die erſte Hälfte des
42, Sahrgangs bilden. Die Verdienſte dieſes weit
verbreitelen Werkes, das ſich die Doppelaufgabe
der Unterhaltung und Belehrung geſtellt hat, üher-
heben ung jeder weitern Anpreifung. — In Dder
an 8. Auguͤſt zu Antiverpen feierlich eröffneten
KRunffausfellung befinden ſtch 604 Kunfkmwerke
on 390 Künftlern VBon vden Ausftellern find 289
Belgier, 35 Deutfche , 28 Engländer , 20 Sranzo-
fen und 18 Holländer. Aug der deutfehen Schule
ſcheinen die Gemälde von A. Achenbach— Leu-
Hübner und Hafenclever, ſo wie die Yors
{raits der Henriette Sonntag und der Jenny Lind
von Magnus befondere Anerkennung zu finden.
Buntes.
Es iſt oft verdrießlich, zu fehen, daß die auf
ein gut geduͤngles Beet verpflanzen Levkojen nach
einiger Zeit verfrüppein, während andere Pflan-
zen daneben üppig emporwachfen. Bei vder Unter-
fuchung findet man dann gewöhnlich die Wurzeln
von Regenwürmern benagt. Uır dies zu verhin-
dern, Areiche man die angefeuchteten Levkojenwur-
zeln Ddurch fein pulveriſirten ©yps, Dbevor man
ſie einpflanzt. Es wird dadurch nicht nur das
Benagen verhindert, ſondern auch ein weit üppi-
gerer Wuchs der ſchönen Levkojen erreicht.
‚. Eine alte $ran tödiete in Lütphen, thren
83jährigen Mann, mit dem ffe 49 Sahre {n der
glücklichften Ehe gelebt, durch einen ganz eigen-
huͤnltchen Zufall. Der Greis hatte ſich auf dem
Heuboden ein Ruhepläghen geſucht und war bier
eingefchlafen. Die Frau, dies nicht wiffend, ging
bald darauf auf den Heuboden, um Heu herabzus
werfen, mozu fie ſich einer ſchweren Heugabel bes
diente, und fraf ihren Mann, der wahrſchelnlich
im Hen verborgen war und den ſte da e furz-
! fichtig, nicht gewahrte, Dergeflalt, Daß fir ihm Das
Seftcht und den Schävel, tödtlich verleßte, Erft
nach einiger Zeit wurde das Unglück Ddurch das
durch den Boden träufelnde Blut entdedckt. }
Eine wunderbare Retitumng erlebte ein
nordamerikanifher Fifher, Namens Zohnfon , der
in fefnem Boote die Niagara-Stromfhnellen, bin-
abfuhr und hart am Rande des toſenden Abgruns
des glücklich zwiſchen einem Felſen der Biegeinfel
und des canadifchen ufers eingeflemmt blieb. Um
Mitternacht gerieth, er beirunfen dahin und DErs
harrte in diefer gefährlichen Lage bis zum Mors
gen, Wo ein gewiffer Zoel Robinſon den feltenen
Muth hafte, von oberhalb ſich In einem Kahne
bis zur Zuſel zu wagen, an der er ein Tau befeſtißt?
und Sohufon gluͤcklich an das Ufer brachte. Fünf
Minuten. darauf. machte ſich IJohnfon’s Boot vom
STelfen 108 und Rürzte in die Tiefe. Die DBefu-
er des Wafferfalles famımelten an 200 Dollars
für Robinſon. C
— unger / ⏑ — G. Neichard
Druck und Verlag von G. Re ich ard.
Zu den oben genannten Punkten Fommt _ nun
aber noch, als den deutſchen Buchhandel beſon-
vers auszeihnend, daß alle neuen Sr{hHeinun:
gen im erſten Jahr duͤrch den ganzen Bereich
deſſelben „als Neuigkeit! verfandt werden und
‚ fo das Puͤblicum, befonders das wiſſenſchaft-
liche, im Stande iſt jedes neue Buch zu prü-
fen;, ehe es Fauft. Man hat früher zwar von
einer deutſchen Gelehrtenrepuhlik! geſprochen?
die Sitte der Verſendung pro novilate iſt der
ſtaͤrkſte Pfeiler eines ächt republicaniſchen Gei-
ſtes in unſerer Gelehrtenwelt, denn jedem
jungen Schriftſteller, auch dem namenloſen,
wird hiedurch die Möglichkeit gegeben mit ſei-
nem Werke an die Einſicht des gefammten ur-
theilsfähigen Publieums zu appelliren. In den
andern Ländern, wo ein ſolches Herkommen
nicht exiftirt, ſteht das Publicum wie die Litera-
tur auch zehnmal mehr unter der Deſpotie des
gefeierten Namens der Autoren. Es iſt von
entſchiedener Wichtigkeit für unfer geſammtes
literariſches Leben, daß der Verſuch dieſe Neuig-
keltsſendungen einzuſtellen oder ihnen durch
Verklebung der einzelnen Exemplare allen Sinn
zu nehmen, neuerdings wieder vollſtaͤndig ge-
ſcheitert iſt.
