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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1503
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VI26.

Freitag, den 15. October

1852

Deutſchland.

Görlitz, 9. Oct (D. A. 3.) Heute trof
hier die traurige Nachricht ein, daß die ver-
wittwete Baronin v. Schimmelpenning auf
dem {br gehörigen Schioſſe Lomnitz (17.
Meile von hier, nahe dem ſaͤchſiſchen Fräu-
leinſtift Radmeritz im Bette ermordet ge-
funden worden iſt Bet dem gerichtlich guf-
zenommenen Thalbeſtand hat ſich ergeben,
daß dieſelbe durch Erſtickung unter Betten
getödtet worden iſt; die Mörder haben nur
weniges Geld, dagegen Pretioſen und Pa-
piere entwendet, da ſie trotz der in ihren
Händen befindlichen Schlüſſel den Geldſchrank
nicht geöffnet haben; ſie haben ihn entweder
nicht zu öffnen verſtanden oder es nicht der
Mühe werth erachtet, da derſelbe die Form
eines Waſchtiſches hat.

Aus deni Fürſtenthum Waldeck,
S. Oet. Unſer jugendlicher Fürſt hat am
A. Sept. die feierliche Huldigung der Stände
empfangen ; dieſe haben der Regierung, um
neue Geſetzentwürfe auszuarbeiten, die ge-
forderte Friſt von 6 Monaten gewährt, und
ſind dann heimgekehrt.

Wien, 8. Oct. Graf v. Neſſelrode wird
ſich morgen nach St. Petersburg zurückbe-
geben. — Die „Wiener Zeitung zeigt an,
daß 2,874,000 fl. in Anweiſung auf die
Landeseinkünfte Ungarns und 35,325,000 fl.
in theils verzinslichen, theils unverzinslichen
Reichſchatzſcheinen, zufammen 26,199,000 fl.,
welche bei der Centralkaſſe eingegangen ſind,
und zu Zahlungen des Staats nicht mehr
ausgegeben werden dürfen, am 9, Oetober
in dem Verbrennhauſe am Glacis öffentlich
vertilgt werden follen. Geſtern Morgen
iſt Se. Maj. der Kaiſer in dem Lager von
Pordenone eingetroffen.

Wien, 7, Oct. A. 3.) Das Lager bei
eftb ift zu Ende. Es hat zwei Dinge er-
wieſen, die man nach Möglichkeit in Zwei-
fel zu ziehen trachtete: die völlige Umwand-
lung, die im Innern von Ungarn vorge-
gangen iſt, hervorgerufen durch die Theil-
nahme und Zuneigung, welche die Perſön-
lichkeit des Kaiſers in einem Lande erregen
muß, für das ſie eigens geſchaffen zu ſein
ſcheint und dann: die Wehrhaftigkeit des
Kaiſerſtaates, über die den fremden Be-
ſchauern kein Zweifel geblieben iſt. Waͤhrend
man ihnen zu Peſth einen Theil 56000
Mann und 15,000 Pferde) aus den nähe-
ren Cantonirungen der in Ungarn liegen-
den dritten Armee vorführte, konnten ſſie,
am andern Tage mit dem Dampfſchiff in
Wien angekommen, halb ſo viel Truppen
der erſten Armee auf dem Glacis ihre
Uebungen halten ſehen, und ſo in Böhmen,
Mähren und Galizien 20. In Italien hält
der alte Marſchall eben ſeine, gewohnte
Kriegsſchule bei Pordenone mit einem Theil
dder zweiten italieniſchen Armee Eine Or-

ganifation dieſer Art, eine ſolche Schlag-
fertigkeit zu jeder Siunde, und doch mit
Rückſicht aͤuf die möglichſte Schonung der
Finanzen, hat die öſterreichiſche Armee frü-
her nicht gekannt und wohl auch kaum ein
anderes Heer.

Wien 12. Oet. (T. D. d. Fr. Bl.) I000
Mann engliſcher Truppen find im perſtſchen
Meerbuſen gelandet und auf Herat marſchirt,
wahrſcheinlich um die Selbſtſtändigkeit He-
rats zu wahren.

