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Heidelberger Journal (65): Heidelberger Journal — 1871

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Nr. 178-204 (1. August - 31. August 1871)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25214#0746
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bet ©leißbereßtlgung bet »erfßtcbenen Parteien,
bie innerhalb btt eoang. Älrße biefeS SanbeS ftcb
im Saufe beruft gcbilbet haben. 35iefe ©leißbereß*
iigutig tooHen mir bewähren unb gwar babitrß,
baß |ebe Partei unb jeber ©injelnc feine 2lnßßt
ÖOÜ unb gang ohne Slbbruß gettenb maßt, aber
bann auch Sichtung hat bot Jeber reblißen Hebers
ngnng eines? ©egnerS. fffienn toir fo hanbeln,
fo glaube ich, werben wir unferem fianbe unb ber
Äirße beffelben einen großen Oienß leißen. SBir
Werben überbieg auch für Oeutfßlanb ein Sorbilb
fein, benn bie nämlichen ©egenfnße, bie bei unb
ftnb, ßnb auß in gang Oeutfßlanb »orlfanben,
unb überall ift ein fehr ßarfeS 83ebürfnlß ba, baß
man bie »erfc^iebenert ©egenfäfge in Freiheit ßß
entwlßeln läßt, unb nicht bureb irgenb weiche ßün*
fieleien bie eine ober bie anbere 2lnßßt gu unters
brücfen fußt. ©S haben geßftm fowolß ber
Prälat als ber £)err fßräßbent beg DberfirßenrathS
auf bie SBlßtfgteit unferer btegjährigen ©erfamrn*
lung unb auf ben großen ©rnß ber 3e*t attfmerf*
fam gemacht, in ber wir ju hanbeln berufen ßnb.
3ß fonnte Meö unterfChreibcn, wag in biefer -fjin*
ftc^t bemerft worben iß, aber ich mochte boß noch
an gweiOinge erinnern, bie, wie mir fßeint, recht
bringiieh «ng ermaßnen, gufammengußehen. OaS
eine iß bag neue fRelß, bag wir haben. Sie ©inf*
gung gang OeutfßlanbS wirb offenbar gegenwär*
tfg bebroßt, nicht burcii irgenb einen gefnb, ber
im ©taube wäre, mit äußerer SBaffengewalt bag
Steiß ju befämpfen, foubern bie fSebrolfung fommt
»on ©eiten her, bie mehr eine fleißige alg eine
materielle Sebeufung haben, unb iß fehe bie ®e-
fahr öon gwet entgegengefe^ten ©eiten ßch entfal*
ten. ©inmal iß eg ber Äampf, ber neuerlich wie»
ber aufgenommen würbe gwlfßen ber faß. cg>ier-
arßfe unb bem mobernen ©taate. Sluß in biefer
4)fnßßt haben wir, alg eine proteßautifße Kirche,
eine ganj beßimmte Slufgabe, unb wir werben ße
erfüllen. 3Bir wollen bem 8anbe geigen, baß auch
bie Älrße in religiöfen Sntereffen ßß mit »oller
Freiheit bewegen unb biefe entfßleben forbern fann,
ohne bie ©rißeng, bie Slutorität beg ©taateg in
irgenb einem fünfte anjugreifen, »ielmehr im auf»
tißtigßen grfeben mit bem ©taate.

Sie anbere ©efaßr, bie ebetifowenig Weber mit
Nationen noch mit günten gu bewältigen iß, haben
Wir in fßreefenbafter gorm in fpavtb erfeßeinen
fehen. 9Bir würben ung aber täufeßen, Wenn wir
meinten, in 35eutfßlanb wäre nichtg baüon ju »er*
fpuren. ©S iß aber bieg bie ©cfafjr, bfe »on bet
fogiallßifßen, fommuttißifchcn ©eite herbro£)t, unb
auch ba haben wir nach meiner Uebergeugung eine
große Slufgabe. ©S iß unjweifclhaft einem großen
Steile ber Slrbeiterbeöölfevung ju ihrem eigenen
Utiglücf unb SBerberben ber ©iaube an ©ott, ber
©Staube an eine ßtitliche SBcltorbnung, ber ©faube
an ein SSaterlanb abhanbeit gefommen. Unfere
Kirche |at bie Aufgabe, foweit ihr (Sinßttß reicht,
auß in bett unterßen ©ßtßten beg ffiolfeg, auch
unter ber gebrüefteren ärmeren Itiaße btefen ©laus
bien neu ju öerhreitett, ju ßärfen unb ju befeßigen.
SOBenn wir an biefe beiben ©ebanfen benfett, bann,
meine ich, liegt bartn eine fehr lebhafte ©tmab*

nung für ung, auggufpreßen, unb gwar mit aller
©ntfßlebenbeit unb ©nergie, baß wir trofj ber ©e*
genfäße, bie unter ung ftnb unb bie ju »erfleinern
ober ju »erheimlfßen ober auch nur abjufcßwächen
ich feinen ©mnb unb feine 8uß habe, bennoß eine
große gemeinfame Stufgabe haben, in ber wir Sille
gufammenwirfen fönnen. 3ß banfe 3ßnen wieber-
holt für meine 9Bnt)l.