Unfere für das gefammte Publicum ſo bequeme
und billige Verbreitungewelſe der Bücher kann
aber nur beſtehen durch das im Lauf der Zeit
zu einer gewiſſen Vollkommenheit ausgebildete
Commiffiongsmwefen, In früherer Zeit,
wo dasſelbe noch nicht exiſtirte, kamen die Buch-
händler zur Frühjahr8= und Herbſtmeſſe nach
Frankfurt, ſpaͤter nach Leipzig, um verſönlich
ihre Bücher gegen einander auszutauſchen. Im
ganzen übrigen Jahr war der buchhändleriſche
Verkehr nur ein höchſt unbedeutender, denn
die Verſchickung der Bücher durch die Poſt
ſtand in keinem Verhältniß zu ihrem Preiſe.
Jetzt geht das Geſchäft das ganze Jahr hindurch
feinen geregelten und raſchen SGang. Dieß ift
nur dadurch moͤglich geworden, daß die unge-
heure Zerſplitterung der Geſchäftsverbindungen,
an gewiſſen Orten, den Commtſſtonsplätzen,
wieder ihren Sammelpunkt findet.
Schluß folgt.)
Die Eroberung von Taulouſe.
(Fortſetzung)
„Da Shr e8 recht und gut findet, Meiſter
David, kann ich auch nichts dawider haben,
ich wundere mich aber nicht mehr, daß man
fo wenig von den Rittern verlangt, wenn die.
Bürger e8 ſind, denen ein Urtheil über die
Ehre zuſteht.“
„Du wirſt ſchon beſſer lernen, was ſie for-
dern, wenn Du erſt ſiehſt, was ſte thun, Herr
von Terride antwortet David; „denn der
geſtrige Kampf iſt nicht der letzte in dieſem
Kriege geweſen, und Du kannſt es ſo oft ſehen,
als Du willſi. Deine Sendung hatte aber
noch einen anderen Zweck, als den Aufruf der
Ritter zu den Waffen! Haſt Du den Erben
des edeln Vieomte von Beziers gefunden, und
das Kind....
Das Kind, “ erwiederte Otho, „iſt eine
MWaife, die mir mein Vater anbertraut bat.
Das Kind iſt in der Gewalt der Franzoſen,
denn Guh von Levis hat es vergangene Nacht
mit Hülfe der Gräfin Signis, der Gemahlin
meines Vaters, entführt.“
Ein ſtrenger Blick des Grafen von Toulouſe
fiel hier auf Otho: „Herr von Terride,“ ver-
ſetzte dieſer, wenn mir nicht mein Sohn hun-
dertmal erzaͤhlt hätte, mit was für Ausdauer
und Heldenmuthe Du ihm auf der ſchwierigen
Reiſe durch Frankreich beigeſtanden haſt, wenn
ich Dich nicht ſelbſt bei Beaucaire hätte fechten
ſehen, wo Du unter den Tapferen der Tapfer-
ſten einer warſt, ich würde ſtaunen über die
Lüge, die Du hier mit ſolcher Kühnheit und
Underſchämtheit ausſprichſt. Der Name des
Vieomte iſt in die Züge dieſes Kindes unver-
kennbar für Alle die den Vater gekannt haben,
eingeſchrieben; er iſt der wahre Erbe des edeln
Koger, und noch hat das Unglück uns nicht
fo zexfpalten, daß keiner mehr das Kind wie-
der erkennen ſollte, das noch vor wenigen Mo-
naten im Schloffe des Grafen von Foix ware
Aus welchem Grunde willſt Du uns alſo di.
ſchutzloſe Waife entzichen?“
Stho ſchwieg eine Weile, verſetzte aber dann
mit dem Ausdrucke der Geringſchätzung: „Du
ſelbſt haſt das Wort genannt, entziehen will
ich ſie den RMittern, denn die Einen würden
doch nur ihren Empörungsgeiſt, die Andern
ihre Feigheit dem Kinde einimpfen wollen.