Trieſt, 6. Oet. (A. 3. Unſere Kriegs-
marine hat wieder einen Verluſt zu bekla-
gen. Der Schraubendampfer /Seemöve“,

Capitän Blaſich/ iſt! wie man heute erfaͤhrt,
auf der Fahrt zwiſchen Pola und Fiume
verunglüdt und foll rettungslos verloren
ſein. Die ganze Mannſchaft aber, wird bei-
gefügt, habe ſich gereltet.

Fraukveich.

x Paris, Oct! Ganz Paris ſpricht
heute von der Reden mit welcher Ludwig
Napoleon bet dem ihm von der Handels-
fammer in Bordeaur gegebenen Bankett
den ihm von Hrın, Dufour=Dubergier, dem
Präſibenten jener Corporation, dargebrach-
ten Trinkſpruch beantwortet hat. Der Toaſt
feierte den Prinzen alg Retter, Beruhiger
und Ordner Krankreichs, lobte ſeine Fuͤr⸗
ſorge für lang vernachläſſigte Intereſſen,
alg da ſind Ranäle, Eifenbahnen, neue Haͤn—
delswege ; aber diefe Wohlthaten werden
alle ihre Früchte erft tragen, wenn die Zu-
kunft ſolid verſichert fein wird; denn der
Handel lebt nur von der Zukunft. Ich bin
darum nur ſein treuer Dolmetſcher, wenn
ich Sie bitte, gnädiger Herr unſere Inſti-
tutionen in Harmonie zu bringen mit un-
ſern Sitten und Bedürfniffen, welche ſich
an eine ungewiſſe und lebenslängliche Ge-
walt nicht anlehnen können! Sie werden
den durch die einmüthigen Acclamationen
des Landes offenbarten Volkswünſchen ent-
ſprechen, indem Sie die Wiederherſtellung
des Kaiſerreichs proelamiren. Es lebe L.
Napoleon ! Wir geben die Antwort, deren
Hauptinhalt wir bereits geſtern mittheilten,
ihrer Wichtigkeit wegen vollſtändig; der
Pring ermwiderte: „Der Zweck meiner Reiſe
war, wie Sie wiſſen, ſelbſt unfere ſchönen
Provinzen des Südens kennen zu lernen,
einzudringen in ihre Bedürfniffe, Sie hat
jedoch einem viel wichtigeren Reſultat Raum
gegeben! Fürwahr, ich ſage e6, mit einer
Offenheit, die der Neberhedung eben ſo fern
iſt wie falſcher Beſcheidenheit ; niemals hat
ein Volk in geradeſter, freiwilliger einſtim-
migſter Weiſe den Wunſch bezeugt, ſich von
Beſorgniſſen der Zukunft befreit zu wiſſen,
indem es eine Gewalt in die nämliche Hand
legt, welcher ſeine Sympathie gehört, (Lau-
ter Beifal.) &$ erfennt eben in dieſer
Stunde die trügexiſchen Hoffnungen, in Wels
chen man es wiegte, und die Gefahr, von
der es bedroht war, Es weiß, daß im
Jahr 1852 die Geſellſchaft ihrem Verder-
ben entgegen ging, weil jede Partei ſich
beim allgemeinen Schiffbruch im voraus
mit der Hoffnung tröſtete, auf den etwa
obenſchwimmenden Trümmern ihre Fahne
aufzupflanzen. (Senſation. Es lebe der
Kaiſer!) Ueber die ungereimten Theorien
enttäuſcht, hat das Volk die Ueberzeugung
gewonnen, daß ſeine vorgeblichen NMeforma-
loren nichts waren als Traͤumer, denn immer
herrſchten Mißperhältniß und Inconſequenz
zwiſchen ihren Mitteln und dem verſprochenen
Ergebnif, Eebhafter Beifall. „Das ift
wahr! das iſt wahr!“) Heute umgibt mich
die Nation mit ihren Sympathieen, weil
ich nicht zur Familie der Ideologen zaͤhle
Um das Wohl des Landes zu ſchaffeniſt
es nicht nöthig, nach neuen Syſtemen zu
greifen, ſondern vor allen Dingen Verz
rauen in die Gegenwart Sicherheit fürdie Zu-
funft zu geben. Das iſt es, warum Frankreich
zum Kaijerreich zurückkehren zu woͤllen ſcheint.
(„Sa, Jal“ Anhaltendes Bravo. Es lebe
der Katfer!/) Nichtsdeſtoweniger gibt es
eine Beſorgniß/ auf welche ich antworten
muß. Aus dem Geiſte des Mißtrauens ſa-