Stun erlauben ©ie mir noch einen Slntrag jtt
ßeilen, ber einer fßßißt ber Sanfbarfeit entfpringt.
©S iß immerhin für ben eingebaut SRann, ben eg
betrifft, eine nicht leicht Slufgabc, a(g ber Slelteße
eineg größeren SreifeS bie Serfammlung gu leiten.
Sag älteße SRitglfeb untergieht ßß biefer Aufgabe
einfach aug fRotbwenbfgfett, nicht aug 8nß ober
freiem SBiticn. 3»h bitte ©ie, aud) im gegenwärs
tigen gaüe S^ren Sauf gegenüber bem fterrn
Slltevghräßbenten unb feiner Seitung ber ©efehäfte
»on Slnfang an babur^ einen Slugbtucf gu geben,
baß ©ie ßch »on Shren ©iigen erheben.

(©ämmtlichc SOtitglieber erheben fich.)

Ibarlgruße, 4. Slug. Ser beute erfchienene
©taatangeiger SUr. 33 enthält:

I. Serfügungen unb 33efanntma<hutigen ber
@taatgbel)örben. 1) SSefanntmachuugen beg 5Dtlnl-
ftcriumg beg3nncvn: bie SBahlen gur ©rßen Äam»
tner bet ©iänbeoerfammiung für 1871 betrefenb
[8iße ber ßimmfäbigen unb wählbaren @ntnbher-
ren ln ben 33egirfen unterhalb unb oberhalb ber
ÜWurg]. 2) Seg |)anbelgminißeriumg: bie Segung
cirteö gweiten ©eleifeg auf ber beßehenben @tfen-
bal)n=Srücfe über ben fR^etn bet ÜÄaing betreffenb.

II. Sienßerlebigungen. [©teile eineg ßieoiforg
bei ber Dberreoißon beg üßiinißeriumg beg ©roßh-
£aufeg, ber 3«ßig unb beg Slugwärtigen. — @r-
lebigung ber Segirfgforßeien Sßeinheim, Suhl,
Dttenhöfen unb tßfullenborf, unb ber SBejirg=Shfer-
argtßeßen in Sffiteeioch unb Sabett.]

Karlsruhe, 3. Slttguß. Sie 3«hl ber für 33a*
ben angentelbetcn gorberungeti öon Stuggewiefenen
iß noch nicht befannt geworben; aßet SBahrfchettts
lichfeit nach wirb ße gwifeßen 6 u. 7000 betragen,
ber adjte ober neunte Sßeil ber ©efammtfumme ber
Slngemetbeicn, ba SJaben alg langgeßrecfteg un*
mittelbareg 9?ach»arla:ib oon granfretcb eine un-
oerhaltnißmäßig bebeutenbe ßatß »on bort Singe*
feßenen gäblt. Stimmt man an, baß S9aben ben
achten St)etl barftellt, fo erhält bag 8anb »on ben
4 SKill. Shalcrn 500,000. ©etheitt bur^ 7000
würbe bteg auf ben Hopf etwa 125 ß. ergeben.
fD?an ßeßt, baß »on einer eigentlichen @ n t f d) a b t-
gung, »on ber auch bag ©efefg nicht fßricht, faum
bie 9febe fein fann. — ©ine enbgiltige geßßetlung
fämutilicher babifd)er8el)ranßalten, weidje bag
iRedß haben, ©chüler mit bem 3fugnif? ber Steife
für ben einjährigen gretwflligenbienß gu entlaßen,
iß noch nicht erfolgt.