Entziehen wollte ich es Euch, damit ich es in
die Haͤnde Cueres Sohnes als Pfand der Treue
ſeiner Vaſallen niederlegen fönnte.“ —
„Aus dieſem Grunde will ich es haben,“
verſetzte der Graf, „denn noch bin ich Herr
und Meiſter von Languedoc, wenn auch Du
und mehrete Andere Deines Gelichters gethan
haben, als wäre ich nicht mehr da, mich mei-
nes Sohnes halber entfernen und ihn an meine
Stelle ſetzen mollen, aber feinem von Euch
foll e8 gelingen! Feinde von Außen her,
Feinde aus dem Innern meiner Lande, Feinde
im Innerſten meiner Familie, ich überwältige
ſie Alle.“
Der Zon, in welchem der alte Graf dieſe
Worte ſprach, hatte etwas ſo entſchieden Be-
fehlendes, etwas fo Erhabenes, daß Otho nichts
darauf erwiederte! Der Graf fuhr fort:
„Geh! zu meinem Sohne, und dieſen Auf-
trag wirſt Du ganz ſo ausrichten, wie ich ihn
Dir gebe;z geh’ und fage ihm, er ſoll nicht
aus Beaucalte herausgehen, foll keinen Schritt
weiter gehen, bevor es ihm nicht mein aus-
drücklicher Befehl gebietet.“
Ich will ihm den Befehl überbringen, aber
ich zweifle daß der junge Löwe gehorcht,“
entgegnete Otho.
„ Er wird gehorchen, oder ich will ihm felbfi
den Maulkorb anlegen. Die Stunde iſt noch
nicht gekommen, wo Kinder Graubärten befeh-
len dürfen.“
„Aber die Stunde iſt gekommen, wo tapfere
Maͤnner ihren feigen und verrätheriſchen Lehns-
herren nicht mehr dienen mögen ,“ antwortete
Otho, „und das Kind gebe ich nicht w
heraus.“
Auf ein Zeichen des Grafen wurde Otho
„Hier, wie im Narbonner Schloſſe bin ich
dort habe ich noch Gruben und Kerfer, um
die zum Schweigen zu Dringen, ‚Die eine zu
unverſchämte Sprache führen. Höre und Du
ſollſt ſelbſt über Dein Schickſal entſcheiden,
denn ich habe noch einen anderen Auftrag für
Did“
Dann ertheilte er mit einer Würde, als
fäße er noch mit ſeiner vollen Gewalt auf dem
Toͤron, einem Jeden ſeine Befehle und gehot
|die vollkommenfte (Heinbare Unterwerfung wäh-
rend ſeiner Abweſenheit.“
„Man iſt uns zuvorgekommen,“ ſagte er,
„und Wahnſinn waͤre eS, noch einen Aufſtand
anregen zu wollen.! So wie er Eintm den
Ort bezeichnet hatte, wohin er gehen ſollte,
entfernte ſich diefer, fo daß bald nur noch
Raimund,, David Roaix, Otho und das Kind
übrig waren.
„Zu uns jeßt.” ſagte Raimund, „folgt uns
Heit Otho, denn ich habe Dir noch einige
Worte zu ſagen.“
Otho glaubte wirklich, als er ſich den bei-
den Männern allein gegenüber ſah, ſein Schick-
ſal ſet in ihrer @ewalt, aber ſo hatte es Rai-
mund nicht gemieint.
„Folgt mir auf dem Fuße,“ ſagte ihm die-
fer, „Ddenm gleich vor der Stabt müſſen wir
uns tIrennen, und ſchweige. Ich hätte Dir
mehr Verſtand zugetraut als daß Du eine
ſolche Sprache führteſt. Nicht was mich be-
trifft, denn ich habe Gott ſei Dank genug
Wunden, mit denen ich den Borwurf der Feig-
heit zurückweiſen Fann; aber müſſen die Wider-
ſpenftigkeit und Uneinigkeit der Edlen dem
Ehrgeiz und der Eitelkeit der Bürger nur noch
neue Nahrung geben? Es iſt mahr, ich habe
keinen Theil an dem Kampfe genommen, ich
hätte es aber auch nicht gethan, und wenn ich
dadurch die vollkommenſte Niederlage Mont-
fort's hätte herbeiführen können; denn ſte wäre
doch nur ein Werk von Capiteln und des hoch-
müthigen Bürgers, der hinter uns geht, gewe-
ſen, und ich hätte von Touloufe nur wieder
Beſitz genommen, um dem Paxlamente der
Gemeinde gehorchen zu müffen. Aber um die-
ſen Preis mag ich meine Grafſchaften nicht.