gen gewiſſe Perſonen (certaines personnes) :
das Kaiſerreich iſt der Krieg! Ich ſage:
das Kaiferreich,/ das iſt der Frieden (V’Em-
pire C’est la paix). (Senſation). Es iſt
der Frieden denn Frankreich wünfcht den-
ſelben, und wenn Fraͤnkreich befriedigt iſt,
bannn iſt die Welt ruhig. ' (Die Worte, mit
feſter und ſcharf accentuirter Stimme ge-
fprochen, brachten eine magiſche Wirkung
hervor. Enthuſtaſtiſche Bravos auf allen
Seiten.) Der Ruhm kann wohl als ein
Erbtheil Übergehen, aber nicht der Krieg.
Haben die Fürſten, welche ſtolz darauf waͤ⸗
ren, Enkel des 14, Ludwig zu fein, ſeine
Kämpfe neu begonnen? Der Krieg ent-
ſteht nicht aus dem Vergnügen er entſteht
aus der Nothwendtakeit und in dieſen Ue-
bergangszeiten, wo überall neben den Ele-
menten der Wohlfaͤhrt ſo viel Urſachen des
Todes keimen, kann man mit Wahrheit ſa-
gen: Wehe dem, der zuerſt Curopa das
Signal zu einer Colliſton gäbe, deren Fol-
gen unberechenbar ſein würden. (Lange und
tiefe Senfation.) Ich gebe indeſſen doch
zu, ich habe, wie der Kaiſer, viele Erobe-
rungen zu machen! Ich habe, wie er, der
Verfoͤhnung die zerriffenen Parteien wieder
zu gewinnen, und in das Bett der groͤßen
Volksſtrömung die feindſeligen Abflüſfe Lu-
rückzuführen/ die ſich obne Gewinn für ir-
gendwen verkaufen. (DBeifal.) Ich will
der Religion, der Sittlichkeit! des Wohler-
gebens jenen noch ſo zahlreichen Theil der
Bevölkerung wieder gewinnen, der mitten
in einem Lande der Treue und des Glau-
bens kaum die Vorſchriften Chriſti kennt, der
im Schooß des fruchtbarſten Landes der Welt
ſich kaum, der erſten und nothwendigſten
Lebensbedürfniſſe erfreuen kann! (Senfa-
tion.) Wir haͤben unermeßliche unbebaute
Strecken urbar zu machen, Wege zu öffnen,
Häfen anzulegen Flüſſe ſchiffbar zu machen/
Kanäle zu vollenden unfer Eifenbahnnetz
zu vervollſtändigen. Wir haben Marſeille
gegenüber ein ausgedehntes Koͤnigreich Frank-
reich zu affimiliven wir haben alle unſere gro-
ſen Häfen im Weſlen dem amerikaniſchen
Feſtland näher zu rücken durch die Raͤſch-
heit ihrer Communicationsmitiel, die uns
noch fehlenz wir haben endlich überall aus
den Ruinen wieder aufzubauen, falſche Göt-
ter niederzuwerfen, Wahrheiten zum Siege
zu führen.! (Anhaltender Beifall.) So
würde ich das Kaiferreich auffaſſen, wenn
das Kaiſerreich wieder hergeſtellt werden
ſoll! (Senfation, „S$ lebe der Kaiſer!)
Solches ſind die Eroberungen, auf die ich
denke, und Sie alle, die Sie mich umgeben,
die Sie, wie ich das Wohl unſers Vater-
landes wollen, Sie ſind meine Soldaten!“
(„Sal jal“ Anhaltender Beifal.) — Man
fann ſich denken, welden ungeheueren Ein-
druck diefe klaren und ſchlichten Worte auch
hier in der Hauptſtadt haben machen müf-
en. Sind doch ſofort die Fonds und alle
Induſtriepapiere an der Boͤrſe anſehnlich
geſtiegen. —

England.

* @pndon, 11, Oet. Der Finanzaus-
weis des letzten Verwaltungsjahres iſt heute
erſchienen und liefert ein überaus befriedt-
gendes Reſultat. — Der Tag der Parla-
mentseröffnung iſt noch nicht feſtgeſetzt. He-
rald bezeichnet als ſolchen den 11,, Obfer-
ver den 15, D, M
 
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