Slug ä8ßöcn, 2. Sluguß. Stau erwartet aß*
gemein, baß entweber burch bie ^Regierung, ober
burch bie Kammern bie SBereinfadjung ber
©taatgmafchine auf bie Sagegorbnuug beg
nächßen 8anbtngg gelange. Db freilich bie Sache
aud) fofort gut Surd)fül)rnng gelangen wirb, iß
eine anbere grage. Sie grage ber 33erminberung

ber Stmtggeddjte, ßreiggerichte unb 33egirf^tfb((
iß eine alte, unb eg ßeßt gu hoffen, baß nuw
Schaffung beg SReicßg bte fletnßen Jtir(htbur,
intereßeu, wie ße noch 1864 auftraten, ft<h
mehr werben geltenb machen fönnen. @g iß u i„
geng auch ber ©ebanfe aufgetaucht, «ut
üRinißerium gu fefaaßen, in welchem bie biöbet
ßanbeuen alg ©eftionen erf^einen. Saß eine 2*
berung fommen muß, barüber iß aße SOBelt emw
mit ber Sermtnberung ber Seamtengahl
bie SJefferßeitung gufamtnen. Sie ©rh^u^
ber ©egüge iß abfolut unabweigbar, weil man n%
mit einem S3eamienhroletariat regieren fann, 11
weit ber Staat ben SSeamtenßanb nicht gu einc
äRonopol bet SSegütevten machen barf.

©oben. Sie „33ab. 8.*3tg." feßreibt: Heber b
^)aß gegen bie Seutfchen unb bereu SSerfolgunS
|)a»re |abe ich »ergeßern einen babei SSetheß'B1^
gebrochen, ber fein halbes Seben bort gewohnt un
ftcb fchon fett langer 3eit hätte fönnen naturaliß[£
laßen, ©r Tagte mir, cg fei für einen Seutfaß
feine SRöglicbfeft mehr, bort gu leben; an bie 850*1
bürfen ße ßch nid)t wagen, unb in ben Steßauraitf
»erWeigert man ihnen bie Slufnahme, fo baß
genöthigt war, in ben SBirthfchaften für bie 2lu
wanberer am |)afen feinen ÜRfttaggtif^ gu neb#*"'
unb im fonßigen 93erfet>c fdßießcn ßch bie
gofen gang »on ihnen ab. ©r fehrt nur bah1”
gurücf, um ferne Slngelegenheiten gu orbnen »n
ben Drt, an bem er fo lange gelebt, gu »erlafff11'
betrachtet man bagegen bie ©teßung ber grangoß
bet ung, bie fo unangefochten Ißc* toben wie fot*?'
ihre ©efehäfte na^ wie »or betreiben, fo foßte btO
©rfeßetnung ben goangofen bie ©cßamröthe in ®
äßangm treiben; aber bag ©efüßl, »on
tanb beßtegt worben gu fein unb ißren ßcß fe‘p^
gegebenen Siamen ber grande Nation »erlorett i
haben, unterbrächt in ißnett jebeg beffere unb
©efühl. Saß bieg nicht bei Slflen ber gaß ’
»erßeßt ß^ »on felbß; benn eg gibt grangofe« L
nug, wcld)e elnfehen, baß nur ße felbß bieg ^
heroorgerufen haben, unb welche ßcß nicht ßh{U
ihre gehler unb Sßtängel anguerfennen. - rt

©iünthen, 1. Sluguß. 3Bir in ben «w f
©täbten fönnen mit ©elaßenheit gufet)en, aber a
bem platten 8anbe ßnb 3ußänbe in golge ber ,
liehen ÄrißS eingetveten, bte jebeg SRecßt in’S ®e3c11.
tßeil »erlehren unb einen Serrortgmug ber geißli$cl1
©ewalt gur ©cßau ßeßen, wie er »or 3ahrhunber'’
ten beßanb. ©in großer ©runbbeßßet in ber SRäf?{
»on ipaßan, ber 43 Sienßboten auf feinem $0^
hält, würbe »ott oßener Äangel herab »erleumbdc
weil ßcß bie „Slbenbgeitung" unb bie „^aßauerin
in feinem .ßtaufe fanb, feinem ©eßnbe aber w1^
bei SSerluß ihres Seelenheils angebroht, ben Ste111
gu »erlaßen. 3n weiße 8age war ber
braßt, befonberS nun gur ©rntegeit; in weiße® '
müthsßimmung werben bie bienenben ©tänbe »f
feßt, wenn man ße »or folße Stlternatiöen ße*1*
Ser ©utsbeßßer ßeßte gerißtliße Tblage; unb ^
ber Pfarrer »erurt&eilt warb, fo ergriff er bie <0
rufung. Slüein noß ehe biefe ertebigt war, wie|c'
holte er biefelben 3njurten, unb als bet SSetroff^
ßß abermals um Sengen umfah, ba war bete*

bigungggrunb gum Stblehnen; benn er hatte »or
einigen Sagen feine 33ioline wegen ber fRothwen*
blgfeit einer SReparatur gum Snßrumentenmaßer
gefanbt. Sei ber trüben Stimmung, in weiße er
fiß aHmäblig hinelngefonnen, fam biefer Umßanb
ihpt gelegen. Dttllie aber war hartnäßig. ©ie
ließ ßß in*l heiterer SRiene »or baS ißiano nieber
unb naßbem ße ein raufßenbeS ißrälubtum ange*
fßlagen, intonirte ße mit ihrer frifßen biegfamen
©opranßfmme Slbt’g fßöneg Sieb: „SBeun bie
©ßwalben heimwärts gieh’n"