Zeigte ich alſo Strenge gegen Dich fo geſchah
es, um von ihnen Gehorfam zu erlangen, und
wenn jetzt beim Abſchiede mein Wort rauh
klingt, und mein Aeußeres nur den Herrn
zeigt, ſo darf das Dich nicht beleidigen , denn
es ſoll nur den David täufhen, den ich haſſe,
aber brauche.“
(Schluß folgt.)
Literariſche und Kunſt⸗ Notizen.
S, W. Hakländers neueftes Luftfpiel „M a n-
netifhe Kuren“, das gegenwärtig mit Bel-
fall die Runde über die deutfben Bühnen madht,
ift nur auf Erheiterung der Zuſchauer angelegt und
hat die Berechtigung des Augenblickes für fich;z im
Nebrigen gleichtes dem „Seheimen Agenten“
deſſelben Verfaſſers in vorigem Jahr gegebenen
Erſtlingsproducte im Bereich der theatraͤliſchen
Poefies dort werden nur andere Karten anders
gemifcht, ſonſt bleibt das Spiel daffelbe. — Bom
Buch der Welt“ (Stuttgart, Hoffmaͤnnſche
Verlagsbuͤchhandlung) find die erften fechs Hefte
für 1852 außgegeben, welche die erſte Hälfte des
42, Sahrgangs bilden. Die Verdienſte dieſes weit
verbreitelen Werkes, das ſich die Doppelaufgabe
der Unterhaltung und Belehrung geſtellt hat, üher-
heben ung jeder weitern Anpreifung. — In Dder
an 8. Auguͤſt zu Antiverpen feierlich eröffneten
KRunffausfellung befinden ſtch 604 Kunfkmwerke
on 390 Künftlern VBon vden Ausftellern find 289
Belgier, 35 Deutfche , 28 Engländer , 20 Sranzo-
fen und 18 Holländer. Aug der deutfehen Schule
ſcheinen die Gemälde von A. Achenbach— Leu-
Hübner und Hafenclever, ſo wie die Yors
{raits der Henriette Sonntag und der Jenny Lind
von Magnus befondere Anerkennung zu finden.
Buntes.
Es iſt oft verdrießlich, zu fehen, daß die auf
ein gut geduͤngles Beet verpflanzen Levkojen nach
einiger Zeit verfrüppein, während andere Pflan-
zen daneben üppig emporwachfen. Bei vder Unter-
fuchung findet man dann gewöhnlich die Wurzeln
von Regenwürmern benagt. Uır dies zu verhin-
dern, Areiche man die angefeuchteten Levkojenwur-
zeln Ddurch fein pulveriſirten ©yps, Dbevor man
ſie einpflanzt. Es wird dadurch nicht nur das
Benagen verhindert, ſondern auch ein weit üppi-
gerer Wuchs der ſchönen Levkojen erreicht.
‚. Eine alte $ran tödiete in Lütphen, thren
83jährigen Mann, mit dem ffe 49 Sahre {n der
glücklichften Ehe gelebt, durch einen ganz eigen-
huͤnltchen Zufall. Der Greis hatte ſich auf dem
Heuboden ein Ruhepläghen geſucht und war bier
eingefchlafen. Die Frau, dies nicht wiffend, ging
bald darauf auf den Heuboden, um Heu herabzus
werfen, mozu fie ſich einer ſchweren Heugabel bes
diente, und fraf ihren Mann, der wahrſchelnlich
im Hen verborgen war und den ſte da e furz-
! fichtig, nicht gewahrte, Dergeflalt, Daß fir ihm Das
Seftcht und den Schävel, tödtlich verleßte, Erft
nach einiger Zeit wurde das Unglück Ddurch das
durch den Boden träufelnde Blut entdedckt. }
Eine wunderbare Retitumng erlebte ein
nordamerikanifher Fifher, Namens Zohnfon , der
in fefnem Boote die Niagara-Stromfhnellen, bin-
abfuhr und hart am Rande des toſenden Abgruns
des glücklich zwiſchen einem Felſen der Biegeinfel
und des canadifchen ufers eingeflemmt blieb. Um
Mitternacht gerieth, er beirunfen dahin und DErs
harrte in diefer gefährlichen Lage bis zum Mors
gen, Wo ein gewiffer Zoel Robinſon den feltenen
Muth hafte, von oberhalb ſich In einem Kahne
bis zur Zuſel zu wagen, an der er ein Tau befeſtißt?
und Sohufon gluͤcklich an das Ufer brachte. Fünf
Minuten. darauf. machte ſich IJohnfon’s Boot vom
STelfen 108 und Rürzte in die Tiefe. Die DBefu-
er des Wafferfalles famımelten an 200 Dollars
für Robinſon. C
— unger / ⏑ — G. Neichard
Druck und Verlag von G. Re ich ard.