Sie tiefe ©mpßnbung, baS feine ffierftänbniß,
mit ber ße bie Slrie »ortrug, fanben ßoit ©eiten
ber 3Hhörer »olle Slnerfennung. SllS ße gu ©nbe
waif, erhob ße ßß mit fröhlißem 8aßeit: „Unb
nun, ^)etr SEBtrner, ßnb ©ie an ber Steiße. 2I?äh-
len ©ie ßß ein Sieb, wie eg gu Shrer Stimmung
Haßt, unb tragen ©ie eS oor."

äReßanifß naßm ber junge üRann bag Steten*
heft, weißet Sieber unb ©efänge mit ißfaneforte*
Begleitung »on 33eetho»en, ©ßubert unb anbern
berühmten Ttomponißen enthielt, aus ber £>anb ber
jungen Same, weiße ißn e^nfm »etßo|lenen
8aßeln, aber fotfßenb betraßtete. ^>aßig warf
er bie SSlätter herum, bis. fein 331iß plö^liß auf
^eibet’S Sieb ßel: ' ße miß nißt fo läßelnb

an|" iteineS war wohl geeigneter für feine gegen*

wärtige ©emüthSßimmnng, als biefeS, unb in bem
©ebanfen, baß er bamit ber ©eltebten SltleS fagen
fonnte, wag er im bergen fühlte, feßte er ßß »or
bag Snßruinent, fßlug bie ©inleitungg*3lfforbe an
unb ßel bann mit feiner gwar ungefßultcn, feineg*
WegS aber unangenehmen Stimme ein:

„0 lieh miß nißt fo läßelnb an,

®u DtöSlein jung, fßlanteS 3teb!

®etn SBlict, ber 'Qebem woblgeßan,

SJtir ßut et in ber Seele web;

Sölein öerj wirb trüb’ unb trüber,

S3ei Seiner greunblißteit,

SBotüber ift, »orüber,'

Ser Siebe Seit.

3a, War’ iß jung unb froh wie Su,

Unb wät’ iß fo frifß unb war’ iß fo rein:

3Bie fßlüge mein £>etj bem Seinen su,

SBie tonnten wir felig sufammen fein!

SSBte follte burß’ä (Semüße
SDlir jteb’n ein füget Sraum,

Soß fo, — Wag foU bie ®lüße
am weiten Saum?"

„D! iaffen ©ie biefeS Sieb!'' bat Ottilie, bie
unter mißbiHigenbem Ttopffßütteln ^unb mit »er*
brießlißent ©eftßt bem ©änger gugetfört hatte; „eg
Hingt boß gar gu trübe, biefeS Sieb ! Stein, nein!
bergleißen mag iß nißt anhören, fßer, bag got*
genbe mößte e|er gehen: ,Sproler ßnb gar lujVge
8eut! u. f. w.‘, baS ift heiterer!"

SEBerner warf einen 33licf auf ©mmp, ab^f L
hatte baS Singe gur ©rbe gefenft unb ßre 2»”,
gen hatten ßß mit einer feinen fRöthe überjoB^
„Unfer ©aß hat bag SReßt gu beßimmen, in
ßer 2lrt bie Unterhaltung geführt werben f®i
fagte er leife, gu ©mmp gewanbt. „2Benn
gräuletn SBenbliug, eS befehlen, fo trage iß
leißte unb weniger tiefe Sptolerlieb »or, we
gräulein Ottilie citirte."

„Stein!" rief ße lebhaft unb warf ratß

beü

Äopf empor: „fahren ©ie fort, wenn iß
barf. OaS 8feb, welßeS ©ie gewählt haben,
mir mehr gu."

@r hatte bereits in bie Saßen gegriffen
fuhr mit größerem ©elbßöertrauen fort:

„fDiem Seben liegt im Slbenbroß,

Seins tritt erft ein in ben fonnigen Sag!
iDtein .öetj ift ftarr, mein f)etj ift tob,
Seins lebt erft an ben luftigften ©ßlag-
Su fßauft naß Seinem ©lüde
3n golb’ne getnen weit.

3ß blide fß.on prüde
3n alte Seit."

(gortfe&mg folgt).


Litt5
 
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